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ZDF: Fußball soll’s richten

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Der kontinuierliche Quoten-Abwärtstrend soll beim ZDF endlich gestoppt werden: mit einer neuen Führungsmannschaft und mit der Champions League im Gepäck. Aber andere Programmbaustellen sind noch zu kitten – eine Analyse.

Season


Mit einem Marktanteil von zwölf Prozent hat das ZDF die leichte, aber kontinuierliche Talfahrt der vergangenen Jahre fortgesetzt: Betrachtet man die Einschaltquoten der zurückliegenden TV-Seasons, welche die Werte von September bis Mai berücksichtigen, so hat das ZDF seit der Saison 2004/05 nicht ein Mal seinen Marktanteil verbessern, geschweige denn halten können. Vor diesen acht Jahren lag die Durchschnittsquote des ZDF noch bei 13,4 Prozent, in der nun abgelaufenen Saison 2011/12 bei 12,0 Prozent – der schlechteste Wert seit langer Zeit. Monate, in denen es noch schlechter lief – beispielsweise im März mit nur 11,1 Prozent Marktanteil –, geben Anlass zur Beunruhigung: Um die nun drohenden historischen Tiefstwerte zu vermeiden, müssen die ZDF-Verantwortlichen also schnellstens auf Kurs kommen.

Die Baustellen


Aufgestellt hat man in Mainz seine neue Mannschaft bereits für die Modernisierung des Programms: Intendant Markus Schächter wurde im März durch Thomas Bellut (Foto) ersetzt, der sich mit der ab September beginnenden TV-Saison erstmals richtig messen lassen muss. Belluts Nachfolger als Programmdirektor ist Norbert Himmler, der zuvor den Digitalkanal ZDFneo aufbaute und die dort erlernten Innovationsimpulse nun auch im Hauptprogramm setzen soll. Weiterhin wurde erst vergangene Woche mit Oliver Fuchs ein neuer Unterhaltungschef gewählt; mit ihm will sich das ZDF weiter verjüngen. Wenn Fuchs seine Aufgabe in einigen Monaten beim ZDF antritt, wird aber auch er ein großes Problem feststellen: Zur Verwirklichung starker TV-Ideen fehlt möglicherweise das Geld.

Denn großen Handlungsspielraum hat das ZDF in Sachen Finanzen nicht – im Gegenteil: Die öffentlich-rechtlichen Sender müssen sparen, weil die GEZ-Gebühren auch nach Einführung der Haushaltspauschale vorerst nicht steigen werden. Die Folge: In Mainz spart man bis 2016 unter anderem 75 Millionen Euro beim Personal – beispielsweise auf Kosten von TV-Beiträgen freier Mitarbeiter oder weniger Angestellten bei Events wie den Olympischen Sommerspielen 2012.

Aber wo im Programm gibt es Baustellen? Im Umfeld der Primetime hat das ZDF im Vergleich zu anderen Sendern kaum Probleme: Der Vorabend ist mit den altbekannten Krimiserien erfolgreich, am Spätabend bieten Comedy-Formate wie «Neues aus der Anstalt» oder jüngst die «heute-show» eine perfekte Mischung aus Qualität und Quote – so, wie es das ZDF nicht besser machen könnte. Mit «Markus Lanz» ist man nach 23 Uhr sogar meist Marktführer. In der Primetime aber muss die ZDF-Mannschaft ansetzen.

Unantastbar ist der Fernsehfilm der Woche am Montagabend, der qualitativ immer wieder Akzente setzt und zudem oft gute Quoten einfährt. Am Dienstag versucht man seit vergangenem Jahr eine Doku-Reihe unter dem Titel «ZDFzeit» zu etablieren – zunächst mit niedrigen Marktanteilen mehr schlecht als recht. In den vergangenen Wochen punktete die Sendung aber mit royalen Themen wie dem Thronjubiläum der britischen Queen. «ZDFzeit» wird sich der Sender leisten wollen und müssen – denn an den meisten Wochentagen dominiert ohnehin Fiction das Abendprogramm: So nicht nur am Montag mit dem Fernsehfilm, sondern auch am Donnerstag mit Blockbustern, am Freitag mit deutschen Serien, am Samstag oft mit hauseigenen Krimiformaten und am Sonntag mit leichter Romantik-Kost aus dem Hause Rosamunde Pilcher und Co.

