Die Kritiker

«Gestüt Hochstetten»

von

Ein Familiendrama rund um Pferde, Intrigen, Macht und die Frage, wieso Karl Hochstetten sein Erbe ausgerechnet so verteilt hat. Die Bücher kommen von Lea Schmidbauer, bekannt durch "Ostwind".

Cast & Crew

  • Julia Franz Richter, Christoph Luser, Laurence Rupp, Patricia Aulitzky, Michou Friesz, Jeanette Hain, Aaron Karl, Mariam Hage, Oliver Karbus
  • Produktion: SamFilm
  • Regie: Andreas Herzog (Folge 1 und 2), Christopher Schier (Folge 3 und 4)
  • Drehbuch: Lea Schmidbauer
  • Kamera: Thomas Kürzl
  • Szenenbild: Conrad Moritz Reinhardt
  • Kostümbild: Mika Braun, Silke Schmelzer
  • Casting: Nicole Schmied
  • Musik: Wolfram de Marco
  • Ton: Roland Winkler
In der österreichischen Serie «Gestüt Hochstetten», welche im Original «Trakehnerblut» heißt, wurde vor allem ein großes Familiendrama in Wien und Umgebung beschrieben. Doch nicht nur der Titel wurde geändert: in Deutschland wird die Serie gleich mit einer neuen Schnittfassung gezeigt. Statt acht zirka 47-minütige Teile, wie man sie im österreichischen ServusTV zeigte, kommen nun vier etwa 90-minütige im Ersten. Hierbei hat die „Ostwind“-Autorin Lea Schmidbauer natürlich wieder die Pferde in den Vordergrund gestellt und – ähnlich wie bei „Ostwind“ – kommt das Großstadtkind aufs Land und schmeißt alle Pläne der Ansässigen durcheinander. Eine weitere Ähnlichkeit: Am Ende soll der große Umbruch durch ein Turnier erfolgen. Während man bei "Ostwind" jedoch sicher weiß, dass dies klappt, muss man hier wohl noch etwas länger auf die Auflösung warten. Zudem kommt auch noch dazu, dass Alex sich neu finden muss und erst nach und nach die Geheimnisse ans Licht kommen. Schmidbauers Drehbuch zeigt viele verschiedene Figuren im Umfeld von Gestüt Hochstetten und Alex‘ Privatleben, sodass man gerne beobachtet, wie sich spannende Figurenkonstellationen entwickeln.

Die gesamte Geschichte dreht sich um die 23-jährige Alexandra Winkler (Julia Franz Richter). Das ehemalige Pflegekind hat nie etwas von ihren Eltern erfahren, doch erhält plötzlich eine Nachricht von ihrem Vater: Nach seinem Tod soll sie die Alleinerbin des Trakehnergestüts Hochstetten sein. Wird sie das Erbe annehmen? Und was sagt eigentlich die Familie von Karl Hochstetten (Michael Menzel) – Alex Vater – dazu? Wird das Waisenkind also auf das Gestüt verzichten und sich mit einer Entschädigung zufriedengeben? Denn das ist das Angebot ihres ältesten Halbbruders Maximilian Hochstetten (Christoph Luser). Maximilian versucht immer wieder seine Pläne durch Intrigen durchzusetzen und hört dabei blind auf die Ratschläge seiner Geliebten Margarethe Loss (Jeanette Hain). Als Alex sich das Gestüt anschauen will, lernt sie den dreijährigen Halbbluthengst Dezember kennen, welcher ihr ein guter Freund wird – vielleicht auch, weil beide einige Parallelen aufweisen? Auf dem Gestüt trifft Alex zudem auf ihren jüngeren Halbbruder Leander Hochstetten (Laurence Rupp) und ihre Halbschwester Silvia Hochstetten (Patricia Aulitzky). Und während Max sich weiterhin bemüht Alex‘ Unterschrift zu bekommen, taucht Alex beim entsprechenden Notartermin einfach nicht auf.

