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«BH90210»: Eine durchdachte (Nicht-)Fortsetzung

von   |  4 Kommentare

«Beverly Hills, 90210» ist zurück, aber irgendwie auch nicht. In «BH90210» spielt der alte Cast satirisch überhöhte Versionen von sich selbst und will ein Reboot auf die Beine stellen.

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Und die auf diese Weise entstandene, enge Bindung zwischen Zuschauerschaft und Hauptcast war 2019 gewissermaßen der Ausgangspunkt, um anlässlich der bevorstehenden großen Jubiläen (20 Jahre nach dem Finale beziehungsweise 30 Jahre nach dem Piloten) der Marke neues Leben einzuhauchen, und die Frage nach dem Wie beantworteten direkt die Heldinnen und Helden von einst selbst: Mit einer Art „Reboot“, und zwar einem, in dem ein solcher von ihren „Meta-Ichs“ realisiert werden sollte. Dass das Projekt maßgeblich auf Tori Spelling und Jennie Garth zurückgeht und von ihnen gemeinsam mit Chris Alberghini und Mike Chessler entwickelt wurde, die zuvor schon mit Ersterer «So Notorious» kreiert hatten, eine Sitcom, die lose auf Spellings Leben basiert, erscheint deswegen schlicht folgerichtig.

Die beiden letztgenannten Kreativen hatten zudem an «90210» mitgearbeitet, dem eigentlichen Spin-off der Urserie, das von 2008 bis 2013 auf The CW zu sehen war, und in dem unter anderem Garth und Spelling ebenso Gastauftritte hatten wie Shannen Doherty und dessen Titel zu diversen Missverständnissen geführt haben dürfte. Im Laufe der fünf Staffeln wurde jedoch immer seltener auf den Hit von damals Bezug genommen. In diesem hatte einst eine Figur das Licht der Welt erblickt, die als dauerhaftes Bindeglied zwischen alter und neuer West-Beverly-High-Ära fungierte: Erin Silver (Jessica Stroup), die Halbschwester von Kelly und David. Die Existenz dieses Ablegers dürfte auch einer der Gründe gewesen sein, warum man keine klassische Fortsetzung anstrebte. Außerdem darf man nicht vergessen, dass ein Großteil des Originalcasts in mindestens 4 von 10 Staffeln mitgewirkt hatte. Viele mögliche Geschichten waren also auch einfach bereits erzählt worden.



Gleichzeitig war allen Beteiligten natürlich bewusst, dass ihre Zielgruppe in erster Linie die Anhänger der ersten Stunde waren, die wiederum mehrheitlich erwarteten, ihre Lieblinge möglichst oft in Aktion zu sehen sowie nostalgische Gefühle, aber doch auch Neues geboten zu bekommen. Und der Meta-Ansatz schien daher die ideale Möglichkeit zu sein, all diesen Bedürfnissen gleichermaßen gerecht werden zu können. Und so ist «BH90210» vor allem eines geworden: originell. Man hat es nämlich tatsächlich geschafft, das Gefühl von damals in die Gegenwart zu übertragen, ohne dass das Gezeigte in irgendeiner Form angestaubt wirkt. Überdies gilt es festzuhalten, dass jede Darstellerin und jeder Darsteller keine Chance verstreichen lässt, um zu beweisen, wie uneitel sie oder er ist. Gags auf eigene Kosten sind hier schließlich Standard. Zumal man nicht vergessen darf, dass hier zwar einerseits Übertreibung großgeschrieben wird, eine Menge des Präsentierten allerdings andererseits auch einen wahren Kern hat. Weiß man darüber hinaus, dass die glorreichen 7 auch als Exectuvie Producer fungieren, macht es noch mehr Freude über all die Absurditäten, die den Alltag der ehemaligen Teenie-Idole in dieser Version der Wirklichkeit bestimmen, zu lachen und zu schmunzeln. Denn das bedeutet, dass alle gleichermaßen die Drehbücher mittragen.

