Interview

«Gladbeck»-Produzentin Regina Ziegler: 'Unser Film erhebt keine erzieherischen Ansprüche'

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Regina Ziegler über die Relevanz des Gladbeck-Geiseldramas und den Ansatz, den der von ihr produzierte Zweiteiler verfolgt.

Menschen gehen in diese Bankfiliale und sind ohne Grund und völlig sinnlos Opfer von Verbrechen. Mir war sofort klar, dass eine Geschichte mit so vielen dramatischen Momenten und menschlichen Schicksalen verlangte, verfilmt zu werden. Eine zeitliche Reduzierung wäre dem Stoff und den Schicksalen nicht gerecht geworden.
Regina Ziegler
Was war die Initialzündung zum «Gladbeck»-Zweiteiler – war er auch von Beginn an als solcher vorgesehen?
Seit langem beschäftige ich mich mit der Frage wie ein Staat mit gewaltexzessiven Verbrechen umgeht, aber ich denke auch über den Voyeurismus unserer Gesellschaft nach. Ist das Empathie oder Sensationsgier? Gladbeck vereinte diese Elemente, aber insbesondere die existenziellen Fragen nach dem Warum. Menschen gehen in diese Bankfiliale und sind ohne Grund und völlig sinnlos Opfer von Verbrechen. Mir war sofort klar, dass eine Geschichte mit so vielen dramatischen Momenten und menschlichen Schicksalen verlangte, verfilmt zu werden. Eine zeitliche Reduzierung wäre dem Stoff und den Schicksalen nicht gerecht geworden.

Was hat Kilian Riedhof als Regisseur mitgebracht, dass die Wahl auf ihn fiel?
Er hat mich mit seiner Barschel-Verfilmung sehr beeindruckt.

Abgesehen davon, dass sich das Ereignis zum 30. Mal jährt: Welche aktuelle Relevanz hat das Thema heute?
Der Stoff legt auf besonders anschauliche Weise bloß, was passieren kann, wenn skrupellose Verbrecher, eine unsichere Polizei und ein gaffendes Publikum in eine grauenhafte Geschichte verwickelt werden. Und genau das kann jeden Tag aufs Neue passieren.

Wie wurde bei «Gladbeck» die diffizile Balance zwischen dramaturgischer Freiheit und Faktentreue genommen?
Hartmut Palmer, ein erfahrener Journalist, hat den Fall bis ins Kleinste ausrecherchiert. Für den Autor Holger Karsten Schmid war das eine wesentliche Voraussetzung für seine Drehbücher.

Gewalt ist so alltäglich wie eh und je. Das Versagen der Ermittlungsbehörden und die Fehler der Polizei sind ebenfalls aktuell. Man muss sich da nur an den Breitscheidplatz erinnern. Noch aktueller als damals ist die Frage, wie Medien mit solchen Ereignissen umgehen. Wann endet die Informationspflicht und wann beginnt die Sensationsgier? In
Regina Ziegler
Wie ist ihre Einschätzung – hat sich der Journalismus in Deutschland in Sachen Sensationsgier seit des Geiseldramas langfristig gebessert?
Sehr ernst. Gewalt ist so alltäglich wie eh und je. Das Versagen der Ermittlungsbehörden und die Fehler der Polizei sind ebenfalls aktuell. Man muss sich da nur an den Breitscheidplatz erinnern. Noch aktueller als damals ist die Frage, wie Medien mit solchen Ereignissen umgehen. Wann endet die Informationspflicht und wann beginnt die Sensationsgier? In dem digitalen Zeitalter mit den sozialen Medien noch dramatischer.

Droht uns eine 'Wiederholung' solch eines sensationsgierigen Journalismus? Auch wenn es nicht 1:1 vergleichbar ist, haben sich ja zum Beispiel die Berichte über Gaffer in jüngerer Vergangenheit wieder gehäuft …
Dieser Balanceakt muss immer wieder justiert werden. Mal geht er besser, mal geht er schlechter aus. Unser Film erhebt keine erzieherischen Ansprüche. Ähnliche Fälle mit einem ähnlichen Verlauf können jederzeit passieren. Es gibt eine sehr alte Geschichte. Sie heißt Schiffbruch mit Zuschauer. Sie erzählt davon, wie Menschen vom Land aus zuschauen, wie ein Schiff kentert und im Meer versinkt. Sie sitzen im Trockenen. Das macht offenbar ein gutes Gefühl.

Vielen Dank.
«Gladbeck» ist am 7. und 8. März ab 20.15 Uhr im Ersten zu sehen.

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