Als Alex nach dem verpassten Termin auf Max‘ wütende Fragen antwortet, dass sie herausfinden will, wieso ausgerechnet sie dieses Erbe bekommen hat, beschließt er einen DNS-Test durchführen zu lassen und greift zusätzlich zu härteren Mitteln, um Alex loszuwerden: kein Arbeiter geht mehr seinen Tätigkeiten nach. Doch Alex bekommt unerwartete Unterstützung: ihre Freunde Paula Novak (Mariam Hage), Raphael Horwath (Aaron Karl) und Tilda Holzleitner (Zita Gaier) helfen ihr, den Betrieb am Laufen zu halten. Dann kommt der nächste Schock: Die Bank hat sämtliche Konten eingefroren und Alex kommt nur noch an das Schließfach heran. Der Inhalt: Eine Kassette und ein Schlüssel. Und alles scheint so, als wäre der Inhalt des Schließfachs speziell für sie hinterlassen worden, doch wieso? Was wird man darauf sehen? Findet Alex vielleicht heraus, wer ihre Eltern waren? Nach einigem Hin und Her scheinen sich die Halbgeschwister Alex und Max dann schließlich doch geeinigt zu haben und wollen sich die Geschäftsleitung teilen. Doch Max sagt Alex weder, dass er den sehr riskanten Plan hat, ein großes Reitturnier nach Hochstetten zu holen, noch wieso er wirklich die Pächter des Köhlerhofs loswerden will. Mit der Zeit bekommt Alex jedoch immer mehr heraus und versteht so auch, wieso sie das Gestüt geerbt hat: Sie soll die Grand-Prix-Pläne ihres Halbbruders verhindern und das besondere Vermächtnis ihrer Eltern verbreiten. Max will beim jährlichen Derby von Hochstetten beweisen, dass der Royal Grand Prix nach Hochstetten gelegt werden sollte. Doch erreicht er seine Ziele und welche Pläne hat Max Geliebte Margarethe? Und was bedeutet es, dass Alex und Max laut DNS-Test nicht verwandt sind? Wer von beiden ist nun Karls Kind?

Während Alex immer wieder aufs Neue mit Problemen konfrontiert wird, lösen sich für den Konsumenten nach und nach die meisten Fragen. Doch sofort tauchen wieder Neue auf. Und da man als Zuschauer nicht nur Alex begleitet, sondern auch immer wieder einen Blick in die Gespräche der anderen Charaktere bekommt, fragt man sich des Öfteren, wann Alex nun diese Entdeckung machen wird. Folglich bleibt, zum einen durch die nie enden wollenden Fragen, zum anderen durch die Ungewissheit, wann Alex denn nun die uns bereits bekannten Wendungen auch entdeckt und wie sie darauf reagieren wird. So entblättert sich Schritt für Schritt ein finsteres Familiengeheimnis.

Zudem ist vor allem Alex sehr durchdacht und fügt sich nach und nach zu einem großen Gesamtbild zusammen. Sei es nun die schlechte Beziehung zu ihren Eltern, der ungemütliche Chef oder einfach dass sie sehr tierlieb und cool ist, all dies lässt Alex nicht als eine Person ohne Hintergrund dastehen, sondern man kann sich mehr oder weniger ihr ganzes Leben vorstellen. Und auch entdeckt man immer wieder neue Seiten an ihr, zum Beispiel als sie ein verletztes Pferd retten will und gegenüber Maximilian das erste Mal zeigt, dass ihr das Gestüt gehört. All dies schöpft die Lust, sich gemeinsam mit Alex auf Gestüt Hochstetten einzuleben.

Und ganz besonders ein Charakter passt perfekt zu Alex: Dezember. Die beiden haben unzählige Parallelen und sei es nun die Mutter, welche bei der Geburt starb, oder die Tatsache, dass beide einen Vater aus der Oberschicht und eine Mutter aus der Arbeiterklasse hatten: Immer wieder tauchen Verbindungen zwischen den Beiden auf und da ist es doch eigentlich schon klar, dass Alex auf Dezember reiten lernen wird und das ohne Sattel – genauso wie ihre Mutter. Dass Alex weniger wert ist, weil sie aus einer Affäre kommt, ist natürlich Unsinn, doch bei Tieren – und vor allem Pferden – geht es genau darum: Ästhetik, Vollwertigkeit, reines Blut, Leistung. Und daher ist auch der Arbeitstitel der Serie über ein Trakehnergestüt genau das Gegenteil von Dezember: «Vollblut».

Der Drehort ist definitiv perfekt für ein edles Gestüt mit lauter Vollbluttieren geeignet und auch die Pferde und Reiter zeigen sich stets von ihrer besten Seite. Doch manchmal hat man das Gefühl, dass die Verantwortlichen noch mehr aus den Szenen hätten machen können. Doch vielleicht liegt das auch an der nicht wirklich inspirierenden Musik. Alles in allem ist «Gestüt Hochstetten» wirklich sehr hübsch, aber hätte sicherlich noch etwas Luft nach oben.

Die aktuell vierteilige erste Staffel wird jeweils um 20.15 Uhr im Ersten zu sehen sein: Am 20. Januar 2018 wird «Das Testament» ausgestrahlt, am 27. Januar 2018 «Das Komplott», am 3. Februar 2018 dann der dritte Teil «Die Enthüllung» und am 10. Februar 2018 der letzte Teil «Das Vermächtnis».

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