Die Kritiker

«Die Gustloff»

von
Story
Im Januar 1945 beginnt die Rote Armee mit ihrer Winteroffensive gegen das Deutsche Reich: Mit etwa zwanzigfacher Überlegenheit überrennt das Heer die deutschen Linien der Ostfront. Binnen Tagen sind 2,50 Millionen Ostpreußen in einem riesigen Kessel eingeschlossen. Im kältesten Winter seit Jahrzehnten fliehen Massen von Menschen Richtung Ostsee, weil sie hoffen, dort von einem Schiff in Sicherheit gebracht zu werden.

In Gotenhafen – heute Gdynia – an der Danziger Bucht sammeln sich Zehntausende, denen nichts mehr geblieben ist, als das nackte Leben. Das größte und auffälligste Schiff, das dort im Tarnanstrich als Wohnschiff für Soldaten und eine U-Boot-Lehrdivision vor Anker liegt, ist die „Wilhelm Gustloff“. 1936 als Vergnügungsdampfer und Prestigeobjekt der „Kraft durch Freude“-Flotte für etwa 1500 Passagiere konzipiert und bis 1938 gebaut, sollte es nun mehr als 10.000 Menschen, von denen rund 8000 Frauen, Kinder und alte Menschen waren, in Sicherheit bringen.

Doch es kam anders: Die „Wilhelm Gustloff“ wurde am 30. Januar 1945, dem selben Tag, an dem sie Gotenhafen verließ, dem Geburtstag des namensgebenden Wilhelm Gustloff und dem Jahrestag von Hitlers Machtergreifung, von einem sowjetischen U-Boot beschossen und versenkt. An diesem Tag starben mehr als 9.000 Menschen – mehr als sechsmal so viele Menschen wie beim Untergang der „Titanic“. Bis heute ranken sich Gerüchte über Sabotage oder ein bewusst gesetztes Fanal gegen Hitler-Deutschland um den Untergang der „Wilhelm Gustloff“, der als das größte Unglück der Geschichte der Seefahrt gilt.

Darsteller
Kai Wiesinger («Die Anwälte») ist Hellmut Kehding
Valerie Niehaus («Rohtenburg») ist Erika Galteschky
Heiner Lauterbach («Das Papst Attentat») ist Harald Kehding
Dana Vávrová ist Lilli Simoneit
Willi Gerk («Der Landarzt») ist Kalli Simoneit
Detlev Buck («Sonnenallee») ist Hagen Koch
Ulrike Kriener ist Berta Burkat
Michael Mendl («Die Hochzeit meines Vaters») ist Kapitän Johannsen

Kritik
Die Geschichte beginnt bereits wenige Tage vor der Katastrophe und ist aus der Perspektive des jungen zivilen Fahrkapitäns Hellmut Kehding erzählt, der das Schiff und die Flüchtlinge sicher nach Kiel bringen soll. In Gotenhafen trifft er seine große Liebe Erika Galetschky wieder, die als Marinehelferin verwundete Frontsoldaten und Flüchtlinge versorgt. Spätestens hier wird klar: Auch die Verfilmung des Untergangs der „Gustloff“ steht ganz in der Tradition bisheriger Geschichtsfilme wie «Die Luftbrücke» oder «Dresden». Auch wenn hier einmal nicht die ansonsten auf Filme dieser Art spezialisierte Produktionsfirma „teamWorx“ am Werk war, wurde nicht auf dieses zentrale Element verzichtet.

Sicherlich: Das Publikum braucht Bezugspersonen, um sich wenigstens halbwegs in die Situation hineinversetzen zu können, doch im Falle von «Die Gustloff» haben es die Macher in puncto Liebe ein wenig übertrieben. Romantik-Fans kommen trotz aller Schrecklichkeit auf ihre Kosten, allerdings müssen sich die Verantwortlichen die Frage gefallen lassen, ob es letztlich nicht doch ein wenig zu viel des Guten war. Große Gefühle, Trennungsschmerz, Angst vor Verlust – all das ist in großem Ausmaß vorhanden. Selbst vor einer Geburt im Rettungsschiff auf hoher See wurde nicht verzichtet. Das haben nicht mal die Autoren von «Titanic» vollbracht.

Ob zu viel oder gerade richtig – letztlich ist das natürlich eine Frage des persönlichen Geschmacks. Ob man mit dem recht zähen Beginn der Geschichte, die erst nach einer guten halben Stunde des ersten Teils so richtig Fahrt aufnimmt, die Zuschauer bei der Stange halten kann, bleibt abzuwarten, schließlich sind die Erwartungen an den Film hoch. Gerade hier wird besonders deutlich, dass weniger manchmal eben doch mehr ist. Heißt: War es wirklich nötig, den Untergang der „Gustloff“ auf 180 Minuten Spielzeit auszudehnen? Gute zwei Stunden hätten es sicherlich auch getan.

Das wird besonders deutlich, wenn man sich den deutlich gelungeneren zweiten Teil ansieht, der mit der Abfahrt des Schiffes beginnt. Wer nur die kurze Zusammenfassung des ersten Teils sieht, wird feststellen, nicht wirklich viel verpasst zu haben. Was dann folgt, kann sich allerdings wirklich sehen lassen. Regisseur Joseph Vilsmaier, der sich unter anderem vor elf Jahren für «Comedian Harmonists» verantwortlich zeichnete, ist es gelungen, den Krieg in all seinen grausamen und absurden Facetten zu zeigen. Die Inszenierung des Untergangs zeugt von großem technischen Aufwand und transportiert die schreckliche Situation so in die Wohnzimmer, dass man beinahe das Gefühl hat, selbst dabei zu sein.

Gegenüber großen Hollywood-Produktionen muss sich das deutsche Werk daher an dieser Stelle nicht verstecken. Auch die schauspielerischen Leistungen sind positiv hervorzuheben – allen voran Kai Wiesinger und vor allem Michael Mendl, der in der Rolle des Kapitäns Johannsen zu jeder Zeit absolut authentisch wirkt. Einige langatmige Szenen und etwas hölzern wirkende Dialoge mit Liebesschwüren und Gefühlsausbrüchen bringen dann aber eben doch einige Minuspunkte. Wer das jedoch in Kauf nimmt, bekommt einen ansonsten guten Film serviert. Auch oder besonders wenn man erst bei Teil zwei hinzustößt.

Das ZDF zeigt «Die Gusloff» als Zweiteiler am Sonntag, den 02., und Montag, den 03. März 2008, jeweils um 20:15 Uhr.

Kurz-URL: qmde.de/25694
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