Das fiktionale Programmangebot in der ZDF-Primetime ist vergleichsweise hoch – dies hat auch eine Stichprobe des Programmberichts 2011 der Landesmedienanstalten ergeben. Lediglich am Mittwoch setzt das Zweite regelmäßig auf non-fiktionale Show-Unterhaltung mit Jörg Pilawa oder der erfolgreichen Ermittler-Sendung «Aktenzeichen XY…ungelöst» – und dort wird ab Herbst der Fußball auch noch Sendezeit wegnehmen.

Die Chancen


Besser stellen wird sich das ZDF automatisch durch die neuen Ausstrahlungsrechte an der UEFA Champions League, mit der man größtenteils mittwochs auf Sendung gehen wird. Wie aber verfährt der Sender nun mit Show-Formaten wie «Rette die Million»? Am Mittwoch können diese nur noch unregelmäßig eingesetzt werden; der hohe Anteil fiktionaler Primetime-Unterhaltung bliebe erhalten. Gerade wegen der Champions League böte sich nun also die Chance, einen zweiten, dann wieder regelmäßigen Show-Tag zu finden und dafür die Fiction-Unterhaltung etwas zu drosseln, auch wenn diese größtenteils erfolgreich im Programm ist. Realistisch ist ein solcher großer Umbau aber wohl vorerst nicht, da man wohl auf Formatideen des neuen Unterhaltungschefs Oliver Fuchs warten will.

Größere Änderungen in der Primetime wird es abseits des Fußballs also vorerst kaum geben – erst für 2013 werden sich die Verantwortlichen wohl wegen einer Umgestaltung der Primetime Gedanken machen, so wie sie Das Erste im Jahr 2011 vollzogen hat. Auf dem Prüfstand werden dann neben der Unterhaltung auch die Informationsformate stehen – nicht nur solche wie «ZDFzeit», sondern auch etablierte Sendungen wie «Frontal 21», das zuletzt kaum mehr zweistellige Marktanteile erreichte. Auch die «heute»-Sendungen sind in Zeiten digitaler Informationsangebote mehr denn je gefragt, ihren Wert unter Beweis zu stellen – auch hier mit hoffentlich neuen Elementen, damit mehr Zuschauer um 19 oder 21.45 Uhr gezielt zum ZDF schalten.

Auf lange Sicht braucht es also Ideen oder – wie Bellut selbst sagt – Visionen von klugen Köpfen wie Norbert Himmer (Foto), Chefredakteur Peter Frey und Oliver Fuchs, dessen Engagement aber wohl erst Ende 2012 beginnen wird. Qualitätsfernsehen wie bei der «heute-show» muss wieder zu einer allumfassenden Marke des ZDF werden. Dies geht aber nur bedingt, wenn man solche Sendungen wie «nachtstudio» oder «Das philosophische Quartett» einstellt, auch wenn diese nur ein kleines Publikum erreichen, und gleichzeitig mit ZDFneo und ZDF.kultur zwei junge Digitalsender betreibt, deren Programmkonzept sich bisher nur marginal trennen lässt.

Besonders wegen Allheilmittel Fußball sehen die Mainzer dennoch einem erfolgreichen Primetime-Herbst entgegen. Sollten dann auch noch die teils arg schwachen Info-Formate wie «ZDFzeit» oder auch «ZDFzoom» zumindest halbwegs ordentliche Marktanteile in Regelmäßigkeit erreichen, dürften sich die ZDF-Durchschnittsquoten nach Jahren des Abstiegs auch endlich wieder nach oben bewegen. Erst 2013 wird das Zweite wohl große Neuerungen wagen (müssen) – vor allem im Unterhaltungsbereich: Dann hat sich Markus Lanz bei «Wetten, dass..?» eingespielt und muss langfristig gute Zuschauerzahlen einfahren, dann sollte das ZDF wieder einen regelmäßigen Show-Sendeplatz finden, dann können vielleicht und endlich auch Joko und Klaas im ZDF-Hauptprogramm für nötige Frische sorgen – sollte ProSieben nichts dagegen haben. 2012 und das ZDF: Die Mannschaft ist aufgestellt, die Probleme sind erkannt. Nun gilt es, ohne Hast nach Lösungen zu suchen. Es ist vielleicht die Ruhe vor dem Sturm auf dem Mainzer Lerchenberg.

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