Interview

Peter Rütten: 'Ein filmgewordener Rüpel, der Leute rumschubst, braucht meinen Schutz nicht'

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Anlässlich der 100. «SchleFaZ»-Folge spricht Peter Rütten mit uns über arrogante Trashfilm-Regisseure und mangelndes Reflexionsvermögen im Internet. Außerdem verrät er, wieso Uwe Boll noch nie geschlefazt wurde.

Ich habe schon seit geraumer Zeit die ganzen Trashpokal-Träger auf dem Zettel, diese Filme, die sich wirklich einen Namen gemacht haben.
Peter Rütten
Im Interview mit Oliver Kalkofe haben wir unter anderem über Filme gesprochen, die eigentlich "zu gut für «SchleFaZ»" sind. Als ich «Toxic Avenger» aka «Atomic Hero» nannte, meinte er, das wäre Ihr Film, ich soll sie mal darauf ansprechen …
«Toxic Avenger» … (lacht) Ja, ich habe schon seit geraumer Zeit die ganzen Trashpokal-Träger auf dem Zettel, diese Filme, die sich wirklich einen Namen gemacht haben. Bei dem war ich mir aber nicht im Klaren, wie sehr der abgefeiert wird – den haben seine Fans ja bis hin zum Erhalt eines Erfolgsmusicals zelebriert. Und mir war nicht klar, wie humorlos der ist. US-Nazi-Teenager, die ein Punktesystem für das Überfahren von Passanten haben und Bonuspunkte verteilen, wenn du rückwärts nochmal über das angefahrene Kind drüber bretterst ..? Ich wurde da ehrlich wütend. (schmunzelt) Und ich hatte keine Ahnung, wie viele Troma-Romantiker es gibt, die den ganz anders wahrnehmen. Für mich ist der ein Zitatebrei mit ein bisschen Frankenstein, ein bisschen «Clockwork Orange», bisschen hier, bisschen da. Ich dachte auch zuerst, dass der ehrlich Spaß macht, stattdessen bestach der, wenn überhaupt, mit dieser seltsamen Atmosphäre.

Finde ich völlig nachvollziehbar – ich teile diese Sicht nur überhaupt nicht. (schmunzelt) Vor allem in puncto "humorlos". Ich habe bei dem Film sehr wohl das Gefühl, dass die Leute wussten, was sie da machen, und eine sehr fiese, ironische, brutale Komödie anvisiert haben.
Ja, das ist Ansichtssache. Ich bin aber auch schnell auf Kriegsfuß mit solchen Filmen, die mit Anlauf und vollem Ernst, beziehungsweise mit voll bewusstem Unernst, Trash produzieren wollen. Das ist für mich oft sehr anstrengend, während andere die Meta-Ebene darin sehen oder meinen, da eine Meta-Ebene zu sehen, wo keine ist – je nach Film und je nach Person.

Ich finde, diese herbei bemühte Ironie solcher Filme ist oft nur ein leerer Vorwand, und sobald man diesen Vorwand hinterfragt, steckt da nur ein müde kalkulierter Tabubruch oder ebenso müde kalkulierter kommerzieller Schritt hinter. Ich habe da mehr Herz für die "unglücklichen Kandidaten" wie «Nightbeast – Terror aus dem Weltall» oder «Laserkill», diese Filme, die von einer Ratlosigkeit geprägt sind: "Was mache ich mit dem Budget? Was mache ich mit den Schauspielern? Welche Geschichte erzähle ich eigentlich? Was mache ich überhaupt hier?!" «Toxic Avenger» ist dagegen so ein Fall: Der wird im Netz mitunter so abgefeiert und daher bin ich richtig offen an den herangetreten und … dann sehe ich nur Herz- und Geschmacklosigkeit. In dem Film ist meiner Auffassung nach nichts aus Versehen oder Überforderung passiert, oder wenigstens mit einer ehrlichen Vision heraus. Der ist für mich eher ein filmgewordener Rüpel, der Leute rumschubst – so einer braucht meinen Schutz nicht.

