Die Kritiker

«Meister des Todes 2»

von

Veronica Ferres spielt die Tochter aus einer ruchlosen Waffenfabrikanten-Dynastie, die zu ihrem Gewissen findet. Die eigentlichen Opfer sind dabei nur Kulisse. Hauptsache, man kann sich ein bisschen empören.

Cast & Crew

Vor der Kamera:
Veronica Ferres als Sabine Stengele
Katharina Wackernagel als Christina Schuhmann
Axel Milberg als Heinz Zöblin
Heiner Lauterbach als Alex Stengele
Udo Wachtveitl als Otto Lechner
Barbara Philipp als Lisbeth Kraus
Désirée Nosbusch als Dr. Johanna Wetzel

Hinter der Kamera:
Produktion: Diwa-Film GmbH
Drehbuch: Daniel Harrich (auch Regie) und Gert Heidenreich
Kamera: Walter Harrich, Helmuth van der Wielen und Iwao Kawasaki
Produzenten: Walter Harrich, Daniel Harrich und Danuta Harrich-Zandberg
Dass der Tod ein Meister aus Deutschland ist, wissen wir seit Paul Celan. Gut möglich, dass der Titel dieses Films mit der prägnanten Verknüpfung seiner beiden Substantive „Meister“ und „Tod“ diese Parallele bewusst sucht – was sich noch durch die Beobachtung untermauern ließe, dass auch der in diesem Film thematisierte fiktionale deutsche Waffenkonzern eine ununterbrochene Kontinuität vom NS-Regime bis in die heutige Bundesrepublik aufweist. Gegründet wurde er von einem Veteranen der Waffen-SS, der in ganz Osteuropa viehisch gemordet hat und am Schluss wahrscheinlich selbst nicht mehr wusste, wie viele Menschen er abgeschlachtet hat. Doch seine große Hinterlassenschaft ist der baden-württembergische Rüstungs-Champion HSW, der Maschinengewehre in alle Welt exportiert und nicht nur dank seiner umfangreichen Spenden an Bundespolitiker in verschiedensten Funktionen längst systemrelevant geworden ist.

Seine Mexico-Geschäfte könnten der Konzernspitze – prominent besetzt mit Udo Wachtveitl, Axel Milberg und Heiner Lauterbach – aber nun zum Verhängnis werden. Denn das Unternehmen hat die Ausfuhrunterlagen auf ziemlich offensichtliche Weise frisiert und dabei wahrscheinlich gegen das Außenwirtschaftsgesetz und das Kriegswaffenkontrollgesetz verstoßen. Vorwürfe, die vom zuständigen Gericht souverän – und damit eben bürokratisch, steril und unaufgeregt – wegverhandelt werden.

Doch diese nüchterne Rechtsstaatlichkeit soll uns abstoßen. Dazu werden die in kühler Neonröhren-Optik gehaltenen angestaubten Gerichtsszenen, wo allerhand juristische Wortungetüme durch die Gegend fliegen und eine rechtliche Spitzfindigkeit auf die nächste folgt, mit einem Massaker in Mexiko zusammengeschnitten, wo die Polizei im ländlich geprägten Bundesstaat Guerrero vier Dutzend protestierende Studenten brutal niederschießt: mit den Maschinengewehren von HSW.

Wem das zu subtil ist, für den hat diese Produktion Veronica Ferres als Hauptdarstellerin engagiert. Wichtigstes Charaktermerkmal ihrer Figur: Sie kann nicht mehr. Als Tochter des Waffen-SS-Gründers hat sie die menschliche Zumutung des Familienunternehmens schon ihr ganzes Leben mitgemacht, und auch ihr Ehemann („Eigentlich is’ er ein Guter“) ist über die Jahre in der Waffenschieberei voll aufgegangen: „Wo ist der Junge geblieben, in den ich mich verliebt hab‘?“, schluchzt sie ihm nachts auf dem Sofa den Hemdsärmel voll, wenn sich die Beiden – dank der völligen inszenatorischen Einfallslosigkeit von Regisseur Daniel Harrich – nicht gerade unter der Dusche bei laufendem Wasser, aber glücklicherweise in bekleidetem Zustand, schweigend ihre Lebensenttäuschungen vorhalten.

