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«Genial daneben - Das Quiz»: Ein kleiner Schritt für das Quizgenre, aber ein großer Schritt für Sat.1

von   |  1 Kommentar

Mit einer Mixtur aus dem Mutterformat und «Wer weiß denn sowas?» kommt der Sat.1-Vorabend nun endlich aus dem intellektuellen Fegefeuer der Scripted-Reality-Dauerrotation heraus. Das ist grundsätzlich ein ebenso löblicher wie überfälliger Schritt - auch wenn die neue Sendung an sich in vielerlei Hinsicht kein großer Wurf ist.

Wie soll man bloß grundsätzlich zu der Tatsache stehen, dass Sat.1 ab dieser Woche mit einem täglichen Quiz-Ableger von «Genial daneben» auf Zuschauerjagd geht? Anhaltspunkte für eine problemorientierte, skeptische Grundhaltung gibt es einige: Etwa die Tatsache, dass das Format seit seiner Rückkehr im März vergangenen Jahres schon am Abend nicht unbedingt stiefmütterlich behandelt wurde und Hugo Egon Balder urplötzlich wieder ein gefragter Show-Mann in Sat.1 ist, der zuletzt so einige weitere Projekte zumindest mal ausprobieren durfte - fast immer mit erstaunlich großem Erfolg. Oder auch der Umstand, dass diese Quiz-Variante mehr als offensichtlich von «Wer weiß denn sowas?» inspiriert wurde.

Auf der anderen Seite kann man sich aber auch einfach freuen, dass der Bällchensender irgendwo zwischen Scripted Realitys und uralten Sketch-Comedys seine Inspiration wiedergefunden zu haben scheint, seinem Publikum nicht nur am Freitagabend sehenswerte Unterhaltung anzubieten, sondern auch noch am Vorabend - und gerade hier musste man in den vergangenen Monaten und Jahren nun wirklich nicht zwingend den Eindruck gewinnen, irgendetwas zu verpassen, wenn man sich bei einem anderen Sender oder anderen Medium niederließ. Insofern war der Rezensent des Artikels von vornherein geneigt, der neuen Show mit alten Bekannten positiv gegenüberzutreten, denn egaler als die 289. Folge der «Ruhrpottwache» konnte der 19-Uhr-Ableger der Kultshow doch wohl kaum sein. Und das war er auch nicht, obgleich der erste Eindruck daran zweifeln lässt, ob er an das Original herankommen kann.


Das Konzept schränkt die Promis ein, bietet aber Chancen für neue Gesichter


Das Konzept des von Constantin Entertainment produzierten «Genial daneben - Das Quiz»: Wie im Original stellen Zuschauer (hier allerdings ausschließlich aus dem Studio-Publikum) den Prominenten (neben Hella von Sinnen und Wigald Boning zwei wechselnde Gäste) Fragen und können 500 Euro gewinnen, wenn diese nicht in der Lage sind, die Frage korrekt zu lösen. Allerdings bekommen die Promis hier eine Hilfestellung mit an die Hand, die es ihnen deutlich erleichtert, auf des Rätsels Lösung zu kommen: Den Fragen werden nämlich drei Antwortmöglichkeiten hinzugefügt. Gelingt es dennoch nicht, die richtige Antwort zu finden, qualifiziert sich der Kandidat für das große Finale, wo er selbst Fragen beantworten muss und im besten Fall nochmal zusätzlich 5.000 Euro gewinnt.

