Die Kino-Kritiker

«Brick»: Schweighöfer mauert sich ein – und stolpert über die Logik

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Matthias Schweighöfer und Ruby O. Fee stecken in Netflix’ Thriller «Brick» fest. Spannung gibt es – doch die Story bröckelt. Überdrehte Figuren und fragwürdige Drehbuchfehler lassen den Film schnell ins Wanken geraten.

Ein gewöhnlicher Sonntag in einem Haushalt mit Netflix-Abo. Der Algorithmus empfiehlt den neuen Matthias-Schweighöfer-Film «Brick». Der Schauspieler, der einst in «Friendship!» überzeugte, in «Keinohrhasen» ein passabler Sidekick war und spätestens in «Schlussmacher» übers Ziel hinausschoss, lebt bis heute stark von seiner herzlichen Ausstrahlung. Seine Auftritte mit Joachim Winterscheidt waren sympathisch, in Spielfilmen wie «Oppenheimer» stach der Mitgründer von Pantaleon Films allerdings nur im negativen Sinne heraus. Schweighöfer gehört dennoch fest zum deutschen Kino – und kann punktuell überzeugen, wenngleich er häufig wohl einfach sich selbst spielt.

Für «Brick» arbeitete Schweighöfer mit seiner Partnerin Ruby O. Fee zusammen. Philip Koch schrieb und inszenierte das Projekt, produziert wurde es von Quirin Berg und Max Wiedemann. Tim (Schweighöfer) und Olivia (Fee) sind nach einem Schicksalsschlag noch zusammen – obwohl die Beziehung längst Therapiestunden nötig hätte. Schon die ersten Minuten deuten die Probleme an: Tim will sein Computerspiel veröffentlichen, Olivia lieber noch in der Nacht nach Paris reisen. Der Kompromiss lautet: Pizza im neuen VW-Bus. Hier zeigt sich bereits, wie eindimensional die Figuren angelegt sind. Verständlich, dass die Handlung vorankommen muss – aber ein mehrjähriges Projekt einfach zu verwerfen, wirkt reichlich konstruiert.

Auf dem Weg zum VW-Bus entdecken beide einen Brand am Hamburger Hafen, der später mit der Handlung verknüpft wird. Zudem treffen sie auf Vermieter Friedman (Alexander Beyer), der bald tot aufgefunden wird. Am nächsten Morgen will Olivia ihre Sachen packen und die Beziehung beenden – doch die Wohnung ist plötzlich von einer mysteriösen Masse versiegelt. Türen und Fenster sind blockiert. Selbst mit Bohrhammer oder Vorschlaghammer – wer hat so etwas nicht griffbereit? – gibt es kein Entkommen.

Durch ein Loch in der Wand nehmen sie Kontakt mit den Nachbarn Ana (Salber Lee Williams) und Marvin (überraschend stark: Frederick Lau) auf. Gemeinsam planen sie die Flucht. Olivia, praktischerweise Architektin, zeichnet das Haus auf und deutet einen möglichen Ausgang über den Keller an. Schon an diesem Punkt hinterfragt man das Konstrukt: Warum schließt die mysteriöse Mauer das Treppenhaus ein, nicht aber die Zwischenwände? Wie soll diese Versiegelung überhaupt ins Gebäude gelangt sein?

Im Laufe des Films begegnet die Gruppe weiteren Figuren: Rentner Oswalt (Axel Werner), der selbstverständlich eine Schusswaffe im Schrank hat; seine Enkelin Lea (Sira-Anna Faal); und der paranoide Yuri (Murathan Muslu), der glaubt, die Welt draußen sei längst dem Untergang geweiht. Nach und nach geraten sie in immer absurdere Situationen, finden Überwachungskameras des Vermieters, geheime Räume und verstümmelte Leichen.

Das Hauptproblem: Fast alle Figuren sind überzeichnet. Marvin, der schrille Nachbar. Oswalt, das Waffen-Klischee. Friedman, der Überwachungsfanatiker. Und Yuri, der wie eine Karikatur eines Weltuntergangsverschwörers wirkt. So entsteht kein echtes Drama, sondern eine Ansammlung von Typen. Schweighöfer selbst spielt solide, bleibt aber in seiner bekannten Routine. Ruby O. Fee bekommt Momente der Stärke, wird aber oft zur Getriebenen degradiert. Frederick Lau hingegen nutzt seine Szenen für eine eindringliche Performance, die Lust auf mehr gemacht hätte. Inszenatorisch setzt Philip Koch auf klaustrophobische Enge, enge Räume, flackernde Beleuchtung. Das funktioniert eine Weile, kippt aber bald ins Überdrehte. Statt subtiler Spannung gibt es groteske Wendungen und eine Auflösung, die wenig Sinn ergibt.



Am Ende bleibt ein zwiespältiger Eindruck: «Brick» ist kein Totalausfall, die zahlreichen Pressestimmen aus dem Feuilleton haben sehr stark übertrieben. Aber «Brick» ist auch weit von einem starken Thriller entfernt – das ist kein Spielfilm, der auf Empfehlungslisten kommt. Netflix liefert hier solide 100 Minuten Unterhaltung, die man an einem Sonntagabend wegschaut – und schnell wieder vergisst. Der Mix aus deutscher Prominenz, den beliebten Streamingdienst Netflix und guter Social-Media-Vermarktung hat dazu geführt, dass der Koch-Film eine weltweise Aufmerksamkeit genossen hat. Der Thriller hätte genauso aus dem Portfolio eines deutschen Privatsenders stammen können.

«Brick» kann bei Netflix gestreamt werden.

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