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Ein Nachtmeeting, das für Ärger sorgen wird

von   |  9 Kommentare

«Newtopia» entlarvt sich wegen unachtsamer Regie-Mitarbeiter als Scripted Entertainment. Die nächtliche Panne im deutschen Königs Wusterhausen dürfte auch Auswirkungen auf das internationale Format «Utopia» haben. Sat.1 will von dem Meeting nichts gewusst haben. Ein Kommentar von Manuel Weis.

Die Erklärung von Sat.1 im Wortlaut

SAT.1 sagt Entschuldigung!
Heute in der Nacht war eine Mitarbeiterin der "Newtopia"-Produktionsfirma Talpa Germany offensichtlich bei den Pionieren in der "Newtopia"-Scheune. Sie hat von sich selbst gesagt, dass sie betrunken sei und dann mit den Pionieren über die Zukunft von "Newtopia" gesprochen.
Dieses Gespräch konnte man über die 360-Grad-Kamera verfolgen.
Diese Aktion war nicht mit dem Sender SAT.1 abgesprochen. Trotzdem entschuldigen wir uns aufrichtig dafür. Solche Gespräche sind nicht im Interesse von SAT.1. Wir, das Team von SAT.1, klären gerade auf, wie es zu diesem Vorfall hat kommen können. Wir werden euch so schnell wie möglich über die Hintergründe informieren.
Quelle: Offizieller Facebook-Account des Formats
Ob Jacqueline B., von vielen in «Newtopia»-Land liebevoll Jacky genannt, bereut, was heute Nacht passiert ist? Die Executive Producerin der Sat.1-Show spazierte plötzlich in die Scheune – weil sie das tun sollte und man es für nötig hielt. Sagt zumindest Jacky. Es entwickelte sich mit den 15 Teilnehmern des Formats ein langes Gespräch, das nur deshalb an die Öffentlichkeit kam, weil die Regie so unachtsam war und eine Kamera sowie deren Mikrofon mitlaufen ließ. Die folgenden 30 Minuten dürften am Montagmorgen für viel Hektik zwischen den Schaltzentralen von Sender, Showerfinder und Produktionsfirma gesorgt haben.

Rückblick: Nach dem erfolgreichen Launch seiner Reality-Show «Newtopia» in Deutschland verkaufte Erfinder John de Mol (der einst auch die Idee zu «Big Brother» hatte) sein Unternehmen für rund 500 Millionen Dollar an ITV Studios. «Newtopia» wurde derzeit als großes Zugpferd wahrgenommen, das nach der Eroberung des deutschen Vorabends noch in viele andere Länder verkauft werden soll. Und zwar als ein Format, in dem es keine Einflussnahme von außen durch Challenges oder Battles geben soll. Der Formaterfinder sagte im Februar in einem Internet-Interview zu seiner Idee: „Das ist wirklich eine ganz pure Form von Reality.“

In Wahrheit, wie "Jacky" heute Nacht ausplauderte, ist vieles in «Newtopia» offenbar Scripted Entertainment. Die Produktionsfirma sei – wohl auch im Zuge der sinkenden Quoten – getrieben von Zuschauerzuschriften und dem quengelnden Sender. Verzweifelt wirkte die nach eigenen Angaben betrunkene Produktionsmitarbeitern, die am nächtlichen Stammtisch auch von ihren Problemen mit dem Sender berichtete. Das Nacht-Meeting, von dem der Zuschauer nichts hätte erfahren sollen, war einberufen worden, weil sie Stunden zuvor nur vier Kandidaten die neueste Regie-Anweisung eingeflüstert hatte. Das dauerte recht lang, was andere Teilnehmer misstrauisch machte und so nahm das Drama schon am Sonntagabend seinen Lauf. Die neue Idee, alle Kühe zu verkaufen und im bisherigen Stall ein Restaurant zu eröffnen, sei eine, die von Sender und Erfinder John de Mol gleichermaßen befürwortet werde und auf rasche Umsetzung warte. Bei einem der nächsten „10-Uhr-Meetings“ soll dies beschlossen werden – natürlich verkauft als Idee der Pioniere.

