Sonntagsfragen

'Ich finde, dass jeder eine ungeheuerlich komplizierte Persönlichkeit hat'

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Zum Free-TV-Start der ersten Staffel «Perception» spricht Quotenmeter.de mit den Hauptdarstellern Eric McCormack und Rachael Leigh Cook darüber, ob komplizierte Figuren schwer zu spielen sind, über Neurorecht und den Einfluss von Twitter.

Davon handelt «Perception»:

Daniel Pierce (Eric McCormack) ist passionierter Neuropsychiater, wovon auch das FBI Wind bekommt, das den geistig nicht völlig gesunden Exzentriker zur Aufklärung schwieriger Mordfälle anwirbt. Pierce sagt zu und bekommt mit der taffen Jungermittlerin Kate Moretti (Rachael Leigh Cook) eine alte Bekannte an die Seite gestellt. Kate ist eine ehemalige Studentin Pierces und verehrte ihn schon damals. Dank ihrer Erfahrung im Umgang mit Pierce kann sie auch über seine Macken hinwegsehen, die andere Menschen nicht ausstehen können – und so wird aus den beiden ein viel versprechendes Ermittlerteam ...
Was war für euch die jeweils größte Herausforderung bei der Darstellung eurer Figuren?
Rachael Leigh Cook: Die größte Herausforderung für mich war es, bei all den Storylines und ausführlichen Dialogen, die in «Perception» vorkommen, die Übersicht zu bewahren. Vor allem deshalb, weil wir stets zwei Episoden auf einem Schlag filmen, so dass wir eine steile Lernkurve zu überwältigen haben, wenn wir unseren Text verinnerlichen.

Eric McCormack: Die Fälle, die Rachels Figur Kate Moretti mitbringt, sind zwar das, was die Story vorantreibt, was der Serie aber ihre Energie verleiht, sind die Rastlosigkeit und die Unbarmherzigkeit meiner Figur Dr. Daniel Pierce. Und das kann sehr erschöpfend sein – deshalb würde ich sagen, dass es für mich die größte Herausforderung ist, mit seinem manischen Tempo körperlich und geistig mitzuhalten.

Pierce ist eine außerordentlich unberechenbare, exzentrische Figur, die viel Aufmerksamkeit auf sich zieht, während Kate mehr Bodenhaftung hat. Dennoch ist sie eine denkwürdige Figur – wie schaffst du es, dich nicht von Eric überschatten zu lassen, Rachel?
Rachael Leigh Cook: Ich nehme es mir gar nicht zum Ziel, in meiner Rolle der Kate denkwürdig zu sein. Ich sehe meine Aufgabe darin, mich der Serienhandlung in den Dienst zu stellen. Und es ist wunderbar, mit Eric zusammenzuarbeiten, so dass es mir sehr leicht fällt, mich von seiner Figur begeistern zu lassen, was wiederum meiner Rolle zugutekommt, da Kate glaubt, dass Pierce in allem, was er tut, recht hat.

Eric McCormack: Kate ist die einzige Person in Pierces Leben, die Tag für Tag Verständnis für ihn hat und ihn auf den Boden der Tatsachen zurückholt, wenn er zu verrückt wird. Sie ist aber von Leuten umgeben, die Pierce nicht verstehen, und wir lieben sie dafür, dass sie ihr Verständnis für ihn trotzdem nicht verliert. Und das ist in meinen Augen ein wichtiger Aspekt, der dabei hilft, Kate als Figur unvergesslich zu machen.

Eric, es gibt derzeit eine wahre Flut an Kriminalserien über geniale, aber problembehaftete Helden. Wie stellst du sicher, dass Pierce hervorsticht, obwohl es so viele Figuren dieser Art?
Eric McCormack: Pierce leidet unter einer besonderen Krankheit, und zwar unter paranoider Schizophrenie. Das allein setzt ihn bereits ab. Er ist außerdem ein Professor, so dass ein Teil der Serie in einer Universität spielt, was ebenfalls einmalig ist. Die erste und letzte Szene zeigt Pierce, wie er eine Vorlesung hält, und diese Sequenzen sind für mich der Schlüssel zur Serie. Sie zeigen nämlich, welch Energie Pierce dabei hat, sie zeigen, wie sehr er es liebt, sein Wissen mit Menschen zu teilen – selbst wenn er es draußen, in der realen Welt selten so gut hinbekommt wie in seinen Vorlesungen, weil er da nicht dieselbe Souveränität an den Tag legt. Aber da wir jede Episode mit einem selbstbewussten, engagierten Mann beginnen, der das Lehren liebt, verzeihen wir ihm viele seiner Makel, die später ersichtlich werden. Das Zusammenspiel dieser Elemente hebt ihn für mich von anderen Serienhelden ab.

