Hingeschaut

«Einsatz in Köln»: Einmal Gehirnamputation, bitte!

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Sat.1 hat seinem «In Gefahr» am Vorabend ein neues Namensschild gegeben - und lässt jetzt auch regelmäßig Kommissare mitspielen.

Es ist des Deutschen liebstes Kind: Der Fernsehkrimi. Geschichten rund um schlaue und toughe oder gerne auch mal tollpatschige Ermittler gehen immer und überall. Davon konnten in der jüngeren Vergangenheit vor allem ARD und ZDF ein Lied singen. Dass nicht alles, was sich Krimiserie nennt, auch unbedingt funktioniert, ist mit Blick auf die «Heiter bis tödlich»-Flops im Ersten immerhin etwas beruhigend. Genau das aber macht ein neues Sat.1-Vorabendformat umso spannender. «Einsatz in Köln – Die Komissare» ermittelt ebenfalls werktags um 19 Uhr – und ersetzt damit ab dieser Woche das seit langem quotenschwache «In Gefahr», das zuletzt meist bei um die sechs Prozent Marktanteil umher dümpelte.

Hinter dem Format steht das Unternehmen Constantin Entertainment, das für Sat.1 früher schon erfolgreiche Ermittler-Formate wie «K11» oder die Detektiv-Geschichten mit Ingo Lenßen für den Vorabend umsetzte. Und nicht zuletzt produzierte man auch das Auslaufmodell «In Gefahr». Etliche Elemente davon finden sich übrigens auch in «Einsatz in Köln» wieder: Das, was sich hier Story nennt, hat definitiv Ähnlichkeiten zur ehemaligen 19-Uhr-Sendung des Münchner Kanals.

Zum Auftakt des neuen Sat.1-Formats ist es Marcus Trettner – und dessen Geschichte steht in der Tat sinnbildlich für das, was die Zuschauer des Senders in der kommenden Zeit um 19 Uhr erleben werden – oder in ähnlichem Formaten schon erlebt haben.

Marcus ist natürlich ein Bilderbuchpapa, der in der ersten Sequenz gerade vom Eishockey-Match mit seinem Sohnemann zurückkommt. Unheil bricht aber sofort auf ihn herein. Seine Frau findet Nikotin-Kaugummis auf dem Wohnzimmer-Tisch, die Marcus aber wohl nicht an dieser Stelle abgelegt hatte. Wer also hat sie dort liegen lassen? Ein Schnitt verrät, es gibt einen geheimnisvollen Unbekannten und dieser hat Kameras in der Wohnung der Trettners angebracht. Und nein, es handelt sich dabei nicht um den Produzenten der TV-Sendung, sondern um einen Schurken, mit dem es die diesmaligen Kommissare der Produktion aufnehmen müssen. Was dann folgt, darf einen mit offenem Mund zurücklassen. Aber der Reihe nach.

Charakterisierung in simpel


In dem neuen Format dürfen regelmäßig zwei Ermittler-Darsteller durch das Bild laufen und Sätze sagen. In der Auftaktepisode sind dies Claus Plewina, der in den Beschreibungen zur Serie als “rheinisch-herzlich” gilt, davon aber in den ersten 60 Minuten wenig zeigt. Seine Partnerin Lucia Schmitt kommt aus kinderreicher Familie, kann Karate und ist Deutsch-Italienerin: Um das in die Serie einzuweben, darf die Darstellerin zu Beginn gleich zwei Mal “Emotione per sempre” trällern. Weil die Autoren der Figur eine besondere Auffassungsgabe ins Profil schrieben, ist es natürlich ein Leichtes festzustellen, dass Aktenordner, Blumen oder sonstige Accessoires plötzlich anders platziert, verschoben oder gar nicht mehr da sind.

Man möchte fast sagen, dass die noch folgenden Ermittler der Serie keine hohe Messlatte zu überspringen haben - allein der Glaube daran, dass das die Qualität des Formats und deren Geschichten steigert, fehlt.

Der Vollständigkeit halber aber sei erwähnt, dass die Schreiber sich noch acht weitere Kommissare ausgedacht haben, die allesamt natürlich auch besondere Merkmale spielen dürfen. In späteren Folgen warten auf die Zuschauer unter anderem Lena (von) Behringhaus (offen und schlagfertig) mit Partner Christian (verschroben) oder Lästermaul Jenny mit Partner Ümit (ein Technik-Freak).

Ein Verhängnisvoller Moment


Der Verlauf der Geschichte erinnert unterdessen an vielen Stellen an das gescheiterte «In Gefahr», das bekanntlich den Beinamen “Ein verhängnisvoller Moment” trug: Wieder mal bricht dem eigentlichen Helden, hier Marcus Trettner, der Boden unter den Füßen weg. Wieder einmal kommt erst so wirklich Bewegung in die Sache, als dieser so ziemlich alles verloren hat: Nach zugegebener Steuerhinterziehung und dem Verlust der Ehefrau bleibt vom bisherigen Leben nicht mehr viel übrig. Oder um im Bilde von «In Gefahr» zu bleiben: Es war quasi ein ziemlich verhängnisvoller Moment, der das Leben dieses akkuraten Mannes gänzlich verändert hat. Obwohl die Kommissare im Laufe der Folge immer häufiger Sachen sagen, bei denen man nicht weiß, ob man staunen, grinsen oder doch zu richtigen Krimis bei den Öffentlich-Rechtlichen umschalten soll, bleibt der Grundfokus auf Marcus und dessen Frau Susanne Trettner - sie sind es, denen die Zuschauer dem Willen der Produzenten nach ein Happy End herbeiwünschen sollen.

Und wie es sich auch schon für «In Gefahr» gehörte - am Ende ist in der Tat Vieles gut - und der Täter, den der Autor dieses Textes schon beim ersten Auftauchen im Krankenhausflur quasi 17 Meter gegen den Wind als Solchen erkannte, überführt.

«Einsatz in Köln» - Chance vertan


Über die inhaltliche Qualität von Scripted Realitys ernsthaft zu debattieren, ist bekanntlich müßig. Sendungen dieser Art mit anderen fiktionalen Formaten zu vergleichen, obendrein wegen der unterschiedlichen Produktionsbedingungen vielleicht sogar unfair. Es sind die Sender, die die Preise diktieren und Macher zu solchen Lösungen ermutigen. Und es ist hier der Sender Sat.1, der sich fragen muss, ob man damit, dass man dem vom Zuschauer zuletzt verschmähten «In Gefahr» einen neuen Namen gegeben und neue Ermittler beigemischt hat - verpasst, um 19 Uhr eine halbwegs anständige tägliche Krimiproduktion im Light-Fiction-Format anzubieten.

Beim Sender Sat.1 spricht Chef Kaspar Pflüger derweil lieber von sympathischen Ermittlern, frischen Kriminalfällen und authentischen Fällen und betont - und das ist in diesem Fall aufschlussreich - dass man mit dem neuen Format auf die “Sehgewohnheiten der Zuschauer einzahle”. Die kommenden Tage und Wochen werden zeigen, ob ein größerer Anteil des Marktes sich von Light-Krimi-Murks befriedigen lässt. Wenn ja, dann hat Sat.1 gute Quoten. Wenn nicht, dann wird wohl weiter probiert. Und irgendwie ist beides nicht wirklich gut zu finden.

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