Hingeschaut

«First Dates»: You can feel the love tonight!

von

Simples Konzept, stark und authentisch umgesetzt: Ja, die neue Datingshow mit Roland Trettl entspricht dem VOX-Image in vielen Belangen und bereichert dessen Daytime-Aufgebot auf Anhieb. Gut möglich aber, dass der Sender erstmal einen langen Atem beweisen muss.

Unser größter Erfolg bei diesem Projekt ist, wenn Gäste alleine ins Restaurant kommen und gemeinsam gehen. Und um diesen Erfolg zu haben, muss schon lange vor dem Date von den Redakteuren wahnsinnig viel Arbeit geleistet werden. Sie erfragen zum Beispiel die Vorlieben der Gäste oder die absoluten No-Gos, um dann den hoffentlich richtigen Menschen für den anderen zu finden. Darum beginnt für das Team die große Arbeit nicht erst im Restaurant, sondern schon weit im Voraus.
Roland Trettl über die Arbeit, die im Vorfeld der Sendung geleistet wird.
Hat das deutsche Fernsehen seinen Tiefpunkt überwunden oder rast es geradewegs sehenden Auges auf den Eisberg zu? Insbesondere in der Daytime ist diese Frage gar nicht mal so leicht zu beantworten, denn auf der einen Seite stammen die großen Erfolgsmeldungen der jüngeren Vergangenheit von «Bares für Rares», dem ARD-Quizvorabend sowie der VOX-Daytime, die allesamt einen weiten Bogen um die gescripteten Missetaten machen, die vor allem in der ersten Hälfte dieses Jahrzehnts ebenso verblüffende wie intellektuell erschreckende Erfolge gefeiert hatten. Andererseits scheinen sich vor allem die Sender der ProSiebenSat.1-Gruppe tagsüber aber komplett von jeglicher Aktivität verabschiedet zu haben, die über Endlosschleifen-Dauerrotation hinausgeht, was wiederum eher für die Eisberg-Kollision spricht - oder für die inhaltliche Selbstaufgabe einer Sendergruppe.

Bei VOX aber ist man in der erfreulichen Situation, weder kaum mit Herz und Hirn genießbaren Analogkäse nur der Quote und Wirtschaftlichkeit wegen als köstlichen Parmesan verkaufen zu müssen noch ein und dasselbe Format in Doppel-, Dreifach- oder Vierfach-Ausstrahlungen zu zeigen - und auch die Quoten der Daytime-Schiene stimmen. Bis 18 Uhr so richtig, danach bislang eher so mittel. Deshalb versucht man sich ab dieser Woche mit einem Neustart namens «First Dates - Ein Tisch für 2», der wiederum für stets ganz okay, aber nie wirklich stark performende Tierklinik-Geschichten auf Sendung geht und künftig ein stimmigeres Bindeglied zwischen Hochzeitsgeschichten und dem ewigen «Perfekten Dinner» darstellen soll. Das kann bei einer Sendung aufgehen, die in einem Restaurant spielt und Singles unter die Haube bringen soll, kann aber auch seine Eingewöhnungszeit brauchen. Wie gut für einen sein Publikum ernstnehmenden Privatsender, dass er sich zumindest inhaltlich nur wenig vorwerfen lassen muss.

Die Magie des Simplen und Wahrhaftigen


Das Konzept der neuen Sendung ist denkbar simpel: TV-Koch Roland Trettl lädt Singles zu einem besonderen Dinner ein, das ihnen die Möglichkeit eröffnen soll, einen möglichen Partner fürs Leben (oder zumindest einen größeren Abschnitt dessen) kennenzulernen. Anhand der Vorlieben und Abneigungen ihrer Teilnehmer setzt dabei die Redaktion die jeweiligen Paarungen zusammen und filmt die potenziellen künftigen Paare ansonsten weitgehend nur beim gegenseitigen Beschnuppern am Tresen bzw. Essenstisch. Am Ende des Dates müssen beide Partner ein kurzes Statement bezüglich ihrer Empfindungen abgeben, hin und wieder werden auch Bluebox-Kommentare oder Einschätzungen Trettls und der Kellner eingestreut, doch davon abgesehen sieht man in erster Linie dem Treiben an den jeweiligen Tischen zu.

