Hingeschaut

«DSDS Kids»: Wenn man Kinder in die Primetime lässt

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Um nach der neunten Staffel von «Deutschland sucht den Superstar» nicht sofort wieder für ein Jahr aus dem Casting-Geschäft zu verschwinden, beschloss RTL, einen eigens für die heranwachsende Generation Ableger namens «DSDS Kids» auf die Zuschauer loszulassen. Doch leider präsentiert sich diese Idee mehr ideenlos als abwechslungsreich.

Gerade einmal eine Woche blieb den möglicherweise bereits den RTL-Castingsshows überdrüssig gewordenen Zuschauern, um zu Verschnaufen und sich von Pyro-Effekten, teilweise mehr schlechtem als rechtem Gesang und gewöhnungsbedürftigen Jurykommentaren zu erholen. Am Samstag, exakt sieben Tage nach der Krönung von Luca Hänni zum neuen, deutschen "Superstar" bittet Pop-Titan Dieter Bohlen erneut zum Stelldichein von zehn jungen Nachwuchssängern. Das Wort "Nachwuchs" darf in diesem Zusammenhang besonders wörtlich genommen werden.

Denn wo bislang eigentlich die Casting-Show «Das Supertalent», ebenfalls bei RTL und ab Herbst mit der sechsten Staffel am Start, als Auffangbecken für singende Kinder herhalten musste, schuf Dieter Bohlen, vermutlich im Zuge geistiger Umnachtung, einen eigens auf die heranwachsende Generation zugeschnittenen Ableger von Deutschlands erfolgreicher Castingshow. Der Titel: «DSDS Kids» – und der Name ist Programm. Doch welchen Sinn macht ein Talentwettbewerb für junge Leute, die sich zum Teil noch im Grundschulalter befinden und bei denen man sich fragt, ob wirklich der kleine Künstler den Anmeldebogen für die Sendung ausgefüllt hat, oder ob es doch die ehrgeizigen Eltern waren?

Im obligatorischen Schnack mit der Jury berichtet Dieter Bohlen, dass die Minis den Chefjuror selbst zur Showidee inspirierten. Der Run auf «DSDS» sei groß gewesen, gerade von den für die Show noch viel zu jungen Kandidaten, sodass aus dieser Misere, die Kleinen immer wieder vertrösten zu müssen, «DSDS Kids» entstand. Dass diese nett erzählte Geschichte der Wahrheit entspricht, darf bezweifelt werden. Denn es steht außer Frage, dass Dieter Bohlen auch für seine Jury-Tätigkeit bei «DSDS Kids» wieder ordentlich Geld erhalten wird, um RTL mit sich selbst zu einer ordentlichen Quote zu verhelfen. Unterstützt wird er dabei von einem seltsamen Damen-Duo. Offenbar nutzte man das bereits aus dem «Supertalent» bekannte "zwei Damen mit ausländischem Akzent plus der Dieter"-Schema, denn man griff auf Dana Schweiger, Gattin vom deutschen Hollywood-Export Til Schweiger, sowie auf eine alte «DSDS»-Bekannte zurück: bereits in den ersten beiden Staffeln beglückte die blonde Schweizerin Michelle Hunziger das Publikum mit ihrer Anwesenheit als Moderatorin, in «DSDS Kids» nun sitzt sie in der Jury.

Was RTL zur Verpflichtung der beiden Grazien bewog, kann man sich möglicherweise damit erklären, dass die zwei immer wieder an der Seite ihrer Kinder Schlagzeilen machten. Im Falle von Dana Schweiger äußerst positiv, gilt sie doch als eine Promi-Gattin, die vorbildlich das Privatleben ihrer Kinder zu schützen vermag. Dass ausgerechnet sie nun als Jurymitglied in einer Show auftritt, in der Kinder in die Öffentlichkeit gezerrt werden, sieht RTL wohl als Eigenwerbung im Hinblick auf Zweifler und Jugendschützer. Um diese außerdem vorab zu besänftigen, verzichtete man auf eine Live-Ausstrahlung der Talentshow und zeichnete die ersten drei Ausgaben vorab auf. Wie das Live-Abstimmungsverfahren mit den aufgezeichneten Shows harmonieren soll, wird allerdings nicht erklärt. Lediglich das kurz vor der Ergebnisverkündung eingeblendete "Live" neben dem RTL-Logo deutet darauf hin, dass die kleinen Sängerinnen und Sänger tatsächlich von den Anrufen der Zuschauer weitergewählt wurden. So ganz erschließt sich dem Zuschauer der Übergang von "Live on Tape" zu "Live" jedoch nicht.