Aufgrund seiner Erkrankung ist Pierce eine schwer vorhersehbare Figur – was wiederum zur Folge haben könnte, dass Zuschauer ihn als inkonsistent geschrieben erachten. Wie stellst du als Schauspieler sicher, dass dem Publikum klar wird, dass Pierce trotz großem Wankelmut eine in sich schlüssige, breit gefächerte Rolle ist?
Eric McCormack: Ich finde, dass jeder eine ungeheuerlich komplizierte Persönlichkeit hat, selbst ohne psychische Erkrankung. Im Fernsehen, vor allem bei Kriminalserien, verschwand zeitweise der Reiz des Komplexen von der Bildfläche. Stattdessen standen lange Zeit die Forensik und das Lösen des Falls im Vordergrund. Und mein Eindruck, wenn ich mir solche Serien angeschaut habe, war stets, dass die Darsteller in solchen Serien es sehr schwer hatten, gerade weil ihre Figuren keine Widersprüche aufgezeigt haben. Pierce dagegen ist in einem Moment selbstsicher und im nächsten total verängstigt, und dann wieder wütend – ich finde es darstellerisch viel einfacher, bei solch einem Skript glaubwürdig zu sein. Ich denke, es wäre eine größere Herausforderung, durchgehend den heroischen, stoischen Ermittler zu mimen.

Was fällt euch als langjährige Serienschauspieler generell schwerer: Eine Figur in den ersten Episoden eines Formats formen, oder diese Figur im Laufe der Jahre weiterzuentwickeln, dabei aber trotzdem sicherzustellen, dass sie sich treu bleibt?
Rachael Leigh Cook: Ich finde ersteres schwerer. Bei der Pilotfolge hast du zwar eine klare Vorstellung davon, was du mit deiner Figur vorhast, du bist aber noch im Unklaren darüber, welchen Tonfall die Serie entwickeln wird, welche Bedeutung du für den gesamten Mythos der Show hast und in welcher Beziehung deine Figur mit den restlichen Charakteren steht. Und es stimmt zwar, dass du später nie genau weißt, was mit deiner Rolle kommende Woche geschieht ... Ihre Persönlichkeit kann sich entwickeln, ihre Weltsicht kann sich radikal verändern, aber das haben Serien ja mit dem wahren Leben gemeinsam. Dinge ändern sich und man kann das nicht immer vorhersehen. Einen ersten Ansatz zu finden ist für einen Schauspieler hingegen ein sehr steiniger Weg.

Eric McCormack: Ja, und in diesem Fall war es eine besonders schwere Geburt. Bei anderen Serien kümmerst du dich erst um die Pilotfolge und gehst davon aus, dass sich danach der Rest schon entwickelt und dir neue Ideen kommen. Mit dieser Figur konnte ich das nicht einfach so machen, ich musste sichergehen, dass ich es von Beginn an richtig hinkriege, also war ich gezwungen, von vornherein viele Entscheidungen zu treffen, wie ich Pierce spielen möchte. Und dann musste ich mich daran halten. Also ja: Es ist kniffliger, eine Figur noch vor dem Dreh der eigentlichen Serie zu erschaffen. Diese Charakterisierung später beizubehalten und auszuloten ist im Vergleich einfacher.

Erfahrt ihr bei «Perception» also bloß Stück für Stück, was geschieht, oder haben euch die Autoren und Showrunner anfangs eine grobe Übersicht geben, wohin der Weg euch führen wird?
Eric McCormack: Nein, wir hatten anfangs keinen blassen Schimmer. Wir haben den Piloten vor nunmehr vier Jahren gedreht, dann mussten wir rund acht Monate warten, bevor wir die restliche erste Staffel filmten konnten und dann dauerte es nochmal acht oder neun Monate, bis sie überhaupt gesendet wurde. Es war für uns also ein langer Weg, bis wir in den geregelten Rhythmus der zweiten und dritten Staffel gelangt sind. Und obwohl wir die Idee zur Serie sehr mochten, konnten wir zu Beginn nicht einschätzen, wie viele Fälle die Idee tragen kann. Wie sich gezeigt hat, kann sie mehr tragen, als ich gedacht habe. Die Autoren sind richtig gut darin, bei ihren Recherchen interessante psychische Erkrankungen aufzutun und dann in ihren Drehbüchern faszinierende Fragen darüber zu stellen, wie sie für Kriminelles genutzt werden können. Oder auch darüber, wieso manche Verhaltensstörungen als gefährlich missverstanden werden, obwohl sie es nicht sind. Und mittlerweile habe ich erkannt, dass es dahingehend noch viele Geschichten zu erzählen gibt.

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Es gibt 1 Kommentar zum Artikel
Sentinel2003
04.10.2014 13:12 Uhr 1
Tolles Interview!!
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