Das kleine Problem dieses modifizierten Konzepts gegenüber den Primetime-Ausgaben: Die Improvisationsmöglichkeiten für das Panel sind deutlich reduziert. Während das Quintett drüben zunächst einmal vor dem Nichts steht und sich der richtigen Lösung mit allerlei gerne auch mal kruden Impulsen mühsam annähern muss, beschränken sich die Diskussionen hier auf die drei Vorgaben und die Überlegung, welche davon am wenigsten unwahrscheinlich ist. Das hemmt einerseits den Einfallsreichtum deutlich, ermöglicht aber auch Promis die Teilnahme an dieser Sendung, die nicht über die seltene Gabe verfügen, sowohl unterhaltsam zu improvisieren als auch konstruktiv auf die Fragen einzugehen. Neue, im «Genial daneben»-Universum bislang nicht beheimatete Gäste wie Reiner Calmund könnten also nun häufiger mal zu sehen sein.

Allerdings stellt sich die Frage, ob es bei der momentanen Ausrichtung überhaupt vier Promis bedarf, die sich auf die Fragen stürzen. Da der Ablauf relativ starr ist und acht Fragen plus Kandidatenvorstellung plus Auflösung plus Finale schon ein wenig Sendezeit fressen, muss Balder das Panel mehrfach ein wenig dazu drängen, bitte eine Antwort einzuloggen. Insbesondere wenn Hella euphorisch wird oder sich Boning mit ausschweifenden Theorien bemüht, bleibt für die Gäste kaum mehr Zeit, selbst etwas beizutragen - zumal in einigen Fällen auch noch der gruppeninterne Abstimmungsprozess bezüglich der ausgewählten Antwortmöglichkeit etwas Zeit frisst. Hier könnte eine Reduktion auf einen wechselnden Rategast mittelfristig sinnvoll sein.



Schematischer Ablauf engt Balder ein, doch Stammtrio macht dennoch Freude


Gäste der kommenden Folgen

  • 17.7.: Linda Zervakis, Mike Krüger
  • 18.7.: Torsten Sträter, Ruth Moschner
  • 19.7.: Simon Pearce, Michael Kessler
  • 20.7.: Kaya Yanar, Thomas Hermanns
Was neben der natürlichen Reduktion des Impro-Anteils durch das Fragensetting ebenfalls eher problematische Implikationen mit sich bringt: Balder ist hier ungewohnt stark von einem schematischen Ablauf in seiner natürlichen Wurschtigkeit eingeschränkt. Während das Original im Grunde nur daraus besteht, Fragen vorzulesen und in irgendeiner Weise auf das Panel zu reagieren, muss er hier die Kandidaten aus dem Publikum vorstellen, die Erklärungen so vortragen, dass sie parallel zu den charmanten, wenngleich sehr an «Wer weiß denn sowas?» Bildern der Erklärfilmchen laufen und am Ende wiederum neue Fragen vortragen, die nun ausschließlich an die Kandidaten gerichtet sind und einfach nur mit einem stillen Knopfdruck auf "A" oder "B" zu beantworten sind. Im Gegenzug greift er kaum in die Debatte des Panels ein - außer, sie dauert ihm zu lange.

Vor allem aber muss der Moderator darauf achten, dass die zur Verfügung stehende Sendezeit auch bloß genau so genutzt wird, dass genau acht Fragen plus Finalrunde gespielt werden. Heißt: Wenn sich eine besonders dynamische und gewitzte Diskussion innerhalb des Panels ergibt, darf er diese nicht einfach laufen lassen, sondern ist gezwungen, relativ zeitnah einzuschreiten und konkrete Ergebnisse einzufordern. Wer hin und wieder mal «Genial daneben» geschaut hat, dürfte ahnen, dass es dem Format tendenziell eher schadet, wenn man es in ein engeres Korsett zwängt - und bei einem Hugo Egon Balder verhält es sich da ähnlich.

