Serientäter

Tempowechsel, Reunions & mehr Fantasy: Das war die 7. Staffel «Game of Thrones»

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Staffel sieben brachte «Game of Thrones»-Zuschauern durch Wiedervereinigungen, visuelle Leckerbissen und bestätigte Fantheorien reichlich Genugtuung. Nun muss sich die Serie neu orientieren.

Länger als sonst mussten «Game of Thrones»-Fans auf die neue Staffel ihrer Lieblingsserie warten. Wer Hardcore-Fans kennt, alleine die Aktivitäten in den sozialen Medien verfolgt hat, die im Umfeld der Ausstrahlungen neuer Folgen stets heiß laufen, der weiß, wie hart die verlängerte Wartezeit die Fans des HBO-Formats getroffen haben muss. Die Vorfreude auf Runde sieben war also größer denn je, dabei übten viele Zuschauer der Fantasyserie in den vergangenen Jahren viel Kritik an der US-Serie, die in ihren Augen doch massiv abgebaut habe. Die Schuld verorteten die meisten Kritiker bei den Showrunnern David Benioff und D. B. Weiss, die die Buchserie des eigentlichen Weltschöpfers George R. R. Martin überrundeten und daher gezwungen waren, mit Anhaltspunkten Martins eine eigene Fortsetzung der Geschichte zu schaffen, die der Grundlage der Bücher weitestgehend entbehrt. Auch der Autor dieses Artikels veröffentlichte eine Klageschrift (siehe Info-Box).


Im Zeichen der Wiedervereinigungen


Der Text erschien nach Ablauf der fünften Staffel, in der die Autoren erstmals gezwungen waren, inhaltlich die Zügel zu übernehmen. Staffel sechs lieferte schließlich den bis dahin niedrigsten Kritikerspiegel einer «Game of Thrones»-Season. Die qualitative Kehrtwende gelang Benioff und Weiss nun mit der siebenteiligen siebten Staffel. Dies hatte vor allem damit zu tun, dass die Showrunner bei noch insgesamt 13 Episoden zeitlich endlich den Fuß vom Bremspedal nahmen. Die White Walker, die über sechseinhalb Staffeln durch die Eiswüste tingelten, kamen damit endlich an der Mauer an, unterdessen vergingen Reisen der Charaktere an entlegene Punkte der Westeros-Karte wie im Flug und nicht wie zu Fuß und brachten daher unheimlich belohnende Momente für Zuschauer, die ihre Zeit in die sechs Staffeln davor investierten. Allerdings auch Beschwerden über die logistische Unmöglichkeit des schnellen Karten-Hoppings mancher Charaktere und Raben.

Staffel sieben glich so einer einzigen Reunion von staffellang getrennten Charakteren, deren Wege sich endlich wieder kreuzten. Allen voran die Wiedervereinigung der zwischenzeitlich schon abgeschriebenen Familie Stark, die bereits teilweise seit Staffel eins in alle Himmelsrichtungen verstreut wurde, löste große Glücksgefühle aus und verschaffte so durch die zurückliegende Charakterentwicklung der verschiedenen Charaktere neue Dynamiken für das «Game of Thrones»-Publikum. Doch auch bislang einander unbekannte, dafür beim Publikum umso beliebtere Charaktere trafen erstmals aufeinander, was sich vor allem aus Daenerys Targaryens Reise nach Westeros ergab, die sich zuvor wie Kaugummi durch den bisherigen Serien-Run zog. Das Aufeinandertreffen von Daenerys und Jon Snow resultierte im sprichwörtlichen ‚Nerd-Boner‘ für Serienfans. Die siebte Staffel kennzeichnet daher mehrfach den langeersehnten Schluss inhaltlicher Kreise, die «Game of Thrones» in den Staffeln davor zuweilen behäbig zog.