Ich finde, diese herbei bemühte Ironie solcher Filme ist oft nur ein leerer Vorwand, und sobald man diesen Vorwand hinterfragt, steckt da nur ein müde kalkulierter Tabubruch oder ebenso müde kalkulierter kommerzieller Schritt hinter.
Peter Rütten
Diesen herzlos kalkulierten Eindruck habe ich ja bei den Asylum-Dingern. Während ich zum Beispiel «Toxic Avenger» für sich genießen kann, brauche ich bei Asylum-Filmen die «SchleFaZ»-Version. Alleine halte ich die nicht aus.
Das ist ein schönes Kompliment, vielen Dank! Diese industriell gefertigten Mockbuster sind wirklich ein Problem, und dadurch, dass sie mittlerweile nicht einfach nur schlechte Abzocke sind, sondern meinen, mit ein bisschen fadenscheiniger Selbstironie und ach-so-lustiger PR einen auf netten, verrückten Spaß zu machen, werden sie nur noch anstrengender. Es ist schon schlimm, wenn so etwas wie «Sharknado» die löbliche Ausnahme für eine Produktionsfirma darstellt. Der basiert wenigstens auf einer originellen Idee, statt mies zu klauen. Und selbst die «Sharknado»-Dinger wurden auf Dauer anstrengend, vor allem für Olli.

Das hat er erzählt, ja.
Wir haben ja daher versucht, unseren Blick auf diesen Wahnsinn zu variieren – und "Wahnsinn" war da leider nicht positiv gemeint, denn die von Asylum sind schon sehr kalkulierend und selbstgefällig. Der Eindruck hat sich dadurch verstärkt, wie uns der Regisseur beim Dreh unseres Cameos in «Sharknado 3» begegnet ist, denn der ist sehr dickhosig aufgetreten.

Die dachten wohl, wir sind ganz begeisterte Fans, die mit einer glucksenden Anerkennung diese Filme kommentieren. Das flog dann auf, als Asylum uns für deren Material um ein Interview gebeten hat. Direkt die erste Frage war, was denn "The German Guys" mit «Sharknado» zu tun haben. Und als ich meinte, dass wir eine Sendung haben, die diese Filme satirisch aufbereitet bis verarscht … ja, dann war das Interview ziemlich schnell wieder beendet.
Peter Rütten über die Beziehung zwischen den «Sharknado»-Machern und dem «SchleFaZ»-Team
So kritisch ich The Asylum auch begegne, überrascht mich das dann doch. Ich hatte immer den Eindruck, dass die «Sharknado»-Leute erstens noch die halbwegs Kreativen in dem Irrenhaus sind und zweitens gesunde Selbstironie besitzen.
Ja, ich glaube, da gab es – zu unserem Glück – Übermittlungsschwierigkeiten, was genau wir machen. Die dachten wohl, wir sind ganz begeisterte Fans, die mit einer glucksenden Anerkennung diese Filme kommentieren. Das flog dann auf, als Asylum uns für deren Material um ein Interview gebeten hat. Direkt die erste Frage war, was denn "The German Guys" mit «Sharknado» zu tun haben. Und als ich meinte, dass wir eine Sendung haben, die diese Filme satirisch aufbereitet bis verarscht … ja, dann war das Interview ziemlich schnell wieder beendet. Kurzum: Es mag nicht auf alle zutreffen, die mit diesen Filmen zu tun haben, aber mir begegnete oft so ein unangenehmer "Trash, aber in cool"-Selbstaufwertungsfaktor.

Unser Tipp

Wir mutmaßen, dass Rütten «Santa’s Slay – Blutige Weihnachten» aus dem Jahr 2005 meint, in dem der WWE-Wrestlingstar Bill Goldberg im Weihnachtsmannkostüm auf blutige Tour geht.
Nachdem wir ja die persönlichen Präferenzen abgesteckt haben, würden mich die beruflichen Pros und Contras interessieren: Welche Art Film ist leicht zu "schlefazen", welche schwerer?
Ich habe dafür ein aktuelles Beispiel. Ich sitze gerade über dem Skript zu einer «SchleFaZ»-Folge. Das ist ein Weihnachts-Slasher, den Olli mir dringend empfohlen hat. Und ich tu mich da sehr schwer, erstens eine Haltung zu finden, die wir zu dem in der Show einnehmen können und zweitens, da überhaupt etwas leichtfüßiges zu dem zu schreiben. Vielleicht mache ich was mit den Eckdaten – so spielt dort ein weltberühmter Wrestler den bösen Weihnachtsmann. Aber der Film geht insgesamt in diese «Toxic Avenger»-Richtung, der ist schon sehr fies und vulgär … Da tu ich mich immer schwer, einen Zugang zu finden. Andererseits sind sie wenigstens nicht langweilig, sondern haben etwas bemerkenswertes an sich – insofern bin ich für diese Filme dankbar. Generell schau ich mir aber lieber diese Filme an, die auf einer unschuldigen Inkompetenz basieren, so etwas wie «Plan 9 aus dem Weltall», die gut gemeint, aber sehr billig sind und vielleicht auch was langweilig. Die sind nicht die Publikumslieblinge, aber ich koste die gerne aus.

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