Auch über den „Wunsch“ von Neuzugang Kate, die direkt nach ihrem Einzug vom angeblichen Traum eines Tattoo-Studios erzählte, wurde gesprochen. Daneben gab es viele Entschuldigungen und Missverständnisse, den Kandidaten wurde Mut gemacht und über viele Probleme bei der Produktion geklagt. Obendrein stellen sich nun ganz neue Fragen. Hatten die Produzenten dem Neu-Pionier Basti vor seiner Entscheidung, wer die Show verlassen muss, ebenfalls Tipps gegeben? Dieser hatte sich (aus rein dramaturgischer Sicht richtig) entschieden und mit Isolde einer Teilnehmerin den Laufpass gegeben, die man im Talpa-Jargon wohl als "nutzlos" bezeichnen könnte. Die starken Figuren Candy und Hans durften bleiben. Kommt die Idee der spannenden 10-Uhr-Meetings von den Kandidaten selbst? Eingeführt wurden diese kurz bevor Sat.1-Unterhaltungschef Ketelaar bekannt gab, den Fokus der Show in den Highlight-Sendungen wieder mehr auf die Geschehnisse rund um eine Gesellschaftsgründung lenken zu wollen.

Sat.1, Talpa, ITV, John de Mol – und Jacky, sie alle haben nun ein Riesenproblem. Von außen ist schwer auszumachen, wer von ihnen nun das größte hat. Nach einer sofortigen Krisensitzung am Montagmorgen musste sich die Kommunikationsabteilung des Senders zunächst einmal bei den verunsicherten Fans entschuldigen: Die Mitarbeiterin „hat von sich selbst gesagt, dass sie betrunken sei und dann mit den Pionieren über die Zukunft von «Newtopia» gesprochen. Dieses Gespräch konnte man über die 360-Grad-Kamera verfolgen. Diese Aktion war nicht mit dem Sender Sat.1 abgesprochen“, versuchte sich die Sendestation aus der Schlinge zu ziehen.

Offenbar hat man in Unterföhring die Dimension des Patzers schon erkannt. „Jacky“ gab etliche Interna preis – und dürfte so auch den holländischen Kollegen einen Bärendienst erwiesen haben. Es wurde kein Hehl daraus gemacht, dass es solche Nacht-Meetings ohne Öffentlichkeit auch im Mutterland immer wieder gebe. Die Glaubwürdigkeit des kompletten Projekts ist (je nach Sichtweise durch einen Alleingang der Mitarbeiterin oder durch eine Unachtsamkeit in der Regie) hinüber. Der Ruf von John de Mol, der «Newtopia» stets als „echt“ verkaufte, ist genauso in Gefahr wie die weitere internationale Vermarktung – schließlich ist seit heute Nacht gar nicht mehr klar, was «Newtopia» ist: Reality oder doch nur ein Mix aus «Berlin – Tag & Nacht» und «Big Brother»?

Eines – und das ist der ganz entscheidende Punkt – ist die Sendung ab sofort aber nicht mehr. Das, was sie sein wollte. Nämlich echt. Da ist es auch vollkommen egal, ob der Sender wissentlich Einfluss genommen hat, oder ob dies wirklich ohne Befehl von oben erfolgte. Denn die Pioniere haben von außen Denkanstöße bekommen - all das während eines stundenlangen Cuts im Live-Stream. Dabei hatte doch Sat.1 in den vergangenen Tagen wieder und wieder möglichst glaubhaft versichert, Zensur sei nicht vorhanden. Weggeschaltet werde nur, wenn Jugendschutz oder Persönlichkeitsrechte in Gefahr sind. Wie wir jetzt wissen: Oder, wenn Talpa-Mitarbeiter das Drehbuch vortragen.
Ist «Newtopia» somit gelaufen?
Natürlich. Ich schalte jetzt nicht mehr ein.
83,3%
Mir sind die Kandidaten ans Herz gewachsen. Ich bleibe dabei.
16,7%

Somit ist das Experiment «Newtopia» spätestens seit heute Nacht beendet. Der Zuschauer braucht nicht mehr einschalten, weil die Grundvoraussetzungen für das Format nicht mehr bestehen. Sat.1 wird mehr tun müssen, als sich nur zu entschuldigen. Diese Nacht in Königs Wusterhausen wird wohl weder Jacky, noch John de Mol und auch keiner der bei Sat.1 involvierten Verantwortlichen so schnell vergessen. 30 Minuten haben gereicht, um die größte TV-Formatidee der vergangenen drei Jahre an den Rande des Ruins zu treiben.

