Die Kino-Kritiker

«Justice League»: Aufeinandertreffen der schwachen Digitaltricks

von   |  1 Kommentar

Der Regisseur wurde vor Drehende ausgetauscht, das Skript bei Nachdrehs umgearbeitet und die Postproduktion im Eiltempo bewerkstelligt – können DCs Superhelden diese Herausforderung meistern?

Filmfacts: «Justice League»

  • Regie: Zack Snyder (und Joss Whedon)
  • Produktion: Charles Roven, Deborah Snyder, Jon Berg, Geoff Johns
  • Drehbuch: Chris Terrio, Joss Whedon
  • Story: Chris Terrio, Zack Snyder
  • Darsteller: Ben Affleck, Henry Cavill, Amy Adams, Gal Gadot, Ezra Miller, Jason Momoa, Ray Fisher, Jeremy Irons, Diane Lane, Connie Nielsen, J. K. Simmons, Ciarán Hinds
  • Musik: Danny Elfman
  • Kamera: Fabian Wagner
  • Schnitt: David Brenner, Richard Pearson, Martin Walsh
  • Laufzeit: 120 Minuten
  • FSK: ab 12 Jahren
Es gibt Filme, die verdienen einen riesigen Ziegelstein von einem Making-of-Buch. Und eine ausführliche, hinter die Kulissen blickende Begleitdokumentation. «Justice League» ist solch ein Film. In einer für das moderne Hollywood erschütternd ungewöhnlichen Aktion (die Lucasfilm kurz darauf bei «Solo - A Star Wars Story» nachgeahmt hat) wurde Regisseur Zack Snyder nach einem Gros der Dreharbeiten geschasst. An seiner Stelle übernahm Joss Whedon das Zepter, um ausführliche Nachdrehs zu leiten.

Die Berichte widersprechen sich - ging Snyder freiwillig, um eine Familientragödie zu betrauern? Wurde er gegangen, und seine Familientragödie als Ausrede genutzt? Wie viel des neu gedrehten Materials wurde von Whedon erdacht und wie viel von Snyder?

Diese und ähnliche Fragen ließen sich noch lange, lange fortführen. Aber das ist zweitrangig. «Ratatouille» hatte eine turbulente Produktion und wurde ein Geniestreich. Bei «Merida- Legende der Highlands» ging es auf und ab, und der fertige Film wirkt wohl auch daher unrund. Der «Fantastic Four»-Film aus dem Jahr 2015 ist eine Chaosproduktion und sieht auch so aus. Aus Trubel kann alles entstehen - was also ist bei «Justice League» herausgekommen?

Tonales Chaos? Fehlanzeige …


Die wohl entscheidendste Feststellung zuerst: «Justice League» gelangt nicht mit gespaltener Identität ins Kino, sondern wirkt tonal ziemlich kohärent.
Ja, der Film ist längst nicht so grimmig und hoffnungslos eingestellt wie Zack Snyders «Man of Steel» und «Batman v Superman: Dawn of Justice», doch es ist nicht so, als hätte Warner einen Film genommen, der aus demselben Stoff gemacht ist, brutal Löcher reingeschnitten und diese mit Joss Whedon im Clownmodus gestopft.

Der etwas leichtgängigere Tonfall wurde von Zack Snyder bereits früh während der Produktion vorgegeben, wie Szenen aus den ersten Teasern und Trailern zeigen, die vor dem Regiewechsel veröffentlicht wurden. «Justice League» ist von Grund auf atmosphärisch irgendwo zwischen «Suicide Squad» und «Avengers – Age of Ultron» anzuordnen, ohne dass eklatante, nach drastischen Neudrehs riechende Stimmungssprünge vorkommen. Nur macht dieser kleine Erfolg allein, dass dem Film die Nachdrehs nicht andauernd anzumerken sind, noch lange keinen filmischen Glückstreffer…

Ein Aufeinandertreffen der großen Helden und schäbigen CG-Tricks


Einige Zeit nach Supermans (Henry Cavill) Tod tauchen seltsame, sich von Angst nährende Wesen auf der Erde auf – wie sich herausstellt, sind es Parademons. Bei ihnen handelt es sich um die Armee des mächtigen und schurkischen Steppenwolf. Dieser hat es sich zum Ziel gemacht, drei Artefakte namens Motherboxes zu finden, zusammenzuführen und so die Erde, wie wir sie kennen, zu zerstören. Batman alias Bruce Wayne (Ben Affleck), aufgrund von Supermans Tod von Schuldgefühlen zerfressen, will unbedingt ein Team zusammenstellen, das dieser Bedrohung den Kampf ansagt.

Wonder Woman (Gal Gadot), die jahrzehntelang den Heldinnenjob an den Nagel gehängt hat, nun aber immer wieder spontan kleine Heldentaten vollbringt, hat er bereits eingespannt. Nun gilt es, den flinken, in Heldendingen unerfahrenen Studenten Barry Allen alias The Flash (Ezra Miller) sowie Arthur Curry alias Aquaman (Jason Momoa) von diesem Unterfangen zu überzeugen und Victor Stone alias Cyborg (Ray Fisher) ausfindig zu machen, damit das Heldenteam eine realistische Chance gegen Steppenwolf hat …

Ein solches Superheldenspektakel verlässt sich, wenig überraschend, intensiv auf digitale Effekte – doch die Computertricks, hier auf das Publikum losgelassen werden, sind von herausragend mieser Kajüte. Man stelle sich die Norwegen-Sequenz in «Thor – Tag der Entscheidung» vor, und wiederhole sie vor seinem geistigen Auge zahlreiche Male, um einen kleinen Vorgeschmack für die kein Stück weit überzeugenden Chromakey-Passagen von «Justice League» zu haben. Steppenwolf und seine Armee wirken indes wie aus einem Videospieltrailer der frühen Playstation-3-Epoche entflohen, und in den Kampfsequenzen flirren wahllos über das Bild gelegte Blitze, Laser sowie Funken von A nach B.