Von gelungenem Fanservice & der Faszination Fantasy


Das Gelingen der siebten «Game of Thrones»-Staffel lag allerdings auch daran, dass Benioff und Weiss ein ums andere Mal die mittlerweile an Dialogen, Gegebenheiten, Figuren und Objekten reiche Geschichte in den neuen Folgen mit Referenzen an Vergangenes unterfütterten. Die Showrunner wissen nur zu gut, dass ihre Serie in der Internetkultur eine absolute Ausnahmestellung innehat. ‚Haben wir dieses Zitat nicht schon einmal gehört, diesen Dolch nicht schon einmal gesehen und könnte dieses Detail nicht etwa die Lösung für jene Prophezeiung sein?‘ Was in den vergangenen Staffeln zu inhaltlich faulem Fanservice und Gags führte, nur um den Meme-Erschöpfern im Netz Zucker zu geben, wurde in Staffel sieben um kluge und vor allem subtile Anspielungen an Zukunft und Vergangenheit der Seriengeschichte ersetzt, was die ohnehin sehr aktiven Foren mit Fantheorien weiter auf Trab hielt. So warf «Game of Thrones» seinen eingefleischten Fans einige Male nahrhafte Knochen hin, ohne sich den Vorwurf gefallen lassen zu müssen, man nähre damit bloß den Internethype ums Format und lasse sich inhaltlich so die Butter vom Brot nehmen. Vom mageren Gastauftritt des Popstars Ed Sheeran einmal abgesehen, der den meisten Beobachtern sauer aufstieß.

Den Höhepunkt stellte, so gehört es sich für gute Serien, das Staffelfinale dar. Zu diesem Zeitpunkt lag das schockierendste Ereignis der Staffel, so gehört es sich für «Game of Thrones», schon eine Folge zurück. Was zuvor der traditionelle Episode neun-Schocker war, wurde nun, in der verkürzten siebten Staffel, von Ausgabe sechs abgelöst und bezog sich auf Daenerys‘ Drachen. Gerade Fantasy-Liebhaber lechzten in den vergangenen Staffeln um mehr Screen-Time der feuerspeienden Ungetüme, nun investierten die Macher besonders viel Zeit in die (fast) unbesiegbaren Bestien – und wohl auch Geld, denn wenn man Gerüchten glauben darf, verzichteten die Produzenten sogar des Mammons wegen auf den Einsatz von Jons aufwendig animierten Schattenwolf zugunsten der Drachen, die, anders als in den Staffeln zuvor, nun nicht mehr ganz so sparsam animiert wirkten.

Was mit besagtem Drachen in Episode sechs geschah, soll an dieser Stelle nicht verraten werden. Das Ereignis legt jedoch den Grundstein für epochale Schlachten in der Finalstaffel und steht eindrucksvoll für die Faszination am Fantasy-Genre. Viele Zuschauer, die abseits von «Game of Thrones» sonst eher realistische Stoffe konsumieren und für die die Vorliebe für Elfen, Orks oder Zauberer kaum nachvollziehbar ist, ertappten sich beim hemmungslosen Mitfiebern um das Schicksal einer erdachten Kreatur, zu der die Zuschauer trotz fehlender menschlicher Eigenschaften eine Zuneigung entwickelt haben, sodass die Liebe am Genre, ob in Literatur, Film oder eben Serie, greifbarer wurde. Mit dem stärkeren Einbauen fantastischer Elemente, seien es Drachen oder Untote, umwehte «Game of Thrones» in Staffel sieben mehr denn je ein Hauch von Tolkien.

Erzählerische Abstriche aufgrund des Zeitdrucks


Der Fokus auf die visuellen Leckerbissen, die Drachen, Schlachten und Magie, die «Game of Thrones»-Fans verzauberte, brachte jedoch auch Abstriche im Storytelling. Es waren lange Zeit die unverkennbar menschlichen Eigenschaften und Impulse, Charakterschwächen und Verhaltensweisen, die der Serie ihre emotionale Kraft verliehen. Viele Entwicklungen in Staffel sieben fühlten sich jedoch an, als würde die Story nun die Charaktere steuern und nicht andersherum. So stieg beispielsweise Tyrion vom strategischen Meister zum mehrfach aufs Kreuz gelegten Lehrling ab, nur damit Daenerys neue Herausforderungen zum Meistern erhält. Unterdessen fand sich im zurückgekehrten Bran, der sich in seiner neuen Funktion als dreiäugiger Rabe alles Vergangene und alles Gegenwärtige vor Augen führen kann, ein bequemes Werkzeug, um hier und da neue Enthüllungen einzuschieben, allerdings scheinbar beliebig und nur wenn es der Geschichte gerade nützte.

