Sonntagsfragen

Thomas Brezina: 'Orientiere mich an Produktionsweisen aus England'

von   |  4 Kommentare

Am Mittwoch eröffnet die Frankfurter Buchmesse. Quotenmeter hat zu diesem Anlass mit Thomas Brezina gesprochen. Der Österreicher hat mit seinen Büchern in Japan sogar «Harry Potter» überholt und ist jetzt für das komplette Kinderprogramm im ORF verantwortlich.

„Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns“, sagte Franz Kafka. Bücher sollen die Fantasie anregen, begeistern und berühren. Gerade deswegen sind sie auch oft als Film- und Serienvorlagen so gut geeignet. Der enorme Erfolg von Formaten wie «Game of Thrones» oder «Harry Potter» beweist, dass eine Buchvorlage, für viele Filme und Serien ein Erfolgsrezept ist. Doch bringen diese verschiedenen Medien auch immer Vor- und Nachteile mit sich, begrenzen die filmischen Szenarien doch oft die so freie Fantasie, die man beim Lesen einer Geschichte entwickelt. Anlässlich der am 08. Oktober beginnenden Frankfurter Buchmesse, hat sich Quotenmeter unter anderem mit dem Thema der filmischen Umsetzung von Büchern beschäftigt.

Zur Person: Thomas Brezina

Thomas Brezina begann bereits zu Schulzeiten mit dem Schreiben und hatte auch schnell Erfolg damit. Im Alter von 15 Jahren gewann er den „Großen Österreichischen Jugendpreis“, für sein Drehbuch zur Puppen-Fernsehserie «Tim, Tom und Dominik». Dann arbeitete Thomas Brezina beim Radio, wo er unter anderem Hörbücher schrieb. Beim österreichischen Fernsehsender ORF war er zunächst Regieassistent. Er stellte sein Talent aber zur Genüge unter Beweis und übernahm dort 2008 schließlich die Verantwortung für das Kinderprogramm «okidoki». 1990 hatte Thomas Brezina mit der Buchreihe «Die Knickerbocker-Bande» dann auch als Autor seinen Durchbruch, der Erfolg seiner interaktiven Kinderserie «Tom Turbo» aus den 90er Jahren ist bis heute ungebrochen. Auch am Theater feierte Brezina Erfolge. Zu seinen zahlreichen Tätigkeiten zählen heute also unter anderem das Schreiben, Produzieren und das Moderieren. Durch seine Erfahrung weiß er also genau, auf was es beim Fernsehen ankommt, wie er Kinder mit seinen Geschichten fesselt und fasziniert – und wo die heutigen Probleme des Kinderfernsehens liegen. Momentan ist Thomas Brezina mit den Dreharbeiten für seine neue, interaktive Wissensshow «Knall Genial» beschäftigt, mit Sendungen wie dem «Forscherexpress» bringt er Kindern schon seit Jahren spannende wissenschaftliche Fakten nahe.
Herr Brezina, Sie verantworten nun seit 2008 das ORF-Kinderprogramm «okidoki». Was war Ihre Motivation dafür, diese Aufgabe anzunehmen?
Das ist ganz einfach: Ich mache bereits seit 30 Jahren Fernsehen und das in verschiedenen Funktionen: Sowohl als Regisseur, als Präsentator als auch als Autor und ich habe verschiedene Sendungen gemacht. Dann die Möglichkeit zu bekommen, eben eine gesamte Programmfläche zu gestalten, auch im Ablauf und alles darum herum, ist eine gigantische Herausforderung und deswegen habe ich diese auch angenommen.