In Kombination mit einigen Einstellungen, in denen Henry Cavill behelfsmäßig eine digitale Rasur verpasst bekam und daher partiell künstlich aussieht, kommt eine Gesamtästhetik zustande, die einer fast 300 Millionen Dollar teuren Comicverfilmung aus Hollywood eigentlich die Schamesröte ins Gesicht treiben sollte. Bei diesem schwerelosen Computertrickgewitter fallen die Actionsequenzen weitestgehend schal aus – wobei auch das Drehbuch und die Regieführung deutlich dazu beitragen, dass «Justice League» selbst als fertiger Film mitunter nur wie ein seelenloser Trailer anmutet:

Anders als etwa in den «Avengers»-Filmen kristallisiert sich in «Justice League», wenn überhaupt, nur spärlich eine Team-Kampfdynamik heraus. Whedon und Snyder lassen ihre Heldentruppe unermüdlich auf ihre Widersacher eindreschen, bis sie halt bezwungen sind. Ob es nun Schlag vier oder Schlag dreihundertfünfzehn ist, der den Sieg bringt, ist gleichgültig – und während Joss Whedon im ersten «Avengers» noch alle Zweifel zu zerstreuen wusste, dass Pfeil-und-Bogen-Experte Hawkeye mit Göttern und Supersoldaten mithalten kann, findet er in «Justice League» dagegen nicht einmal eine nennenswerte Verwendung für den viel mächtigeren Aquaman.

Untermalt wird das Geschehen von austauschbaren Kompositionen des vierfach für den Oscar nominierten Danny Elfman – zählte Hans Zimmers energische, losgelöste Musik zu den Glanzpunkten von «Batman v Superman: Dawn of Justice», geht der «Justice League»-Score sogar trotz mancher, kleiner Referenzen an frühere DC-Filmen völlig unter. Womöglich hat sich Elfman von der Wischiwaschi-Figurenzeichnung leiten lassen: Der Wandel vom sich zankenden zum zusammenhaltenden Team ist sprunghaft skizziert, Cyborg wird vom grantig-gequälten Mensch-Maschine-Mischwesen abrupt zum freundlichen Helfer und die dezent flirtende Beziehung zwischen Batman und Wonder Woman lässt die nötigen, sprühenden Funken missen. Die Gags rund um Flashs Verpeiltsein wiederum zünden zumeist nur, wenn sie beiläufig in eine Szene eingearbeitet werden – stehen sie im Vordergrund des Geschehens, sind sie oft viel zu forciert, selbst wenn Millers hibbelig-neurotische Performance Lust auf mehr von diesem Flash macht.

Das 'S' steht für 'Hoffnung'


Und doch gibt es jemanden, der «Justice League» als klarer Gewinner verlässt: Henry Cavill alias Superman. Er spielt in diesem Crossover zwar eine deutlich kleinere Rolle als noch in «Batman v Superman: Dawn of Justice», trotzdem gibt er eine, im Rahmen der ihm durchs Skript gegebenen Möglichkeiten, nuancierte Performance ab. Cavills Superman entwickelt sich, auch dank Cavills Zusammenspiel mit der einmal mehr wunderbaren Amy Adams, zur Seele des DC-Filmuniversums. Konsequenterweise schafft es Cavill, trotz aller Eile, mit der Supermans Subplot abgehakt wird, seinen Fortlauf plausibel zu gestalten.

Umso mehr bleibt zu hoffen, dass Warner und DC Films einen Weg finden, ein «Man of Steel»-Sequel zu verwirklichen, das noch detaillierter auf Supermans Versuch blickt, seinen Platz auf der Idealismusskala zu finden, und das weder von der Batman/Superman-Rivalität dominiert wird, noch von maßlosen CG-Kloppereien. Denn Cavill ringt Superman eine so facettenreiche Persönlichkeit ab, wie man es von dieser Figur in der Welt des Kinos sonst nicht gewohnt ist – es wäre eine Schande, dieses schauspielerische und dramatische Potential zu vergeuden.

Fazit: Ein dünnes Skript, ein Gewitter aus altbackenen Digitaltricks und eine Handvoll an Gags: Vielleicht läuft es ja nächstes Mal besser, liebe «Justice League»?

«Justice League» ist ab dem 16. November 2017 in vielen deutschen Kinos zu sehen – in 2D und 3D.

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Es gibt 1 Kommentar zum Artikel
Kingsdale
15.11.2017 12:04 Uhr 1
Jetzt mal Ehrlich: Was hat man denn Erwartet? Eine oscarreife Story mit viel herzschmerz und Schischie. Darsteller die vor Emotionen triefen? Das DC weit hinter Marvel steht ist auch klar, da sie einfach zu schnell zuviel wollten. Die Dark Knight Trilogie hätte man so gut mit Nightwing weiterführen können, genug Potential war da. Wobei jeder gemerkt hat das BvS natürlich eine Fortsetzung war. Aber die richtigen Zusammenschlüsse wie bei Marvel bekommt DC nicht hin! Dennoch sind es nun mal reine Spektakel mit Hirn ausschalten und genießen. Nicht mehr, nicht weniger. Wer damit überhaupt nichts anfangen kann, geht eben nicht ins Kino. Fest steht, auch JL wird sein Publikum finden.
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