First Look

«Kirstie»: Klassentreffen der Sitcom-Stars

von

Drei Darsteller aus «Cheers» und «Seinfeld» lassen alte Comedy-Zeiten wieder aufleben. Funktioniert das Revival des 90er-Humors?

Hinter den Kulissen

  • Erfinder: Marco Pennette (Showrunner bei «Ugly Betty», «Animal Practice»)
  • Darsteller: Kirstie Alley («Cheers», «Kuck mal, wer da spricht»), Rhea Perlman («Cheers»), Michael Richards («Seinfeld», «The Michael Richards Show»), Eric Petersen
  • Gastauftritte: u.a. Jason Alexander («Seinfeld»), Richard Burgi («Desperate Housewives»), Kristin Chenoweth («Pushing Daisies»), George Wendt («Cheers»), John Travolta («Kuck mal, wer da spricht», «Pulp Fiction»).
Es ist wie eine Reise in eine frühere Fernsehzeit. Ohne Meta-Ebene, popkulturellen Zeitgeist-Humor, ohne Subtilität. Die neue US-Sitcom «Kirstie» wirkt wie ein Relikt aus den 80er und frühen 90er Jahren, als das Genre noch unschuldige Glanzzeiten erlebte, bevor «Seinfeld» die Sitcom-Welt revolutionierte. Umso spannender, dass die neue Show mit Hollywood-Star Kirstie Alley gleich mehrere Hauptdarsteller aus den spannendsten Phasen der Sitcom vereint: ihre Kollegin Rhea Perlman und sie selbst aus gemeinsamen «Cheers»-Zeiten sowie Michael Richards aus «Seinfeld». Später in der Staffel wird Jason Alexander – George in «Seinfeld» – auch noch einen Gastauftritt haben.

So old-school wie die Darsteller fühlt sich auch die Sitcom selbst an. Aber ist das nun gut oder schlecht? Immerhin zeigt sich in den ersten Folgen von «Kirstie», dass Perlman und Richards ihr Comedy-Handwerk keineswegs verlernt haben. Und während Perlman nicht mehr den kratzbürstigen Charakter gibt, den sie in «Cheers» als Kellnerin Carla innehatte, knüpft Richards an seine ikonische Rolle als Kramer gefühlt nahtlos an: Als wären kaum 15 Jahre vergangen, übt sich der Schauspieler in übertriebenen Gesten, donnernden Anklagen, spastischer Mimik wie zu seinen besten Zeiten.

Die beiden Sitcom-Urgesteine spielen die Assistentin und den Chauffeur von Madison Banks (Kirstie Alley), einer selbstverliebten Broadway-Schauspielerin, die in ihrer eigenen Glamour-Welt lebt. Die Story ist schnell erzählt: Eines Abend nach der Vorstellung trifft Banks auf ihren verstoßenen Sohn Arlo, der nach dem Tod seiner Adoptivmutter die Nähe zu seiner leiblichen Mutter sucht. Der 26-Jährige ist – wie sollte es anders sein – das Gegenteil von Banks: treudumm, naiv, unprätentiös. Banks tut sich schwer mit der neuen Situation – ihr altes Leben ist vorbei, sagt sie, komplimentiert Arlo aus der Wohnung und drückt ihm ein Buch in die Hand: „Wenn du noch irgendwelche Fragen hast, hier ist meine Autobiographie.“

Gags von solcher Sorte hat «Kirstie» am laufenden Band, und zumeist fühlt man sich damit angenehm unterhalten. Es ist platter, klassischer Humor, den die Sitcom zum Standard erhebt. Sie steht in der Tradition weiterer Formate ihres Senders TVLand – wie «Hot In Cleveland» oder «Sullivan & Son».

Wie «Kirstie» haben diese Serien eine hanebüchene Prämisse, über die Zuschauer nicht zu lange nachdenken sollten – sie ist schließlich nur der Anlass für die eigentliche Comedy-Situation, die erschaffen werden soll. «Hot In Cleveland» (Logo) schickt Hollywood-Starlets und Betty White zufällig nach Ohio, wo sie mit der Landbevölkerung anbandeln. Und in «Sullivan & Son» kommt ein erfolgreicher New Yorker Anwalt nach Pittsburgh, um dort die Bar seiner Eltern zu verkaufen – bevor er sich plötzlich entscheidet, das Geschäft selbst weiterzuführen.

Diese TVLand-Formate haben mit «Kirstie» auch gemeinsam, dass sie wie Relikte aus früheren Sitcom-Zeiten wirken. Vor allem bei «Sullivan & Son», das wie eine radikale «Cheers»-Kopie wirkt, funktioniert dies hervorragend. «Kirstie» selbst fehlt in den ersten Episoden noch der Schwung. Dies liegt nicht zuletzt an Hauptdarstellerin Kirstie Alley selbst, die gehemmt spielt, manchmal zu pathetisch, manchmal zu gleichgültig.

Vielleicht soll gerade die Rolle der Broadway-Diva so erscheinen – aber man bekommt den gegensätzlichen Eindruck, dass es nicht ihr Charakter ist, der so steif und starr wirkt, sondern Alley selbst. Als wäre sie in einem zu engen, weil zu traditionellen Sitcom-Korsett gefangen, aus dem sie ausbrechen möchte. Angesichts ihrer jüngeren Vita wäre das nicht verwunderlich: 2005 experimentierte Alley mit ihrer Showtime-Sitcom «Fat Actress» auf einer ganz anderen Comedy-Ebene: innovativ, selbstreferentiell und satirisch. Dort spielte sie ihr fiktionales Ich, 2010 dann war sie ganz sie selbst, in ihrer Sitcom «Kirstie Alley’s Big Life». Nun also zurück zum einfachen, übertriebenen Humor einer anderen Fernsehzeit. Alley fällt es schwer, diesen Weg mitzugehen.

Zum Glück aber wirkt der Rest stimmig, die Gagdichte ist hoch. Und allein wegen Michael Richards lohnt das Anschauen. Vielleicht wird auch Kirstie Alley mit ihrem neuen Format noch warm: Am Ende der zweiten Folge, nach einem großen Streit, versöhnt sie sich mit ihrem ‚verlorenen‘ Sohn. Richards Charakter beobachtet die Szene, ist gerührt: „Das ist wie bei «Bambi». Nur dass die Mutter diesmal zurückkommt.“

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