Warum sie sich in über fünfzig Jahren nicht von ihrer Familie gelöst hat, wenn die Verlogenheit und Menschenverachtung dieses korrupten Konzerns für sie so schwer erträglich waren? Wie sie dreißig Jahre Ehe mit einem Mann ausgehalten hat, der dabei ganz oben mitmischt (und den sie trotzdem ja noch irgendwie liebt)? Das bleibt das Geheimnis dieser fahrigen Dramaturgie, und scheint ihr obendrein ein völlig nebensächlicher Aspekt. Wichtig sind Ferres und ihre inkonsequente Figur in einem ganz anderen Zusammenhang: Niemand kann so schön empören – und dabei bedient dieser Film die ganze Klaviatur von Ferres’ spielerischen Möglichkeiten: Sie macht allerhand theatralische Szenen in der Öffentlichkeit, marschiert verärgert aus Gerichtssälen, brüllt mit grenzenloser Theatralik über dem Leichnam ihres Mannes wie eine brünftige Kuh.

Nur mit völlig übertriebenem Gestus, hemmungslos überemotionalisierten Szenen und einer Haltung, die sich jeder ethischen oder psychologischen Ambivalenz verweigert, meint dieser Film, seine Entrüstung transportieren und sein Publikum (sofern das seine Ambition ist) für sein Thema sensibilisieren zu können. Doch dabei verkommt er in mehr als einer Hinsicht zur Farce.

Seinen Machern dürfte bewusst sein, dass sich mit leisen Tönen, mit einer zurückhaltenden, aber kompromisslosen Inszenierung und einem von Pathos und emotionalen Übersteuerungen freigehaltenem Spiel eine sehr viel schockierendere und nachklangvollere Wirkung hätte erzielen lassen. Spätestens als der Film die Quintessenz des Prozessausgangs (der seinem Standpunkt zuwider ist) auf ein paar hektische Schlussmomente verkürzt und nicht hinreichend problematisiert, warum die rechtliche Aufklärung seiner Haltung nicht gerecht werden konnte, übertritt er die Grenze ins Unredliche (nachdem er den überwiegenden Teil seiner Laufzeit versucht hatte, mit den verwaltungsrechtlichen und prozessualen Hindernissen weitgehend ernsthaft umzugehen). Die pathetische Conclusio muss schließlich ein mexikanischer Betroffener vor dem baden-württembergischen Gerichtsgebäude ziehen, und darf sich dabei ebenso keines anderen Stilmittels bedienen als des hemmungslosen Pathos‘:„Genau dieselbe Scheiße wie in Mexico.“ Um die Empörung endgültig perfekt zu machen, werden in den letzten Minuten noch ein paar dubiose Verbindungen zwischen den Angeklagten und der Richterin (Désirée Nosbusch) enthüllt, ehe der Verhandlungsführerin schließlich im Privaten die Maske vom Gesicht gerissen wird: „Ihr Gutmenschen glaubt immer, dass ihr die Welt besser macht“, hält sie der tapferen Menschenrechtsanwältin (Katharina Wackernagel) vor und offenbart damit ihren grenzenlosen gewinnsüchtigen Zynismus.

Vielleicht möchten die Macher nun anführen: Darum geht es ja gar nicht. Dieser Film will für das Leid der Menschen in Entwicklungs- und Schwellenländern sensibilisieren, die von deutschen Waffen abgeknallt werden. Wieso dann aber die Überbetonung des Juristischen, und wieso dieser überstilisierte, überzogene – und damit: bagatellisierende – Duktus, der den Zuschauern mit seinen überkandidelten Zurschaustellungen jedwedes echte Empfinden des menschlichen Leids verunmöglicht.

In letzter Konsequenz geht «Meister des Todes 2» sogar noch weiter, und degradiert die auftretenden Mexikaner mit einem in Sepia-Tönen getauchten Lateinamerika zur bloßen Kulisse, vor der sich eine deutsche Frau mit opulenten finanziellen Möglichkeiten von den Zumutungen ihrer Familie emanzipieren – und dabei gleich noch ihre Trunksucht abstellen – darf. Im Ergebnis ist diese Haltung wenig kaltschnäuziger als diejenige der Waffenschieberfiguren, die sich im Zeugenstand mit ihren Schuldabweisungen gerade in dieser Disziplin gegenseitig zu übertrumpfen versuchen.

Das Erste zeigt «Meister des Todes 2» am Mittwoch, den 1. April um 20.15 Uhr.

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Kurz-URL: qmde.de/117166
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