Es ist nicht irgendeine Sendung, sondern die von Gert Scobel – das bedeutet, wir treten in riesige Fußstapfen! «NANO Talk» steht in der Tradition von Gert Scobel, aber wir entwickeln das Format weiter. Für mich ist das eine Einladung, wissenschaftliches Denken mitunter auch mit einem persönlichen Zugang zu vermitteln.
Was reizt Sie persönlich an der neuen Rolle, interdisziplinäre Gespräche zu leiten – und worin sehen Sie den größten Unterschied zur klassischen Talkshow?
Die eigentliche Erkenntnis passiert oft im Dazwischen der Disziplinen. Mich reizt genau dieses Grenzgebiet: herauszufinden, wie Philosophie, Politik, Natur- und Sozialwissenschaften einander befragen und gegenseitig schärfen. Anders als in klassischen Talkshows geht es bei uns nicht um schnelle Statements oder Debattengewinne – sondern um eine Form von Gespräch, das per se offen ist. Für mich ist es ebenso politisch wie methodisch wichtig, der Banalisierung und Polarisierung des Denkens und Sprechens etwas entgegenzusetzen. Dieses Format bietet die Ruhe und Zeit für tastendes Denken, das in diesen Zeiten wichtiger denn je ist.
Ihr erster «NANO Talk» steht unter dem Motto „Kooperation statt Konkurrenz“. Warum ist gerade dieses Thema für Sie als Einstieg besonders passend?
Weil es den Geist des Formats auf den Punkt bringt. In Zeiten multipler Krisen ist Kooperation kein nice to have, sondern der Ausweg. Wir brauchen nicht nur neue technische Lösungen – sondern auch ein neues Verständnis davon, was Wissen ist und wie wir Formen des Wissens nutzen, die im westlich-europäischen Denken jahrhundertelang abgewertet worden sind.
Wie bereiten Sie sich journalistisch auf ein so komplexes, wissenschaftlich geprägtes Gespräch vor? Gibt es eine feste Methodik, der Sie folgen?
Ich arbeite viel mit Lektüren aus unterschiedlichen Fachrichtungen und suche nach Brücken: Wo gibt es Begriffe, die in mehreren Disziplinen vorkommen? Wo liegen Spannungen? In Vorgesprächen mit den Gästen lote ich Berührungspunkte zu den anderen Disziplinen aus. Außerdem versuche ich herauszufinden: Was bewegt die Gäste wirklich an dem Thema? Und ich versuche, offen zu bleiben – damit das Gespräch nicht nur vorbereitet, sondern auch überraschend bleibt.
Wissenschaft gilt vielen als trocken oder schwer verständlich. Was wollen Sie tun, um Forschungsthemen einem breiten Publikum zugänglich zu machen – ohne zu simplifizieren?
Indem wir nicht „runterbrechen“, sondern gemeinsam hinaufschauen. Ich glaube, Menschen wollen nicht belehrt werden, sondern eingeladen – zum Mitdenken, zum Mitfühlen. Wir arbeiten viel mit Alltagsbezügen und persönlichen Zugängen, aber nehmen dabei die Komplexität ernst. Verstehen ist kein Akt der Reduktion, sondern der Verbindung.
Sie moderieren im Wechsel mit Alena Buyx. Was unterscheidet Ihre beiden Perspektiven – und wie ergänzen Sie sich Ihrer Meinung nach?
Alena und ich ergänzen uns sehr gut, weil wir aus unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen kommen und dadurch verschiedene Perspektiven in unsere Gespräche einbringen. Alena bringt als profilierte Medizinethikerin eine starke naturwissenschaftlich geprägte Sichtweise mit, die sich auf medizinische, ethische und gesellschaftlich relevante Fragen konzentriert. Ich selbst komme aus den Geistes- und Sozialwissenschaften und beschäftige mich intensiv mit Begriffen, Deutungsmustern und historischen Kontexten. Gerade diese unterschiedlichen Prägungen sorgen dafür, dass wir Themen aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchten können.
Der «NANO Talk» läuft in der Primetime. Welche Chancen – und welche Verantwortung – sehen Sie darin, Wissenschaft zur besten Sendezeit zu präsentieren?
Es ist ein starkes Signal: Wissenschaftliche Gespräche gehören nicht in Nischenzeiten, sondern in die Primetime. Die Verantwortung liegt darin, Themen so aufzubereiten, dass sie verständlich und relevant sind. Wir wollen zeigen, dass Gespräche zwischen Wissenschaftler*innen zur besten Sendezeit funktionieren.
Welche Themen oder Forschungsbereiche würden Sie persönlich gern in einer der nächsten Ausgaben vertiefen – gibt es Herzensthemen?
Mich interessieren besonders Fragen des Körperwissens und damit verbunden, welche Formen des Wissens in welchen Denktraditionen als legitim gelten und welche nicht, außerdem postkoloniale Perspektiven zum Beispiel auf das bis heute wirksame Erbe von demokratischen Kolonialmächten, und die Frage, wie man angesichts der Klimakrise zu einem neuen Selbstverständnis des Menschen jenseits des autonomen Individuums finden können – und zwar nicht nur theoretisch, sondern auch im gelebten Alltag.
Wie wichtig ist Ihnen die Gesprächsatmosphäre im Studio? Muss Wissenschaft heute nicht auch emotional berühren, um zu wirken?
Unbedingt. Erkenntnis ist kein rein kognitiver Prozess. Atmosphäre schafft Raum für neue Gedanken, fürs Ausprobieren, für Widerspruch. Ich glaube, man spürt, ob ein Gespräch aufrichtig ist. Und das ist entscheidend: Wissenschaft braucht heute nicht nur Evidenz, sondern auch Resonanz.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft des «NANO Talk» – sowohl inhaltlich als auch im Hinblick auf die gesellschaftliche Wirkung?
Ich wünsche mir, dass wir dazu beitragen, Denkgewohnheiten zu hinterfragen – und Mut zu machen, Komplexität nicht als Bedrohung zu sehen, sondern als Einladung. Wenn wir es schaffen, Wissenschaft nicht nur verständlich, sondern auch fühlbar zu machen, haben wir schon viel erreicht.
Vielen Dank für Ihre Zeit!
Der neue «NANO Talk» debütiert am Donnerstag, den 28. August, um 20.15 Uhr in 3sat.
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