Update, Montag, 18.40 Uhr. Lesen Sie hier, was Produzent Talpa zu der "Skandal-Nacht" sagt. .

Kurz-URL: qmde.de/77543
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Es gibt 9 Kommentare zum Artikel
Blue7
13.04.2015 13:00 Uhr 1
Ach das ist doch schon lange so.

Sebastian bekam beim Einzug gesagt, dass er ein Baumhaus bauen muss, sowie war auch bei seinem Einzug schon bekannt, dass es im Sommer Events usw. geben wird. Steht sogar wohl im Handelsregister bei der Newtopia GmbH. Was sie ist.



Sowie wusste Christian, dass ne Kuh ausgetauscht wurde.



Sowie gab vor 2-3 Wochen ja auch ein Video wo sich Karolina bei der Feuerstelle sich beschwerte, dass man mit den Kameras ihr auf dem Klo zuschauen kann. Da passierte ja auch der Faupax, dass man Jacky hörte und Karolina sagte. Man kann sie gerne kurz im Technikraum in die Regie holen, dass Karolina es selber sieht, dass man auf die Kloschüsel nicht hinsieht.
Familie Tschiep
13.04.2015 14:04 Uhr 2
Warum schickt man keine Leute ins Camp, die wirklich eigene Ideen haben? Natürlich kann es schwierig mit den Behörden in Königs Wusterhausen werden, deshalb steht vieles schon im Handelsregister der Newstopia GmbH. Ansonsten schlechtes Casting, wenn da jemand aus der Produktion kommen muss, um die Kandidaten zu animieren, etwas zu tun, was spannend ist, es fehlt die Initiative der Kandidaten. Die Animation ist auch plump.
Twipsy
13.04.2015 14:48 Uhr 3

Mmh, ich vermute mal, dass sich solche Leute nicht für ein solches Format hergeben würden, weil sie ganz gut ohne das auskommen?
Familie Tschiep
13.04.2015 15:21 Uhr 4


Man braucht dafür ja nur 2-4, die die anderen mitziehen.

Aber die muss man wirklich locken.
Blue7
13.04.2015 18:34 Uhr 5

Weil Talpa denen sagt was sie tun müssen und dürfen. Heißt doch keine Regeln :D
Burpie
13.04.2015 19:11 Uhr 6


Richtig! Das war/ist ja auch ein BB-Problem gewesen. Welcher "'Normalo" mit festem Job, intakter Familie und Freizeitleben gibt sich dafür her? Also müssen irgendwelche verkrachten Existenzen gecastet werden. Genauso wie dieser ganze andere Scripted-Müll ist, kann und soll das nicht das "Leben" zeigen, sondern nur irgendwelche wirren Emotionen und Konflikte hervor rufen. Zum Glück hab ich von diesem Experiment keine fünf Minuten gesehen, dafür ist mir meine Lebenszeit zu wertvoll...
Familie Tschiep
13.04.2015 21:33 Uhr 7


Das ist eher aus der Not geboren und macht daraus auch kein gutes Produkt, was die Zuschauer "begeistert".

Man darf die Zuschauer nicht unterschätzen. Ich glaube, sie können es zwar nicht genau beziffern, was sie stört, aber sie merken doch, das was fehlt. Echtheit wirkt anders.
QUEERmdb
14.04.2015 12:30 Uhr 8
Bei allem Verständnis für die Enttäuschung, aber was Authentizität angeht, sollte man schon zwischen BTUN und Newtopia differenzieren. Selbst mit Regieanweisung ist Newtopia realer als der ganze gescriptete Schwachsinn.
Sentinel2003
13.04.2020 19:16 Uhr 9
Auch, wenn ich mich jetzt nach mittlerweile schon 5 Jahren unbeliebt mache, aber mit hat das Format ganz gut sogar gefallen! Es war mal etwas anders, als das ständige "BB".
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