Die Kritiker

Hurra Hurra, die Schule brennt

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Die Kritiker: Der vorletzte Fall des Polizei-Duos um Horst Krause und Olga Lenski geht einem Bombenanschlag in einer Schule nach – und wird sich durch sein Drehbuch selbst zum Verhängnis.

Cast & Crew

Vor der Kamera:
Maria Simon («Good Bye, Lenin»), Horst Krause («Ein Mann, ein Fjord»), Corinna Kirchhoff («Zodiak - Der Horsokop-Mörder»), Kim Schnitzer («Zeit der Fische»), Annika Kuhl («Der Baader Meinhof Komplex»), Anselm Bresgott («Binny und der Geist»), Ludwig Simon (Sohn von Maria Simon), Rainer Sellien («Der Vorleser») u.v.m.

Hinter der Kamera:
Drehbuch: Kristin Derfler & Angelina Maccarone; Regie: Angelina Maccarone; Kamera: Florian Foest; Musik: Jakob Hansonis
„Da ist etwas explodiert, was schon seit Langem gärt“, erklärt Lehrer Otto Jentsch gegenüber Kommissarin Olga Lenski vielsagend. Tatsächlich scheint einiges an der Schule, um den sich der rbb-Krimi dreht, im Argen zu liegen. Die Schüler tanzen der unterrichtenden Referendarin Josephine Mayfeld auf der Nase herum, demütigen und beleidigen sie bis aufs Blut. Als die Situation eskaliert, schickt Rektorin Bärbel Strasser die angehende Lehrerin aus dem Klassenzimmer und übernimmt selbst den Unterricht. Eine Vielzahl an Handys und Tablets erbeutet die strenge Rektorin, die sich durch ihre kalte und kompromisslose Art nicht nur Feinde in den Klassenzimmern, sondern auch im Lehrerzimmer gemacht hat. Schwäche rächt sich, weiß die Beamte mit 30-jähriger Berufserfahrung. Um ein Haar rächt sich jedoch auch ihre harte Gangart, denn die Direktorin entgeht einem Sprengstoffanschlag in ihrem Büro nur knapp.

Während sich Dr. Strasser auf dem Gang befindet, wartet Referendarin Mayfeld im Büro der Schulleiterin auf eine Unterredung, fällt der Detonation einer Rohrbombe zum Opfer und entkommt nur knapp mit dem Leben. Der Anschlag ruft das Ermittlerduo Olga Lenski und Horst Krause zu ihrem nunmehr siebten gemeinsamen Fall auf den Plan. Wer könnte für die Bombe verantwortlich sein? Schüler der Problem-Klasse 10b, von denen einige unmittelbar vor den Prüfungen zum Mittleren Schulabschluss um einen Erfolg bangen, das Schulpersonal, das schon oft Dr. Strassers Kompromisslosigkeit zum Opfer fiel oder Eltern, die vor den Prüfungen für ihre Kinder noch etwas Zeit herausschinden wollen?

Es bleibt zu hoffen, dass der «Polizeiruf 110: Hexenjagd» nur als Warm-Up für den finalen Fall um Krause und Lenski zu verstehen ist, der die Arbeit des Duos am 10. Mai 2015 mit der Episode „Ikarus“ abschließt. Denn was Kristine Derfler und Co-Autorin Angelina Maccarone mit der neuesten Ausgabe auf die Bildschirme bringen, scheint reichlich undurchdacht. Der Krimi kommt zwar ohne Leiche aus, schreckt aber vor etlichen dramaturgischen Wendungen nicht zurück, die stark auf Kosten der Logik gehen und bei genauerer Betrachtung Szenarien abbilden, die aufgrund von zuvor gezeigten Handlungsabläufen schlicht nicht möglich sind. Zunächst einmal bemüht sich der 90-Minüter jedoch darum den Kreis der Verdächtigen gehörig zu erweitern und auch die Schüler ins Gespräch um den Anschlag zu bringen. „Die Jugend von heute hat schlechte Manieren und verachtet die Autorität. Sie widersprechen ihren Eltern, legen die Beine übereinander und tyrannisieren ihre Lehrer“, wusste nicht nur Sokrates, sondern auch Olga Lenskis Kollege im Revier. Diese scheinbar immer aktuelle Beobachtung wird dem Zuschauer in einer überzeichneten Klassenzimmer-Szene am Anfang von „Hexenjagd“ in aller Form deutlich gemacht.