Doch nun zum eigentlichen Staffelabschluss. Dieser lieferte das in langen Szenen ausgekostete Dahinscheiden eines der beliebtesten Serienschurken, ein großes Klassentreffen vieler der beliebtesten Charaktere in Königsmund und die Bestätigung einer lange gehegten Fan-Theorie, die gleichzeitig die zweifellos seltsamste Familien-Reunion der Staffel und wohl die unbehaglichste aller Zeiten darstellt, aber Fans im tiefsten Inneren irgendwie trotzdem zufriedenstellt. Der Inzest der Lannister-Geschwister startete den Krieg der Westeros-Familien und zog den mit Leidenschaft gelebten Hass der Fans nach sich, nun vermag Inzest im Falle anderer Charaktere das Gegenteil zu bewirken. Auch das schafft wohl nur «Game of Thrones». Viel Neues oder etwa Unerwartetes bot der Staffelabschluss als Brücke zu den kommenden sechs finalen Ausgaben nicht, die Serienmacher setzten mehr oder weniger Häkchen hinter Gegebenheiten, die so oder so ähnlich geschehen mussten oder von den Fans antizipiert wurden.

Der große Krieg: Umdenken in Staffel acht


Bei allem Kreiseschließen und Häkchensetzen steht «Game of Thrones» nun eine letzte Staffel bevor, die die Autoren wieder grundlegend neugestalten müssen. Rückblickend bot Staffel sieben ihnen inhaltlich nicht viel Risiko, da sie von der reichen Geschichte aus bislang knapp 67 Stunden Laufzeit, den Beziehungen, Dynamiken und Andeutungen zehrten und den Fans so reihenweise befriedigende Entwicklungen lieferten. Staffel acht, die sich wohl in sehr großen Teilen dem Krieg zwischen den Lebenden und den Toten widmen wird, muss dann neue Akzente setzen. Bei all der Unberechenbarkeit, die «Game of Thrones» und sein unbarmherziges, mittelalterliches Setting auszeichnet, bewegte sich die Serie bislang dennoch in einem festen Rahmen. In den verbleiben sechs Folgen muss die Serie eine ganz andere werden, um sich dem Kampf zwischen den Lebenden und den Toten vollumfänglich widmen zu können. «Game of Thrones» meets «The Walking Dead».

Mit diesem Ziel, auf das das HBO-Epos unaufhaltsam zusteuert, änderte sich bereits in Staffel sieben der Fokus von Einzel-, Gruppen- und Familienschicksalen zum großen Ganzen, das durchaus als geopolitische Parabel interpretiert werden darf. Die Elemente Eis und Feuer, Kälte und Wärme, nehmen schon im Titel großen Raum ein und werden spätestens in Staffel acht mit voller Wucht in Form von Drachen und Eiszombies aufeinandertreffen. Auch der Mensch im 21. Jahrhundert muss sich im Angesicht einer eigens verschuldeten, bevorstehenden Klimakatastrophe mehr mit diesen Elementen befassen. Wie in «Game of Thrones» muss dabei Kooperation aller Parteien vor Konflikt kommen. Eine Maxime, die sich einige Charakter mehr zu Herzen nehmen als andere. Was ihnen das einbringt, wird die Finalstaffel zeigen.

Auch nach Staffel sieben werden die Meinungen auseinandergehen, ob David Benioff und D. B. Weiss aus George R. R. Martins Buchsaga eine würdige Serien-Adaption erzeugten oder ob die Geschichten mit der zunehmenden Eigenverantwortlichkeit der Showrunner konventioneller und trivialer wurden. Unbestritten ist jedenfalls, dass Benioff und Weiss aus dem Samen eines ausufernden Literatur-Epos eine nach wie vor komplexe und einnehmende Geschichte sprießen ließen, die zum größten Objekt popkultureller Obsessionen gedieh. Es ist daher gerechtfertigt anzunehmen, dass Staffel acht in zufriedenstellender Manier und in einer dem Show-Vermächtnis würdigen Art und Weise enden wird.

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