Die glorreichen 6

Die glorreichen 6: Sportfilme, die wir lieben (Teil V)

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Im fünften Teil unserer Sportfilm-Reihe widmen wir uns dem Filmsport schlechthin: Dem Boxen. Und da führt nichts an Martin Scorseses umwerfender Regiearbeit «Wie ein wilder Stier» vorbei!

Das Coronavirus hält die Welt weiter in Atem. Betroffen ist mittlerweile das komplette öffentliche Leben, darunter auch der Sport. Sportveranstaltungen gibt es in diesen Wochen nicht mehr - Sportfans setzen quasi auf dem Trockenen. Wer keine Highlights von früher aufgezeichnet hat, könnte aber auf's Fiktionale zurückgreifen. Quotenmeter.de präsentiert daher in diesen Tagen noch einmal die sechsteilige Staffel der "besten Sportfilme" unserer Kinoredaktion aus dem Jahr 2016 - heute: Teil 2.

Zahlen und Fakten über «Wie ein wilder Stier»

  • Erscheinungsjahr: 1980
  • Regie: Martin Scorsese
  • Drehbuch: Paul Schrader, Mardik Martin
  • Darsteller: Robert De Niro, Cathy Moriarty, Joe Pesci, Nicholas Colasanto, Theresa Saldana, Frank Vincent
  • Kamera: Michael Chapman
  • Schnitt: Thelma Schoonmaker
  • Laufzeit: 129 Minuten
  • FSK: ab 16 Jahren
  • Budget: 18 Millionen Dollar
  • US-Einspiel: 26,94 Millionen Dollar
  • 554.435 Kinobesucher in Deutschland
  • 8 Oscar Nominierungen (darunter Bester Film, Beste Regie, Beste Nebendarstellerin, Bester Nebendarsteller, Beste Kamera, Bester Ton), davon zwei Gewinne (Bester Hauptdarsteller und Bester Schnitt)
  • Rang 117 bei IMDb
Stand: 26. Juni 2016

Der Sport


Boxen. Die vielleicht filmtauglichste aller Sportarten. Anders als bei den Sportarten, bei denen die Spieler eine Maske tragen, sind die Gesichtsausdrücke der Figuren zu sehen. Anders als etwa beim Fußball spielt sich das sportlich relevante Geschehen in der oberen Körperhälfte statt, was es den Filmemachern gestattet, sowohl durch Mimik vorangetragene Charaktermomente einzufangen, als auch Dramatik durch den Verlauf des sportlichen Wettkampf zu erzeugen. Es ist ein rauer, schneller und brutaler, aber zugleich auf Taktik zählender Sport, und Schauspieler, die ihm gerecht werden wollen, müssen bis ans Äußere gehen. Die Liste guter Boxfilme übertrifft wohl problemlos die Liste gelungener Filme anderer Sportarten. Ob das inspirierende Wohlfühldrama «Rocky», Clint Eastwoods wendenreiche Geschichte «Million Dollar Baby» oder etwa die Rassismus und justizielle Ungerechtigkeit behandelnde Boxer-Biografie «Hurricane». Aber es gibt einen Boxfilm, der das Wesen diese Sports intensiver und eindrucksvoller einfängt als alle anderen: «Wie ein wilder Stier» …

Die Geschichte


Die Inspiration zu «Wie ein wilder Stier» ist der zu Beginn der 1920er geborene italo-amerikanische Boxer Jake LaMotta, der drei Jahre lang den Weltmeistertitel im Mittelgewicht in seinen Händen hielt und der, ähnlich wie Mike Tyson, in seinen Kämpfen primär auf Angriff setzte. Boxexperten bezeichnen ihn als den vielleicht größten Nehmer in der Geschichte des professionellen Boxsports, und wie der Filmtitel suggeriert, hielt er in seiner aktiven Zeit wenig von ungeschriebenen Gesetzen. Aber solch ein unkonventioneller Boxer ist wie dafür prädestiniert, nicht nur einen rasanten Aufstieg zu erleben, sondern auch einen steilen Absturz durchzumachen …


Die 6 glorreichen Aspekte von «Wie ein wilder Stier»


«Wie ein wilder Stier» auf sechs herausstechende Aspekte zu reduzieren, ist eine haarsträubend harsche Aufgabe. Nicht umsonst schneidet der Film in von Fachmagazinen und Kinoexperten gestalteten, filmhistorischen Retrospektiven regelmäßig großartig ab. Doch selbstredend muss Martin Scorseses Inszenierung gefeiert werden, die ohne jeden Pathos und frei von Romantisierung des Sports oder „Little Italy“ die brutalen, zerrüttenden Aspekte LaMottas Biografie einfängt. Und obwohl Scorsese darauf verzichtet, die Boxkämpfe als aufregende, energiereich-launige Actionszenen einzusetzen, so ist dieses niederschmetternde Drama noch immer extrem kurzweilig: Scorsese lässt nicht eine Szene länger laufen als nötig, bringt jede Sequenz genau auf den Punkt und sorgt so dafür, dass der Filminhalt dem Filmtitel gerecht wird.

Obwohl die Boxszenen kurz, knackig und wenig glorreich sind, so sind auch diese umwerfend: Jede von ihnen ist in einem eigenen, markanten visuellen Stil gehalten (was Jahrzehnte später Ryan Coogler in «Creed – Rocky’s Legacy» auf den Sport zelebrierende Weise wiederholen sollte), wodurch nie die Gefahr der Monotonie gegeben ist. Gemein haben die Szenen nur ihre intensive Brutalität und das ebenso intensive Spiel Robert De Niros. Es dürfte die stärkste Performance in seiner Karriere sein – und das nicht nur aufgrund seiner Hingabe, sich von LaMotta zum Boxer ausbilden zu lassen und für die Szenen, in denen er den gealterten Sportler spielt, rund 30 Kilo zuzunehmen. De Niro, der hierfür zurecht den Oscar gewonnen hat, verwandelt sich auch mimisch und gestisch in eine ständig unzufriedene, getriebene Figur, die unentwegt kurz davor steht, zu explodieren.

Darüber hinaus wäre «Wie ein wilder Stier» wohl niemals derart in die Filmgeschichte eingegangen, wäre da nicht Thelma Schoonmakers minutiöser Schnitt. Der Legende nach widmete Scorsese, dessen Filme generell großartig geschnitten sind, der Schnittarbeit in diesem Drama noch mehr Augenmerk, weil er fürchtete, es könnte sein letzter Film sein – und daher solle er wenigstens ohne auch nur das geringste Fitzelchen überflüssiges Fett anlaufen. Aber auch akustisch ist «Wie ein wilder Stier» der Platzhirsch im Boxfilm-Genre: Jeder Hieb, jeder Schlag ist so schneidend abgemischt, dass er mir als Zuschauer bis ins Mark geht – und sie alle klingen originär, nie kommen die abgenutzten Standard-Schlag-Soundeffekte zum Einsatz. Ebenso sorgt die Schwarz-Weiß-Fotografie nicht nur für eine kühle, arge Stimmung, darüber hinaus vollführt Kameramann Michael Chapman diverse atemberaubende Choreografien, die den Zuschauer direkt in den Ring versetzen und außerhalb der Boxsequenzen direkt an De Niros harschem Spiel teilhaben lassen. Kurzum: Ein Film wie ein wohl platzierter, gekonnter Fausthieb!

«Wie ein wilder Stier» ist auf DVD und Blu-ray erhältlich sowie bei iTunes und Sky Go abrufbar.

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