Obendrein fürchten über 80 von insgesamt 89 15-Jährigen um ihren Mittleren Schulabschluss, was Krause und Lenski als Mordmotiv zunächst einmal genügt. Fahrlässig werden dabei andere potenzielle Bombenbastler außer Acht gelassen, zum Beispiel Chemielehrer und Vize-Rektor Rainer Zerbe, der ohnehin einen Groll gegen Dr. Strasser hegt und der sich nach polizeilicher Sicherung des Gebäudes zurück ins Chemielabor schleichen will, wo er von Hauptmeister Horst Krause gestoppt wird. „Gekränkter Vize mit Zugang zu Chemikalien – ist zu einfach, oder?“, tut Olga Lenski dieses Ereignis ab. Immerhin glänzen Maria Simon und Horst Krause als Ermittlerduo zumindest schauspielerisch und legen eine noch immer hinreißende Chemie an den Tag. Auch Corinna Kirchhoff überzeugt als eisenharte Bärbel Strasser, die unter den bewährten Figuren von Schulfilmen, welche überforderte Referendarinnen oder erfahrene, aber ausgebrannte Lehrer sowie vorlaute Klassenclowns zutagefördert, als einzige nicht blass bleibt. Sie sorgt für einige denkwürdige Zitate, die Dialoge, die dem Rest der Charaktere vom Drehbuch jedoch in den Mund gelegt wurde, wirken an vielen Stellen uninspiriert, an anderen sogar klischeehaft, gleichwohl man der authentischen und schlagfertigen Ermittlerin Lenski und dem erfahrenen Gegenpart Krause gerne zuschaut. Hölzern und oft wenig überzeugend spielen hingegen die Nebendarsteller an etlichen Stellen auf – ein weiterer Wermutstropfen in einem insgesamt unausgegorenen Fall.

Irrelevant sind des Weiteren die Szenen, die sich um Olga Lenskis Privatleben drehen. Fünf Minuten gewährt das Skript dieser Geschichte, was keineswegs reicht, um sich mit der Familiensituation der Kommissarin angemessen auseinanderzusetzen. Zuschauer, die zum ersten Mal einschalten, wird dieser Handlungsabschnitt schleierhaft bleiben, genauso wie eine Affäre innerhalb des Schulpersonals, die gleichermaßen im Sande verläuft. Relevanz besitzt hingegen die leise Kritik am Schulsystem, das von seinen Schülern mit Prüfungen im Alter von 15 Jahren schon verlangt, die Weichen für ihre berufliche Laufbahn zu setzen. Auch auf den großen Stress, den viele überforderte Lehrer im Angesicht ihrer problematischen Schüler haben, wird in dem betont ruhigen Fall, der auf einen Score fast komplett verzichtet, hingewiesen. «Polizeiruf 110: Hexenjagd» bildet eine Spirale ab, in der Eltern zu hohe Ansprüche an ihre Kinder haben, die Schüler diesen Leistungsdruck auf die Schule projizieren und daraufhin Lehrer aufgrund von Eskalationen im Unterricht resignieren.

Der «Polizeiruf 110: Hexenjagd» hält für seine Zuschauer trotz überzeugender Darbietungen der Hauptdarsteller uninspirierte Dialoge und Bilder sowie ein an vielen Stellen widersprüchliches Skript bereit. Verdächtige beschuldigen sich, obwohl sie selbst gemeinsam in die Tat verstrickt waren. Zeugen reagieren nach ehrlich gemeinten, aber logisch nicht möglichen Schilderungen geschockt, als die Wahrheit ans Licht kommt, obwohl sie es besser wissen müssten. Vermummte Personen sind trotz anderer Absicht des Drehbuchs zu erkennen und Motive entbehren vieler zugedrückter Augen, bis der Fall mit einer hanebüchenen Auflösung endet. Leider durchgefallen.

Der «Polizeiruf 110: Hexenjagd» ist am Sonntag, den 14. Dezember um 20.15 Uhr im Ersten zu sehen

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