Die Kritiker

«Kommissarin Heller – Nachtgang»

von   |  1 Kommentar

Kommissarin Heller fürchtet, dass es in Wiesbaden zu einem Mord unter Polizisten kam. Nun steht sie selber in der Schusslinie.

Cast & Crew

  • Regie: Christiane Balthasar
  • Darsteller: Lisa Wagner, Hans-Jochen Wagner, Peter Benedict, Lena Stolze, Nina Kronjäger, Franziska Neiding, Maria Hartmann, Luise Heyer, Tamer Yigit, Samia Chancrin
  • Drehbuch: Thorsten Näter
  • Kamera: Hannes Hubach
  • Schnitt: Andreas Althoff
  • Musik: Johannes Kobilke
  • Produktionsfirma: Ziegler Film
Keine freundliche Strahlepolizistin. Keine gemächliche Lokalkolorit-Schmunzelkommissarin. Und keine einsame, mürrische Wölfin mit privaten Dämonen, die beruflich alles richtig macht. Kommissarin Heller ist, so weit man das im Rahmen eines deutschen Primetime-Krimis behaupten kann, einfach nur eine Polizistin. Mit allen Stärken, die der Beruf verlangt, und allen Verfehlungen, die das deutsche Polizeiwesen bestärkt. Die in Wiesbaden spielende ZDF-Krimireihe versucht also immerhin, einen eigenen Weg zu beschreiten und der Romantisierung unserer Freunde und Helfer entgegenzuarbeiten, und zugleich ein Gegengewicht zu den dramatischen, geplagten Ermittlerreihen darzustellen.

Der neue Fall «Kommissarin Heller – Nachtgang» intensiviert diesen in der Reihe bisher unterschwellig brodelnden Aspekt. Und eröffnet zudem mit einer geballten Ladung Adrenalin: Schnelle Schnitte, pochende Musik und eine panisch um Hilfe schreiende Frau. Der sechste Teil dieser Reihe, zugleich der erste, der nicht auf einem Silvia-Roth-Roman basiert, markiert sich eingangs mit Nachdruck als TV-Thriller. Regisseurin Christiane Balthasar («Der Wagner Clan. Eine Familiengeschichte») kreiert in stahlblau-grauen Bildern ein verwirrendes, bedrohliches Szenario. Eine Verwirrte kann gerade so von zwei Polizisten beruhigt und vorläufig in Gewahrsam genommen werden. Komponist Johannes Kobilke schafft eine laute, rasante Klangkulisse, die schon jetzt eine Stimmung vorgibt: Wenn in diesem Prolog, der wie bei klassischen James-Bond-Filmen bestenfalls peripher mit der eigentlichen Story zu tun hat, die Polizisten eingreifen, bleibt der Tonfall hart und bedrohlich. Heldentum? Gibt es hier nicht.

Diese erste Sequenz ist ein zweischneidiges Schwert. Sie versetzt das Publikum in ein Gefühl der Anspannung, und wenn daraufhin eine junge Polizistin durch mysteriöse Umstände ums Leben kommt, so ist es daher leichter geneigt, Winnie Heller zu glauben, wenn sie mutmaßt, dass ihre Kollegin durch einen Täter aus eigenen Reihen ermordet wurde. Der Schockfaktor ist somit nur überschaubar, ebenso wenig brennt gar nicht erst die Frage unter den Nägeln, ob Hellers Theorie nicht vielleicht an den Haaren herbeigezogen ist. Andererseits wird so viel früher eine grimme Grundstimmung etabliert, die sich dann bezahlt macht, sobald Heller ebenfalls um ihre Sicherheit bangt: Die Bedrohung scheint glaubhaft, ihre Sorge begründet – immerhin lässt Balthasar nach dem pulsierenden Einstieg zwar in Sachen Tempo die Zügel lockerer, was die scharfe und prägnante Bildsprache angeht, bleibt die Regisseurin während des Hauptplots aber stringent.

Den stimmungsvoll schmierigen Bildern des Kameramanns Hannes Hubach zum Trotz lässt dieser Neunzigminüter nach dem fesselnden ersten Drittel nach, was insbesondere am Subplot rund um die Tochter des Heller-Kollegens Verhoeven liegt. Diese ist in einen Ladendiebstahl verwickelt, deckt jedoch ihre möglicherweise Gras rauchende Freundin. Thematisch ist dieser Handlungsstrang als Ergänzung der zentralen Story zu verstehen, geht es hier im kleinen, familiären Kreise ebenfalls um Loyalität und die Frage, wie weit sie gehen sollte. Doch mit überdeutlichen, die Moral der Geschichte explizit verdeutlichenden Dialogen und einer arg gemächlichen Erzählweise entschleunigt diese Nebenstory den Film so sehr, dass sich auch die Suspense des Polizei-Mobbingplots verflüchtigt.

Lisa Wagner weiß trotzdem durchweg zu überzeugen. Ihre Darstellung einer alltäglichen Polizistin, die sich weigert, dem Gruppendruck nachzugeben und die somit über sich hinauswächst, ist auf glaubwürdige Weise verbissen und abgebrüht. Wagners Spiel sorgt auch dafür, dass die schnell eskalierenden Ereignisse innerhalb der Wiesbadener Polizei – es dauert nicht lang, bis Kollegen in Totenmasken auf sie einprügeln – plausibel wirken. Hans-Jochen Wagner wiederum legt Hellers Kollegen undurchschaubarer als sonst an: Ist er auf Hellers Seite oder Teil der Aggressoren? Durch diesen Aspekt wird die wendenreich erzählte Story gegen Schluss auch persönlich – etwas zu spät, um für den Bremsklotz von Familiensubplot zu entschädigen, doch intensiv genug, um für ein rundes Ende zu sorgen.

«Kommissarin Heller – Nachtgang» ist am Samstag, den 17. September 2016, ab 20.15 Uhr im ZDF zu sehen.

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Es gibt 1 Kommentar zum Artikel
Sentinel2003
17.09.2016 18:03 Uhr 1
Frau Kommissarin Heller ist für mich ein "Pflicht" Termin....:-)

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