Die Kritiker

«Tatort: Die Faust»

von

Der neue «Tatort» aus Österreich weiß durch fantastischen „Schmäh“ und ein eingespieltes Ermittlerteam zu überzeugen. Die gewagte Story geht dabei weit über die Grenzen Wiens hinaus.

Cast & Crew

Vor der Kamera:
Harald Krassnitzer als Moritz Eisner
Adele Neuhauser als Bibi Fellner
Thomas Stipsits als Manfred Schimpf
Dominik Maringer als Clemens Steinwendtner
Larissa Fuchs als Nataliya Lomatschenka
Misel Maticevic als Nenad Ljubic
u.v.m.

Hinter der Kamera:
Buch: Mischa Zickler
Regie: Christopher Schier
Kamera: Thomas W. Kiennast
Produzenten: Markus Pauser, Erich Schindlecker
Es ist ein weit verbreitetes Merkmal der «Tatort»-Reihe, das sich der Fall auf die Stadt oder zumindest die Region beschränkt, in der die Kommissare ermitteln. Das stärkt das markentypische Lokalkolorit und sorgt für ein realistisch empfundenes Krimi-Erlebnis. Der österreichische «Tatort: Die Faust» traut sich hingegen über die Stadtgrenzen der Hauptstadt hinaus – bis nach Osteuropa. Ein durchaus gewagtes Unterfangen, welches mit folgender Story angegangen wird:

Mit einem absoluten Profi bekommen es Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) und Bibi Fellner (Adele Neuhauser) in einer rätselhaften Mordserie zu tun. Erst tötet der maskierte Killer einen tätowierten Serben, dann den unscheinbaren georgischen Mitarbeiter (Sebastian Pass) einer Großgärtnerei und schließlich eine junge Mutter (Marie Monier). Nie hinterlässt der Täter Spuren, jedoch immer eine schockierende Inszenierung: Er stellt die geschändeten Leichen spektakulär an Orten zur Schau, an denen so viele Menschen unterwegs sind, dass die Polizei keine verwertbaren DNA-Spuren finden kann. Ritualmorde, Sexualdelikte oder gar ein Geheimdienst-Killerkommando – Fellner und Eisner müssen in alle Richtungen ermitteln.

Nicht einmal bei den Opfern, die allesamt unter falscher Identität in Wien lebten, gibt es Klarheit. Als die Ermittler auf einen gemeinsamen Bekannten der Opfer stoßen, den auf Osteuropas Bürgerrechtsbewegungen spezialisierten Universitätsprofessor Nenad Ljubić (Mišel Matičević), kommt endlich Bewegung in den Fall. Auch den eiskalten Killer erwartet in dem Verwirrspiel eine Überraschung: Ihm ist unbemerkt eine Verwechslung passiert, die seine perfekt getarnte Aktion gefährdet. Unterdessen stoßen Eisner und Fellner auf eine Spur, deren Tragweite sie schon bald staunen lässt.

Staunen tut allerdings auch der Zuschauer, wenn sich die Spuren von Ritualmorden langsam in Richtung Geheimdienste entwickeln. Einerseits wirken Ermittlungen im Umfeld osteuropäischer Revolutionen und der CIA zunächst weit hergeholt, andererseits darf man durchaus den Mut des Drehbuchs loben, ausgetrampelte Pfade zu verlassen und sich in seinem Ausmaß nicht nur auf das gemütliche Wien zu beschränken. Viel mehr dient die Hauptstadt Österreichs als Versteck einflussreicher Aktivisten in Osteuropa.

Während die Story also recht unkonventionell daher kommt, verlässt sich der ORF-«Tatort» ansonsten auf seine altbekannten Stärken – was definitiv die richtige Entscheidung war. Der vielzitierte „Wiener Schmäh“ wird hier erneut par excellence umgesetzt und verleiht dem Krimi seine ganz eigene Art Humor. Neben den kleinen, liebevollen Sticheleien des Ermittlerduos untereinander, weiß vor allem die gemeinsam hartnäckig demonstrierte Abneigung gegen den jungen, strebsamen Kollegen Steinwendtner zu überzeugen.

Die beiden Hauptdarsteller Harald Krassnitzer und Adele Neuhauser wissen erneut vollends zu überzeugen und vergolden die toll geschriebenen Dialoge. „Der erfüllt alle Kriterien einer Polizeikarriere: Keine Ahnung, keine Skrupel, keine Titten“, schimpft Bibi Fellner über einen jungen Bewerber auf einen freiwerdenden Chefposten – natürlich mit feinem Wiener Dialekt. Teils derbere, aber immer stilvoll treffsichere Sprüche wie dieser ziehen sich durch den gesamten Plot und sorgen immer wieder für Auflockerung.

Denn über die gesamte Spieldauer hindurch hält «Die Faust» ein gutes Spannungsniveau. Der Herzschlag wird zusätzlichen in den wenigen, dafür intensiven Schockmomenten beschleunigt. So wird der dritte Mord in seiner grausamen Entstehung gezeigt, wenngleich die brutalen Aktionen größtenteils der Fantasie überlassen werden. Teilweise sieht man diese Geschehnisse durch die Augen des maskierten Killers. Ebenso ein schickes Stilmittel wie die spannungsgeladene Musik, der in diesem «Tatort» eine vergleichsweise große Bedeutung zufällt. Das kommt dem Krimi absolut entgegen. Immer wieder werden die Szenen passend musikalisch unterlegt und haben eine fesselnde Wirkung auf den Zuschauer. Außerdem wartet der Plot mit dem einen oder anderen Überraschungsmoment auf.

Wie so oft ist auch in dem «Tatort» Platz für Gesellschaftskritik. Ein wichtiges Thema, dessen sich der Krimi aus der Feder von Mischa Zickler annimmt, sind Frauen in Führungspositionen der Polizei. In einem Nebenhandlungsstrang balgen sich die Bewerber um den Chefposten der neu gestalteten „Mordkommission 2“. Bibi Fellner spielt mit dem Gedanken, sich ebenfalls für das Amt zu bewerben und prangert den Männerverein an, aus dem sich üblicherweise der Führungsstab der Polizei zusammensetzt. Ein in den meisten Führungsetagen weit verbreitetes Problem, in Polizeikreisen jedoch besonders ausgeprägt. Aus diesem Grund geht es der Ermittlerin auch mehr ums Prinzip: Es zumindest zu probieren und ihre Chancen auszuloten. Das schmeckt ihrem Kollegen Eisner, der befürchtet, seine liebgewonnene Partnerin zu verlieren, hingegen überhaupt nicht. Auch auf Zwischenmenschliches zwischen den Hauptfiguren muss also nicht verzichtet werden.

Das Erstezeigt «Tatort: Die Faust» am Sonntag, den 14. Januar um 20.15 Uhr.

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