Und das ist gleich bei der Auftaktfolge abwechselnd freiwillig und unfreiwillig komisch, latent beklemmend oder manchmal auch einfach nur rührend, wenn es so scheint, als bahne sich da wirklich der Anfang einer großen Beziehung fürs Leben an. Gewissermaßen werden hier also schon Best- und Worst-Case-Szenarien eines typischen Dates gezeigt, ohne aber den Eindruck zu vermitteln, dass hierbei redaktionell allzu arg nachgeholfen wurde. Dafür wirkt die eisige Mimik der jungen Erzieherin ebenso zu authentisch wie auch die gemeinsame Freude zweier älterer Herrschaften über die sofort sehr ungezwungen aufkommende Harmonie untereinander - und die Ungewissheit des älteren Herren, ob er die Signale seiner neuen Angebeteten auch richtig gedeutet hat. Wer ein wenig interessiert am menschlichen Verhalten ist oder sich schon immer mal gefragt hat, wie eigentlich erste Dates so bei anderen Personen ablaufen, wird an dieser netten kleinen Sozialstudie sicherlich seine Freude haben.

Mit gleich vier Paaren pro netto etwa 45 Minuten umfassender Folge läuft VOX auch gewiss nicht Gefahr, allzu oft allzu schleppend verlaufende Szenen zeigen zu müssen, schließlich kann man die Auswahl der pro Folge gezeigten Paare so zusammenstellen, dass ein recht ausgeglichenes Verhältnis zwischen gelungenen und missratenen Dates herrscht, ganz ohne nervige Fakerei oder Pseudo-Promis - was man beim Sender übrigens auch als aufkeimenden Trend erkannt zu haben glaubt. Möge man da doch bitte Recht behalten. Eine nicht ganz leichte Gratwanderung muss man bei gleich so vielen abgeschlossenen Dates pro Folge aber schon eingehen, die in der Auftaktfolge zumindest bei einem Paar nicht so recht funktionieren möchte: Wie genau nach einem eisigen Auftakt das Treffen zwischen einem Model und einem Ringer hintenraus doch noch zu einem echten Erfolg wird, zeigt man nur recht oberflächlich und nicht in Gänze nachvollziehbar.

Fazit: Könnte was brauchen, ist aber gut


Davon einmal abgesehen gelingt der Startschuss zum großen Projekt, das Genre Datingshow auch in ernstzunehmender Form in der Daytime zu servieren, in vorzüglicher Form. Die Sendung macht Spaß, lässt den Zuschauer emotional mitgehen und ist dabei kurzweilig genug, dass man am Ende der Folge eigentlich gleich weiterschauen möchte - ein gutes Zeichen für ein Vorabend-Format, was in erster Linie auch deshalb als besonderes Lob an die Produzenten von Warner Bros. zu verstehen ist, weil «First Dates» im Original in Großbritannien gar nicht vorabends zu sehen ist, sondern dort einzig in Spanien ausgestrahlt wird - übrigens zusammen mit der spanischen Version des «Perfekten Dinners». Zufälle gibts.

Und dennoch ist der Etablierungsversuch dieses Formats gewiss kein Selbstläufer, immerhin ist das deutsche Publikum ebenso Dating-unerfahren in der Daytime wie auch der typische VOX-Konsument, der zuvor mit «Hautnah» eben auch ein gänzlich anders ausgerichtetes Format auf diesem Slot gesehen hat. Da wird man wohl einen etwas längeren Atem brauchen, um die Sehgewohnheiten anzupassen - und mit einer Bestellung von gleich einmal 90 Folgen zeigen die Programmverantwortlichen sehr deutlich, dass sie diesen eventuell auch etwas steinigeren Weg zu gehen bereit sind. Am Ende des Pfades wartet dann zwar nicht die große Liebe, aber vielleicht ja wieder ein großer Erfolg mit einer guten Sendung, die darüber hinaus auch noch einen Daytime-Trend setzen könnte.

VOX zeigt von nun an immer montags bis freitags um 18 Uhr neue Folgen von «First Dates».

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