Dennoch merkt man der Auftaktfolge, die konzeptionell doch arg an ein Potpourri bekannter Quiz- und Spielshow-Elemente erinnert und auch auf eine Assoziation zu den Drehstühlen des hauseigenen Casting-Hits «The Voice» nicht verzichtet, auch an, was diese Marke schon seit vielen Jahren erfolgreich trägt: Ihre Kern-Protagonisten. Man mag den Altherren-Humor Balders nervig finden, das laute Gekreische Hellas oder die wirren Theorien Bonings, doch dieses Stammtrio ist sicherlich nicht weniger unterhaltsam als jenes bestehend aus Kai Pflaume, Elton und Bernhard Hoecker, mit dem sich Das Erste in ungeahnte Quotenbereiche emporgeschossen hat. So eingespielt und doch ohne jeden Anflug von Zweifel daran, dass man auch in täglicher Ausstrahlung Bock darauf hat, seinem Publikum tolle Unterhaltung darzubieten, sind die Drei ein echter Meilenstein im Vergleich zu der televisionären Lustlosigkeit, die Sat.1 sonst nahezu täglich stundenlang versendet. Und ganz ehrlich: Hat «Wer weiß denn sowas?» ein herausragendes, neuartiges Konzept? Doch wohl auch eher weniger.

Wie hat euch der Auftakt von «Genial daneben - Das Quiz» gefallen?
Sehr gut, ich freue mich schon auf die weiteren Folgen.
28,4%
War in Ordnung, da kann man zumindest mal reinschauen.
39,0%
Ganz mies, das muss ich nicht noch einmal sehen.
10,3%
Habe es (noch) nicht gesehen.
22,3%


Fazit: Wer das Fernsehen liebt, sollte einschalten und Daumen drücken


Und so ist «Genial daneben - Das Quiz» vor allem auch als Zeichen von Sat.1 an sich selbst und seine Zuschauer zu verstehen: Nein, wir haben uns vor 20 Uhr noch nicht aufgegeben und sind bereit, auch mal etwas Herzblut zu zeigen und Geld in die Hand zu nehmen. Nein, wir glauben nicht, dass man die Menschen, die vor 20 Uhr fernsehen, auf ewig mit irgendwelchen gescripteten Geschichten und schlechten Laiendarstellern abspeisen kann. Und ja, wir haben verstanden, dass wir wie auch unsere privaten Kollegen nicht zuletzt deshalb seit Jahren an Boden gegenüber den Öffentlich-Rechtlichen verloren haben, weil wir viel zu lange viel zu wenig dafür gemacht haben, auch TV-Liebhaber an unser Programm zu binden - wir haben es spät verstanden und müssen nun der ARD und eigenen Erfolgen aus den 2000ern hinterherlaufen, aber wir wollen jetzt doch mal wieder.

Und alleine schon deshalb möchte man diesem Neustart wünschen, dass er für den Sender ein Erfolg wird, denn auch wenn er gegenüber dem Mutterformat ein wenig abfällt: Er bietet seinem Publikum dennoch positive Unterhaltung, lässt es eher klüger als dümmer aus der Sendung herausgehen und wartet mit einem Stammtrio auf, das alleine schon ein Einschaltargument darstellt. Das sind alles Dinge, die man der «Ruhrpottwache» ebenso wenig nachsagen kann wie «Auf Streife», dessen Ablegern sowie den weiteren Formaten mit nahezu identischem Inhalt bei divergentem Titel. Insofern: Wer ein Liebhaber des Show-Genres ist, gerne Menschen dabei zusieht, wie sie Spaß daran haben, anderen Menschen eine schöne Fernsehzeit zu bescheren oder einfach ein Faible für skurriles, nutzloses Wissen hat, sollte diesem Quiz eine Chance geben und hoffen, dass es sich aller kleinen Mängel zum Trotz bewährt.

Sat.1 zeigt «Genial daneben - Das Quiz» ab sofort immer montags bis freitags gegen 19 Uhr.

Kurz-URL: qmde.de/102356
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Es gibt 1 Kommentar zum Artikel
Familie Tschiep
17.07.2018 00:48 Uhr 1
Die Idee, dass die Kandidaten für ihr Publikum spielen, war bei der Pflaumeshow neu, das Quiz war altbackend.

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