Die Kritiker

«Tatort – Spielverderber»

von

Kein Schweiger, dafür die Furtwängler: Aus aktuellem Anlass zeigt Das Erste anstelle der Schweiger-Schießerei den laschen «Spielverderber».

Cast und Crew

  • Regie und Drehbuch: Hartmut Schoen
  • Darsteller: Maria Furtwängler, Jasmin Gerat, Gerdy Zint, Richard van Weyden, Catherine Flemming, Thure Lindhardt, Nora Huetz
  • Kamera: Andreas Doub
  • Schnitt: Vessela Martschewski
  • Szenenbild: Zazie Knepper
  • Musik: Matthias Frey
Die von Mara Furtwängler verkörperte «Tatort»-Ermittlerin Charlotte Lindholm war seit über einem Jahr nicht mehr im Einsatz. Und ursprünglich sollte das Warten noch etwas länger dauern. Da aber Das Erste das geplante Til-Schweiger-Doppel aufgrund seines hohen Gewaltgrades verschoben hat, um Abstand zu den Terroranschlägen von Paris zu gewinnen, steht Furtwänglers neue Mission nun urplötzlich direkt vor der Tür. Als Ersatz für das aufwändige Spektakel, das mit Schweigers Zweiteiler geplant war, enttäuscht dieser Neunzigminüter jedoch ebenso sehr wie als nach langer Wartezeit endlich eingetrudelte Rückkehr der LKA-Beamtin.

Der mittlerweile 23. Fall Lindholms führt die Kommissarin zur Bundeswehr: Die Militärpilotengattin Lore (Nora Huetz) wird tot auf dem Dachboden ihres Wochenendhauses aufgefunden – offenbar wurde sie erschlagen. Alle Indizien sprechen dafür, dass Lores aufbrausender Ehemann Jan (Gerdy Zint) diese grausige Tat vollzogen hat. Er und Lore lebten seit einiger Zeit getrennt, wobei sich die Hinterbliebenen der Toten einig sind, dass Jan die Hoffnung auf einen Neuanfang nicht aufgegeben hat – ganz anders als seine Frau, die offenbar unter anderem mit engen Kameraden Jans geturtelt hat. Auch Paul Goebels (Thure Lindhardt), seines Zeichens Künstler und der Mann der überengagierten Soldatin Kristin (Jasmin Gerat), soll von Lore hemmungslos angegraben worden sein. Um dem Ganzen auf die Spur zu kommen, fährt Lindholm auf einen Fliegerhorst in Wunstorf, doch der dort leitende Oberst (Richard van Weyden) lässt die Kommissarin im Dunkeln tappen – bis sie ihre Reize einsetzt …

Obwohl Lindholm in diesem Krimi ihre Flirtkenntnisse besonders stark einsetzt, fehlt in dieser «Tatort»-Ausgabe die beinahe obligatorisch gewordene Furtwängler-Duschszene, mit der die Macher ja Lindholms Weiblichkeit hätten unterstreichen können. Dafür findet eine Szene Eingang in den Film, die aus einem Münsteraner «Tatort» stammen könnte: Auf einem Seziertisch absolviert 'Bild'-Herausgeber Kai Diekmann einen Cameo-Auftritt als Leiche, bei der „richtig was schief gegangen ist“. Von diesem originellen, wenngleich nichts zur eigentlichen Handlung beitragenden Gag abgesehen, ist «Spielverderber» ein wenig einfallsreicher «Tatort» von der Stange. Was sich schon daran zeigt, dass selbst der Titel entliehen ist: Es gab nämlich bereits einen «Tatort» mit dieser Überschrift – in dieser Folge trieb sich Kultschnüffler Schimanski herum. Dessen Markigkeit sucht man in dieser Produktion vergebens – und das, obwohl hier der mehrfache Grimme-Preisträger Hartmut Schoen («Phantomfieber») nach 20 Jahren Abstinenz seine Rückkehr ins Feld öffentlich-rechtlicher Sonntagskrimis feiert.

Die Handschrift des Regisseurs ist im Fließband-«Tatort» traurigerweise nicht zu erkennen. Die geschäftige Kulisse des Fliegerhorsts wird nüchtern runtergefilmt, die Songauswahl im Finale klischeehaft und der perspektivische Trick, den Kommandanten unentwegt von unten zu filmen, um ihn größer und wichtiger erscheinen zu lassen, ist rasch ausgelutscht. Allein die Klangästhetik dieses TV-Krimis ragt über die bloße Durchschnittlichkeit hinaus: Mit kakophonischer Musik des Komponisten Matthias Frey und schneidenden Soundeffekten gestaltet Schoen vereinzelte Momente der Anspannung mit drängender Stimmung. Bloß sind diese Augenblicke sehr rar gesät.

Die Darsteller bleiben weitgehend hinter ihren Möglichkeiten zurück, was in Fällen wie dem von Rainer Winkelvoss alias Staatsanwalt Mühlhoff angesichts der 08/15-Dialogpassagen auch wenig verwundert. Allein Furtwängler kann ihrer Rolle beim ewigen Romantik-Hickhack, das ihre Figur hier durchmacht, ein gewisses Facettenreichtum in ihr Spiel einpflegen. Bei der unaufgeregten Dramaturgie und den sonst so dürr skizzierten Figuren reicht das aber nicht, um einen Flug mit dem «Spielverderber» als lohnenswertes Erlebnis einzustufen.

«Tatort – Spielverderber» ist am 22. November 2015 ab 20.15 Uhr im Ersten zu sehen.

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