Dass die vom Boulevard oft als nicht ganz einfach beschriebene Shannen Doherty etwa auch in der Serie diejenige ist, die sich am längsten bitten lässt, dass eine Tori Spelling sogar 6 statt 5 Kinder (so viele hat sie tatsächlich) und als Reality-TV-Dauergesicht permanent Geldsorgen hat, dass Ian Ziering, der «Sharknado»-Trash-King kurz ein Filmplakat unterschreiben darf und als erfolgreicher Unternehmer mit eigener Marke dennoch nicht glücklich ist und erkennen muss, dass heutzutage anders geflirtet und gedatet wird als in seiner Hochzeit, dass Brian Austin Green – als Ehemann eines Popstars (eine Schauspielerin, die eine besondere Beziehung zu sich transformierenden Autos hat, wäre auch zu offensichtlich gewesen) den liebevollen Hausmann und Vater gibt, der an sich gerne wieder arbeiten würde, dass Gabrielle Carteris jetzt das spielt, was viele seinerzeit in Andrea Zuckerman gesehen haben (eine Frau, die sich ihrer Sexualität nicht ganz sicher ist), jedoch in den 90ern nie wirklich thematisiert worden ist, dass eine Jennie Garth ihre gescheiterten Ehen und ihre Unsicherheiten als junges Mädchen mehrfach zur Sprache bringt und dass der – in der Tat als Regisseur arbeitende – Jason Priestly, „America’s Sweetheart“, ganz bewusst einen Kreativen spielt, der zum einen den Reboot drehen soll, sich zum anderen aber nicht immer im Griff hat und seinem Image häufig nicht gerecht wird, ist – man kann es nicht anders sagen – bemerkenswert.


Die Grenzen zwischen Schein und Sein sind schließlich für das Publikum nicht immer eindeutig auszumachen und obwohl bestimmte Dinge offensichtlich dem Reich der Fantasie entstammen, ertappt man sich dabei, andere auf das Fünkchen Wahrheit hin zu überprüfen, das in ihnen stecken könnte. Auf diese Weise kommt für diejenigen, die sich vor den Bildschirmen versammelt haben, nie Langeweile auf, und obwohl die Handlung fest in der Gegenwart verankert ist, gelingt es den Machern – wie schon angedeutet – durch die Tonalität das Original quasi in der „Nicht-Neuauflage“ weiterleben zu lassen. Dabei spielt auch eine gewisse Ruhe und Unaufgeregtheit eine Rolle, die für heutige fiktionale Produktionen eher Ausnahme als Regel sind.

Dies kann als angenehm entschleunigend wahrgenommen werden, allerdings umgekehrt auch als langatmig und langweilig – und – so ehrlich muss man sein – selbstredend gilt Letzteres (mittlerweile) für die Mehrheit. Denn «BH90210» ist aus all den genannten Gründen ein Format geworden, dessen Stärken sich eigentlich nur denjenigen erschließen, die Brandon, Kelly & Co. auch nach Ausstrahlung der letzten Folge bis heute die Treue gehalten haben. All die Insider etwa, zum Beispiel das Intro, das stark inspiriert von all den vorherigen ist, jedoch die Hauptcharaktere „in alphabetical order“ auflistet – ein klarer Gruß an «Melrose Place», das legendäre erste Spin-off Nr. 1 von «Beverly Hills, 90210», das im Vergleich von den Akteurinnen und Akteuren offenbar viel mehr als Sprungbrett angesehen wurde (man denke etwa an Alyssa Milano, Marcia Cross oder Kelly Rutherford). Es kam überdies zu diversen Cameos und ein besonderes Bonbon speziell für die Fans aus dem deutschsprachigen Raum gab es auch: Man konnte nämlich nahezu alle Synchronschauspielerinnen und -schauspieler von einst verpflichten – und das, obwohl die Aufnahmen diesmal in Berlin und nicht mehr in München enstanden sind: Julia Haacke, Anke Korte, Dirk Meyer, Manou Lobowski, Christine Stichler und selbst Kellina Klein, die es seit einer gefühlten Ewigkeit kaum bis gar nicht mehr ins Studio zieht. Nur der 2014 verstorbene Philipp Brammer, die Feststimme von Jason Priestly, musste durch Jaron Löwenberg ersetzt werden, der jedoch ohne jede Frage einen tollen Job gemacht und dem US-Amerikaner auch schon in «Private Eyes» seine Stimme geliehen hat.