Neben einer eigens zusammengewürfelten Jury erhielt der «DSDS»-Ableger außerdem einen neuen, jungen Moderator. Mit Daniel Aßmann griff der Kölner Sender zu einem absoluten Frischling in der Moderatoren-Riege. So machte der ehemalige «Focus TV»-Praktikant bislang vor allem als Moderator bei GIGA auf sich aufmerksam. Doch auch wenn sein Primetime-Debut in der zweistündigen Show noch ein wenig steif und stellenweise nervös wirkt, so entpuppt sich der sympathische Newcomer als Glücksgriff für das Format. Seine Interaktion mit den Kindern ist absolut souverän, er verzichtet auf billige Floskeln und hebt sich damit angenehm von dem mittlerweile ausrangierten Marco Schreyl ab.

Während es dem Moderator gelingt, sich von bereits Gesehenem abzuheben, so bleibt «DSDS Kids» selbst in Sachen „Neuartigkeit“ am Boden. Dass Heranwachsende wirklich gute Stimmen haben können, mit denen sie Publikum, wie auch Jury zum Staunen bringen, durften die Zuschauer bereits in den «Supertalent»-Shows auf der ganzen Welt feststellen. Doch weder greift der «DSDS»-Ableger auf tatsächlich aufgehende Sterne am Kinder-Gesangshimmel zurück, noch tut die Show selbst ihr Übriges, um in den Himmel der bahnbrechenden TV-Unterhaltung aufzusteigen. «DSDS Kids» ist nichts weiter, als zwei langweilige Stunden voller durchschnittlicher Gesangsdarbietungen.

Nett aufgemacht mit den gewöhnlichen Effekten, Tänzern und Videoleinwänden, doch ein "Aha"-Effekt bleibt aus. Die Jury ist wie erwartet zahm, immerhin mag man den Dreikäsehochs die gewohnt derben Kommentare des Pop-Titans nicht zumuten. Doch immerhin kommt in dieser Show tatsächlich mal wieder der weiche Kern unter der harten Schale eines Dieter Bohlen zum Vorschein. Zudem verzichtet man dankenswerterweise auf die castingshowtypische Gefühlsduselei in Form von dramatischen Einspielern. Das übliche «DSDS»-Design wurde für seinen Ableger beibehalten und auch das altbewährte Prinzip des Anruferwerbens, einhergehend mit dem gewohnten Schnelldurchlauf lässt den Zuschauer zeitweise denken, er befände sich in einer ganz normalen Mottoshow von «Deutschland sucht den Superstar».

Dass den Kindern beim Gewinn der Show immerhin kein Plattenvertrag – und somit ein viel zu früher Start eines Lebens in der Öffentlichkeit – blüht, sondern sich RTL mit einem Ausbildungsstipendium und einem Preisgeld erkenntlich zeigt, ist durchaus begrüßenswert. So bleibt im Kern ein gewisser Spielshow-Charakter enthalten und lässt «DSDS Kids» nicht allzu sehr wie eine Castingshow ausschauen. Wenn auch RTL es sich natürlich nicht nehmen lässt, durch die Anrufe der Zuschauer wieder ordentlich Geld zu verdienen, wenn auch sich ein Zielpublikum der Show, welches sich zu den Anrufwilligen zählen könnte, in Show eins noch nicht ganz erschließt.

Im Kern ist über «DSDS Kids» zu sagen, dass die Show lediglich im Fahrwasser der in der letzten Woche zu Ende gegangenen neunten «Deutschland sucht den Superstar»-Staffel mitschwimmt und sich somit mehr als halbherziges Anhängsel präsentiert, anstatt als eigenständige und vor allem ernst zu nehmende Abendshow, die an Gewöhnlichkeit kaum zu übertreffen ist. Da man «DSDS Kids» nur auf vier Shows ausrichtete, darf vermutet werden, dass eine Zukunft des Formats noch nicht feststeht und das Konzept aktuell noch als Experiment angesehen wird.

Damit dieser Versuch aber schlussendlich auch ein Erfolg wird, sollte sich RTL jedoch mehr einfallen lassen, als die bekannte Bühne noch einmal auszukramen und drittklassige Mini-Sängerinnen und –Sänger auf das Publikum loszulassen. Erstrecht dann, wenn diese anstatt einer professionellen Bewertung lediglich ein paar Seelenstreichler von der fraglich kompetenten Jury erhalten. Denn mit diesem Konzept ist «DSDS Kids» an Gewöhnlichkeit kaum zu übertreffen. Und im Showbusiness braucht es einfach mehr, als gewöhnlich zu sein.

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