Gab es spezielle Punkte, die Sie im Kinderfernsehen verbessern oder verändern wollten?
Ja. Mein Hauptfokus lag auf repertoirefähigen Formaten, das heißt, große Qualität, die eben vielfach spielbar ist und die auch eine Haltbarkeit hat. Ich persönlich orientiere mich eher an Produktionsweisen aus England, weil ich zum Beispiel das BBC-Kinderprogramm für eines der besten öffentlich-rechtlichen Kinderprogramme überhaupt halte. Ich habe von dort sehr viel gelernt, eben auch Produktionsweisen. Das Budget wird ja immer kleiner: Wie kann man trotzdem große Qualität erhalten? Wie kann man das Beste daraus machen, welche Möglichkeiten und Tricks gibt es da? Dann habe ich auch mit sehr vielen Leuten aus England zusammengearbeitet. Ich habe mir überhaupt sehr viel Know-how von dort geholt.

Hat Sie Ihre Vorliebe für englische Romane dazu inspiriert, auch bei den Fernsehformaten einen Blick nach England zu werfen?
Nein. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Meine Schreibweise ist prinzipiell sehr anglophil, das war immer schon so, weil mich englische Literatur am Meisten angesprochen hat. Das ist eine ganz bestimmte Erzählweise, von der ich immer sehr beeindruckt war und die mich sehr geprägt hat, so schreibe ich in dieser Tradition und dieser Art meine Bücher, das ist die eine Sache. Die zweite Sache ist, dass ich in London lebe und ich dort sehr viele Leute kennengelernt habe, Designer zum Beispiel, die auf Kinderprogramme spezialisiert sind. So etwas gibt es bei uns relativ wenig. Aber dort gibt es eben Leute, die darauf spezialisiert sind und mit denen habe ich gerne zusammengearbeitet und arbeite ich noch immer zusammen, weil auch die Zugangsweise in England auf der einen Seite hoch kreativ- und auf der anderen Seite sehr pragmatisch ist und weil in England eben auch die Art und Weise, wie man zum Beispiel Charakter entwickelt, oft sehr viele Versuche und eine Annäherung braucht. Das ist dort alles Gang und Gäbe und es gibt praktische keine Eitelkeiten. Wenn man jetzt sagt, ‚das ist es noch nicht, da müssen wir noch weiter machen‘, dann ist das für englische Designer völlig normal und diese Arbeitsweise schätze ich auch sehr.

Und diese Arbeitsweisen wollten Sie dann auch nach Österreich bringen?
Das habe ich auch. Wir arbeiten hier bei der Umsetzung mit österreichischen Kollegen. In der Kreation habe ich englische Kollegen, die dann auch herkommen und sehr viel mit meinen Leuten arbeiten.

Sie sind beim ORF ja in verschieden Aufgabenbereichen tätig. Sie schreiben unter anderem Drehbücher, führen Regie und spielen auch selbst in Ihren Produktionen mit. Welche Tätigkeit gefällt Ihnen dabei am besten?
Oh, das kann ich ehrlich gesagt nicht werten. Etwas Neues zu entwickeln, ist immer unfassbar spannend, also das muss ich schon sagen. Das ist etwas, das mir ganz große Freude bereitet und wo ich auch sehr leidenschaftlich dahinter bin. Aber so bin ich das auch bei allen anderen Sachen. Es macht mir nach wie vor Freude, ich präsentiere auch nach wie vor gerne und ich schreibe wirklich unglaublich gerne.

Haben Sie denn ein Erfolgsrezept dafür, wie Sie es in so vielen Kunstformen geschafft haben, sich einen Namen zu machen? Immerhin sind Sie unter anderem im Fernsehen, im Theater und auch als Autor sehr präsent.
Also ich muss schon sagen, dass ich natürlich sehr viel arbeite und dass ich auch ständig lerne, sozusagen ununterbrochen. Dass ich ständig schaue, was ich noch lernen kann, aufnehmen kann, dass ich ständig schaue, was man noch verbessern kann und eben auch die verschiedenen Medien sehr genau studiere: was brauchen sie, was ist dafür notwendig - und dann stelle ich mir auch gute Teams zusammen. Und es ist wahrscheinlich auch meine Neugier auf die verschiedenen Medien. Im Grunde, wenn man alles wieder auf die Essenz zurückführt, ist es immer das Geschichtenerzählen, es gibt nur verschiedene Techniken - und diese Techniken kann man erlernen.