Luke Perry, dem seine alten Weggefährten, auf wunderbare Weise in Episode 1 gedachten, hatte seinen zwischenzeitlichen Ausstieg (innerhalb von Staffel 6) ebenfalls damit begründet, stärker in Hollywood und der Filmwelt Fuß fassen zu wollen, was ihm zunächst nicht so recht glückte. Seine Rückkehr in Staffel 9 war für viele ihr persönliches «Beverly-Hills,-90210»-Highlight. Dass der, wie im Kontext seines tragischen Todes von allen Seiten bestätigt wurde, kollegiale, talentierte und liebenswerte Mime einige Jahre vor seinem Ableben in «Riverdale» das aktuelle Teenie-Drama-Schwergewicht mit aus der Taufe gehoben hatte und in Tarantinos jüngsten Hollywood-Hommage im Quentin-Stil einen kleinen Part übernehmen durfte, würde man wohl als Ironie des Schicksals bezeichnen, wäre der Anlass nicht so traurig. Doch selbst wenn er in den restlichen 5 Folgen im Prinzip nicht mehr erwähnt wird, war er doch gefühlt anwesend – zumal es als offenes Geheimnis gilt, dass Shannen Doherty, die ein besonders inniges Verhältnis zu ihrer ersten großen TV-Liebe hatte, primär deshalb zusagte, weil er höchstwahrscheinlich ebenfalls an Bord gewesen wäre.

Ja, «BH90210» mag spitz und bestimmt nicht für jeden etwas sein, besticht aber definitiv durch so viel Liebe zum Detail, dass man an sich jedem, der zumindest ein wenig mit der Materie vertraut ist, dazu raten sollte, wenigstens einen Blick zu riskieren. Aus den ursprünglich angedachten 13 Folgen mit einer Option auf mehr wurde letztendlich eine in sich stimmige Eventserie, die – obwohl von FOX abgesetzt –, recht leicht weitererzählt werden könnte, allerdings auch wunderbar für sich stehen kann. Spelling und Garth zeigen sich jedoch offen für neue Partner. Man darf also gespannt sein – vornehmlich im Peach Pit.

«BH90210»-Folgen sind ebenso wie alle Staffeln von «Beverly Hills, 90210» auf TV Now abrufbar.

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Es gibt 4 Kommentare zum Artikel
TwistedAngel
29.02.2020 18:35 Uhr 1
"überhöhte Versionen" <- wer hat denn da mit Google Translator gearbeitet? 🤔😅 überzeichnet/übertrieben wäre wohl passender gewesen ... 😉
F.K.
01.03.2020 13:57 Uhr 2
Ich muss sagen, ich finde es ja richtig gut, dass "QM" so viele aufmerksame Leser mit einem ausgeprägten Sprachbewusstsein hat. An der von Ihnen angeführten Stelle hatte ich das "satirisch" vor dem "überhöhte" vergessen. Ach, und ich muss Sie enttäuschen: Ich habe tatsächlich noch nie auf den "Google Translator" zurückgegriffen.



Haben Sie noch einen schönen Sonntag!
TwistedAngel
01.03.2020 20:30 Uhr 3


Florian Kaiser, alles gut, bin ansonsten absoluter Fan Ihrer Artikel und das mit Google war ein Gag, da dieses "hightened versions" halt auch in englischen Artikeln verwendet wurde, daher wirkte es etwas abgeschrieben ;) und ich hätte nicht unbedingt gewusst, was 'hightened' in dem Zusammenhang bedeutet ...

Und selbst 'satirisch überhöht' finde ich irgendwie unglücklich ausgedrückt/übersetzt, aber Sie sind der Autor :)

Danke gleichfalls!
F.K.
02.03.2020 20:48 Uhr 4
Ich finde es sogar wichtig, dass nicht jedem jede Formulierung gefällt, denn nur so bekommen wir ja in letzter Konsequenz abwechslungsreiche Texte. Von daher habe ich überhaupt kein Problem mit solchen Anmerkungen, und es freut mich natürlich, dass Ihnen viele meiner bisherigen Beiträge zugesagt haben. Die nächsten sind schon in Planung. In diesem Sinne: Noch eine angenehme Woche!

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