Die glorreichen 6

Die glorreichen 6: Wunderbare deutsche Literaturverfilmungen (Teil I)

von

Deutsche Literatur, zum filmischen Leben erweckt: Zum Staffelauftakt präsentieren wir «Die Mitte der Welt».

Filmfacts «Die Mitte der Welt»

  • Regie und Drehbuch: Jakob M. Erwa; nach dem gleichnamigen Roman von Andreas Steinhöfel
  • Produktion: Boris Schönfelder
  • Darsteller: Louis Hofmann, Sabine Timoteo, Jannik Schümann, Ada Philine Stappenbeck, Inka Friedrich, Nina Proll, Svenja Jung, Sascha Alexander Geršak
  • Kamera: Ngo The Chau
  • Schnitt: Carlotta Kittel
  • Musik: Paul Gallister
  • Laufzeit: 115 Minuten
  • FSK: ab 12 Jahren
Schriftsteller Andreas Steinhöfel ist einer ganzen Kindergeneration bestens für seine «Rico, Oskar und ...»-Bücher bekannt, denen auch eine liebenswerte, aufgeweckte Filmreihe gewidmet wurde. Darüber hinaus hat er sich aber auch in vielen Herzen einen Platz mit «Die Mitte der Welt» gesichert, einem gefeierten Jugendroman aus dem Jahr 1998. Der preisgekrönte Bestseller erzählt von den 17-jährigen Zwillingen Phil und Dianne, die aufgrund ihrer unangepassten Mutter in ihrem konservativen Heimatdorf schräg angeguckt und beschimpft werden. Phils Homosexualität wird jedoch von seinem Umfeld respektiert – was ihm jedoch die erste große Liebe nicht erleichtert, da der grüblerische junge Mann nicht den Mumm aufbringt, auf seinen Schwarm zuzugehen.

Regisseur und Drehbuchautor Jakob M. Erwa («Homesick») nahm 2016 den gefeierten Roman, und konvertierte ihn behutsam von seinem Setting im Jahr 1998 in die Mitte der 2010er-Jahre. Damit ist die Filmversion von «Die Mitte der Welt» in den drei Jahren, die seit der Veröffentlichung vergangen sind, zur Zeitkapsel eines kurzen, mittlerweile gefühlt weit zurückliegenden Zeitabschnitts geworden: Die Konflikte mit der staubigen Dorfmentalität sind im Vergleich zum Roman zurückgefahren. Protagonist Phil träumt dennoch davon, in die USA zu reisen, das Land der unbegrenzten Möglichkeiten, wo er glaubt, sich entfalten zu können.

Zwar wohnt eine Melancholie inne, doch die Konflikte sind seltenst von Bigotterie oder begrenzter Weltsicht getrieben. «Die Mitte der Welt» markierte einen kurzen Zeitpunkt, als es glaubwürdig schien, dass die Probleme eines nachdenklichen, jungen Homosexuellen tatsächlich womöglich zu einem guten Teil selbstgemacht sind und abseits dessen aus mangelnder Kommunikation mit den Liebsten herrühren – und nicht etwa von äußeren Einflüssen angefacht werden.

Das gibt den Elementen des Weltschmerzes, die sich durch «Die Mitte der Welt» ziehen, rückblickend eine noch wehmütigere Note: Aufgrund Erwas poetisch vermittelter, dabei mit beiden Beinen in der Lebensrealität eines Jugendlichen verwurzelter Adaption der Romanhandlung und Louis Hofmanns sensiblem, filigranem Spiel, das in exakt den richtigen, emotionalen Momenten in intensivere Ebenen aufbricht, nimmt der Film mit. Phils Sorgen und Ärgernisse sind packend, werden nie zu schwer und dennoch vollauf ernst genommen – und dennoch blickt man im Jahr 2019 zurück und denkt sich: Ach, Phil. Wenn du nur wüsstest, wie viel schlimmer es für dich noch kommen kann …

«Die Mitte der Welt» ist auf DVD und Blu-ray erhältlich sowie unter anderem via Amazon, maxdome, iTunes, Google Play, Videobuster und Rakuten TV abrufbar.

Kurz-URL: qmde.de/111922
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