Haben Sie in Ihrer Jugend auch mal einen Schreibkurs besucht, oder haben Sie ihr Talent stets selbst weiterentwickelt?
Das habe ich völlig selbst entwickelt.

Schreibblockaden, das weiß ich heute, sind vor allem Müdigkeit. In dem Moment, wo so etwas auftritt, versuche ich die Disziplin zu haben, mich nicht zum Weitermachen zu zwingen - und nicht mit allem Kampf zu versuchen, es doch zu schaffen und mir mal ganz bewusst einen Tag freizunehmen, vielleicht auch zwei.
Thomas Brezina
Was machen Sie, wenn bei Ihnen mal eine Schreibblockade auftritt? Haben Sie eine bestimmte Taktik, um das zu bekämpfen?
Also Schreibblockaden, das weiß ich heute, sind vor allem Müdigkeit. In dem Moment, wo so etwas auftritt, versuche ich die Disziplin zu haben, mich nicht zum Weitermachen zu zwingen - und nicht mit allem Kampf zu versuchen, es doch zu schaffen und mir mal ganz bewusst einen Tag freizunehmen, vielleicht auch zwei. Ich gehe dann sehr, sehr viel spazieren, das ist für mich sehr wichtig und ich versuche mich abzulenken und meistens ist es dann schon nach einem Tag vorbei. Das hat wirklich mit Erholung zu tun. Oder es ist so, dass mich die Geschichte nicht fasziniert, dann muss ich etwas ändern. Oder es ist so, dass ich mich selber zu sehr unter Druck setze, auch das kann nur ich ändern. Das kenne ich heute alles, ich muss auf Holz klopfen, Gott sei Dank habe ich dieses Problem nicht sehr oft.

Hatten Sie bei der Organisation Ihrer zahlreichen Aufgaben des Öfteren Probleme, oder sind Sie einfach ein Organisationstalent?
Ich bin sehr diszipliniert. Das ist die eine Sache. Und die zweite Sache ist, dafür habe ich natürlich auch ein wunderbares Team um mich, das mein Arbeitsleben sehr gut koordiniert und organisiert und das mir dabei sehr hilft.

Wie kam es dazu, dass Sie sich gerade auf Kindergeschichten spezialisiert haben?
Seit ich ein Kind bin ist es das, was mich am meisten interessiert und fasziniert. Das ist der Grund.

Wussten Sie bereits, dass Sie das Schreiben zum Beruf machen wollen, als Sie in jungen Jahren damit anfingen, oder gingen Sie damals einfach Ihrem Hobby nach?
Ich hätte mir nicht in zehn Millionen Jahren träumen lassen, dass ich heute das mache, was ich tue. Nie. Dass es sich alles so entwickelt hat und so gekommen ist, ist für mich einfach absolut großartig. Ich habe zu allen Herausforderungen immer ja gesagt und habe so immer weitergemacht. Dass das einmal daraus wird, dafür bin ich unendlich dankbar.

Haben Sie neue Aufgabenbereiche auch einmal eingeschüchtert? Sind Sie vielleicht sogar manchmal mit Angst an neue Herausforderungen herangegangen?
Mit Angst gehe ich an nichts heran. Mit großem Respekt auf jeden Fall und dass ich mir manchmal gedacht habe ‚oh wie wird das jetzt‘, wie zum Beispiel beim Kinderprogramm, das waren wirklich viele unruhige Nächte, nennen wir es mal so, das ist normal. Aber im Endeffekt gehe ich immer mit Leidenschaft und mit Begeisterung in eine Sache hinein, dass man dann nervös und aufgeregt ist, das gehört sich.

