Die Kritiker

Hergeschaut, «Arrested Development»: «Pastewka» zeigt, wie's geht!

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Da ist sie endlich wieder: Die Comedyserie «Pastewka», in der Bastian Pastewka sein eigenes, liebenswert-mieses Alter Ego spielt. Was sich bei Amazon an dem Format ändert und wie gut oder mies das ist ...

Cast und Crew

  • Regie: Erik Haffner, Wolfgang Groos
  • Darsteller: Bastian Pastewka, Sonsee Neu, Matthias Matschke, Pegah Ferydoni, Antje Koch, Michael Lott, Cristina do Rego, Dietrich Hollinderbäumer, Bettina Lamprecht und viele mehr
  • Drehbuch: Sascha Albrecht, Bastian Pastewka und viele mehr
  • Kamera: Christoph Chassée, Alex J. Moll
  • Produzent: Tobi Baumann
  • Producerin: Nina Sollich
  • Produktionsfirma: Brainpool TV GmbH
Dies ist die Geschichte einer Comedyserie über egozentrische Menschen, die eine innige Fangemeinde hat, allerdings nicht die allergrößten Zuschauerzahlen im Fernsehen genoss und nach jahrelanger Wartezeit auf einem Streamingportal weitererzählt wird. Das ist «Pastewka» …

Außerdem ist dies die Geschichte von «Arrested Development», der kultig-durchgeknallten Sitcom, die von 2003 bis 2006 beim US-Network FOX Kritiker und eine kleine, aber engagierte Zuschauermenge in Verzückung versetzt hat. Nach einer eiligen Absetzung wurde die Serie, in der sich unter anderem Jason Bateman, Michel Cera, Jessica Walter und Will Arnett als dysfunktionale Familie ankeifen, 2013 bei Netflix fortgesetzt. Die vierte Staffel «Arrested Development» versuchte, die Rezeptur der ersten drei Seasons zu verändern: Längere Episoden, mehr horizontale Handlungsfäden und ein etwas dramatischerer Tonfall. Fans und Kritiker nahmen die lang herbeigesehnte Staffel mit gemischten Gefühlen auf: Juhu, wenigstens geht es endlich weiter – und ein bisschen «Arrested Development»-Gefühl ist ja noch immer vorhanden. Aber schade, dass Serienschöpfer Mitchell Hurwitz seinen Geniestreich ein Stück weit kaputtverbessert hat …

Die Geschichte hinter «Pastewka» ähnelt diesem. Selbst wenn das Format als Serie über das faszinierend-unausstehliche, fiktionalisierte Ich eines Comedians inhaltlich viel näher an «Lass es, Larry!» liegt als an «Arrested Development»: 2005 bis 2014 lief die Serie mit einigen längeren Pausen zwischen den einzelnen Staffeln bei Sat.1 und selbst wenn es dann und wann von Quotenproblemen geplagt war, feierte es auch Achtungserfolge – und baute sich eine innige Fangemeinde auf, die dem Serienteam auf seinen Kinotouren die Türen eingerannt hat. Doch auch zahlreiche Auszeichnungen reichten nicht aus, um «Pastewka» zu solch einer festen Bank bei Sat.1 zu machen, dass es nach der siebten Staffel zügig weitergegangen wäre. 2017 wurde dann die große Überraschung verkündet: Season acht ist abgemachte Sache – und zwar bei Amazon Prime!


Wie auch «Arrested Development» kommt bei «Pastewka» mit dem Wechsel zu einem Video-on-Demand-Anbieter ein Wandel daher. Die Serie wird nun in UHD produziert. Der Staffelauftakt ist dramatischer und mit fast 45 Minuten Laufzeit länger als von «Pastewka» gewohnt. Und das einst rein episodisch erzählte Format, das sich in seinen letzten Atemzügen bei Sat.1 dezent längeren Handlungsbögen geöffnet hat, ist nunmehr eine horizontal präsentierte Comedyserie. Und selbst wenn es schwer fällt, seinen Finger darauf zu legen, lässt sich das Gefühl nicht abschütteln, dass die «Pastewka»-Macher etwas globaler werden wollen.

Vielleicht ist es auch nur eine unterbewusst vollzogene Änderung. Verständlich wäre es so oder so: Mit dem Schritt von einem privaten Fernsehsender zu einem international zugänglichen VOD-Anbieter vergrößert sich das potentielle Publikum schlagartig. Selbst als deutschsprachige Serie öffnen sich so neue Horizonte. Schweighöfers laut Amazon-Angaben weltweit gefragte Thrillerserie «You Are Wanted» und die deutsche Netflix-Mysteryserie «Dark» haben dies vorgemacht.

«Pastewka» ist nicht nur ein Name, sondern für mich schon eine Geisteshaltung geworden: ein Adjektiv des Chaos. Wenn es in der Apotheke ein Mittel für ausgeprägtes Herumlavieren, Verdrängen, Vermeiden und Sich-dabei-gut-Fühlen gäbe, so würde es «Pastewka» heißen. Als Salbe oder Tropfen. Wäre «Pastewka» ein Parfum, man würde es mit Stolz auftragen, weil es geruchsneutral ist, sich nicht aufdrängt und im Regal wahrscheinlich nicht ganz vorne steht, wo Kenner es ohnehin nicht vermuten.
Bastian Pastewka über «Pastewka»
Im Falle von «Pastewka» wird den potentiellen Neuzugängen aus aller Welt (und allen vergesslichen Stammzuschauern) als Zugeständnis zu Beginn des Staffelauftakts ein sehr ausführlicher Rückblick auf das bisherige Geschehen präsentiert. Außerdem sorgt die erste Amazon-exklusive «Pastewka»-Folge durch eine Vielzahl an Schauplätzen und einige aufwändigere Kamerafahrten für ein pompöseres Auftreten als von der Serie gewohnt. Wie erwähnt – vielleicht auch im Verdacht, dass man nun Leute erreichen kann, die den Titelhelden nicht kennen und sich daher nicht allein mit seinen selbstironischen Zankereien in den eigenen vier Räumen oder hinter den Kulissen des deutschen TV-Zirkus locken lassen.

Der entscheidende Unterschied zwischen der ersten Netflix-Staffel von «Arrested Development» und der ersten Amazon-Season von «Pastewka»: Die mehrfach preisgekrönte Brainpool-Produktion bleibt sich allen Anpassungen und Weiterentwicklungen trotzdem selber treu. «Arrested Development», die Schnellfeuer-Sitcom über miese Menschen, wurde mittels ständiger Zeitsprünge und dadurch künstlich erzeugten Mini-Mysterien sowie längeren, rein dramatischen Passagen auf sehr bemühte Weise zu einer narrativ experimentell aufgelegten Dramedy – und verhedderte sich dabei. Es blieb eine sehenswerte Serie, aber auf einem deutlich niedrigeren Level, zumal die Essenz der Serie verloren ging. «Pastewka» führt in Runde acht dagegen schlicht, erfreulicherweise und konsequent die in den sieben vorhergegangenen getätigte Serienentwicklung fort.

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