Was macht für Sie den großen Unterschied zwischen der Tätigkeit des Autors und der des Moderators aus?
(überlegt) Wissen Sie, da muss ich jetzt ganz ehrlich sagen, es sind wirklich zwei so verschiedene Tätigkeiten. Bei dem einen sitze ich und schreibe eine Geschichte, beim anderen stehe ich vor einer Kamera und im Endeffekt erzähle ich ja wieder eine Geschichte, aber ich erzähle sie eben verbal. Das sind einfach so verschiedene Tätigkeiten, darauf weiß ich keine Antwort. Aber im Endeffekt ist, was ich immer mache und versuche, gelöst und ehrlich an die Sachen heranzugehen. Das heißt ganz einfach, auch als Präsentator zum Beispiel, dass ich einfach versuche es zu machen, ohne darüber zu grübeln ‚wie soll das sein‘ oder so etwas. Die Sache lebt davon, dass ich ich bin und dass ich haargenau weiß, worüber ich rede und dass ich – und alle Menschen, die um mich herum sind - das sehr ernst nehme. Wenn ich schreibe, lebt es auch davon, dass ich in den Flow komme, das heißt, dass ich von allen Zweifeln und Ängsten befreit schreibe. Später überarbeitet man den Text ja sowieso noch.

Haben Sie für Ihre Geschichten eine bestimmte Inspirationsquelle? Oder arbeitet Ihr Kopf einfach unermüdlich und ist permanent damit beschäftigt, sich neue Geschichten auszudenken?
Meine Inspirationen sind Menschen: was mir Menschen erzählen, was mir Kinder erzählen. Meine Inspiration ist immer wieder, was ich bei Recherchen entdecke – ganz egal wo. In Zeitungen, im Internet oder auf Reisen. Das inspiriert mich sehr. Eine ganz große Inspirationsquelle ist für mich seit 20 Jahren die Stadt London, weil ich dort so viele Dinge entdecke, so viele kuriose Menschen und so weiter. Das hat mich immer sehr inspiriert und tut es ungebrochen.

Im zweiten Teil des Interviews, das am Donnerstag erscheint, spricht Brezina über die Buch-Reihe «No Jungs» und in welche Richtung er das Kinderfernsehen in Deutschland und Österreich gehen sieht.

Kurz-URL: qmde.de/73594
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Es gibt 4 Kommentare zum Artikel
Anonymous
07.10.2014 21:11 Uhr 1
Danke für das Interview. Herr Brezina ist eine Person, die ich sehr faszinierend finde.

Bin sehr gespannt auf den zweiten Teil. Bitte mehr von solchen Macher-Interviews!
Anonymous
08.10.2014 01:39 Uhr 2
Freue mich auch auf den zweiten Teils des Interviews.



Als Kind fand ich das österreichische Kinderfernseher immer besser. Und eine Folge Tom Turbo kann man sich sogar heute noch als Erwachsener ansehen, obwohl man dann alles mit anderen Augen sieht.



Wichtig ist bei so kreativen Köpfen wie Thomas Brezina, dass man bei einfach merkt, dass er den Großteil seiner Arbeit gerne macht. Ob bei seinen Büchern oder seinen TV-Geschichten.



Leider gibt es nicht mehr viele Menschen im Medienbereich, die etwas für die Zuschauer produzieren, dass sie selbst gerne sehen.
Säqirjënn
08.10.2014 12:30 Uhr 3
Ja, sehr schönes Interview. Er war lange Zeit mein Lieblingsautor. Auch heute bleibe ich manchmal bei Tom Turbo hängen, wenn ich beim Zappen über das ORF-Kinderfernsehen stolpere.
Anonymous
08.10.2014 21:41 Uhr 4
I am a Japanese and live in Austria. I do not think that the books of Thomas Brezina have been sold more than "Hally Potter". Actually most of his books have not been translated into Japanese, and the translated ones do not sell well, either. The interviewer may have seen the Wikimedia page of Thomas Brezina. It is written there that his books have been sold more than "Hally Potter" in CHINA.
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