Statistisch gesehen

Auf der Spur der Punkteschieber

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Wie gut kam Lena beim «ESC» wirklich im Osten an? Und schachern sich einige Länder trotz Jurys immer noch gegenseitig die Punkte zu?

Statistisch gesehen spielen rund 40 Prozent der Deutschen hin und wieder mit dem Gedanken, auszuwandern, die Hälfte davon hat aber ein Land innerhalb Europas im Sinn. Seit diesem Jahr ist sogar selbst für ESC-Fans Osteuropa wieder attraktiv.

28 Jahre hat es gedauert, dann klappte das, womit schon niemand mehr gerechnet hatte: Lena Meyer-Landrut gewann für Deutschland zum zweiten Mal den «Eurovision Song Contest». Dabei sah es in den letzten Jahren überhaupt nicht gut aus für Deutschland, das sich meist mit anderen großen Nationen wie dem Vereinigten Königreich oder Frankreich um die letzten Plätze stritt. Schuld daran nach Meinung vieler Fans und Experten: der fiese Ostblock. All die Nationen vom östlichen Rand der EBU-Zone schacherten sich gegenseitig die Punkte zu, natürlich aus purer böser Absicht. Die großen vier Nationen Deutschland, England, Spanien und Frankreich ließen daraufhin munter die Regeln ändern und schließlich die Jurys wieder einführen, um dem Problem zu entgegnen. Norwegen und Deutschland gewannen, wobei Norwegen rein über das Televoting fast genauso gut abgeschnitten hätte. Was ist nun also mit dem Ostblock los? Ist der verschwunden?

Schlüsselt man die Ergebnisse des Contests nach West- und Oststaaten auf, so zeigt sich, dass sehr wohl noch Unterschiede bestehen. In einem waren sich beide Hälften Europas allerdings einig: Deutschland ist der verdiente Sieger und findet sich auf beiden Punktelisten klar führend an erster Stelle wieder. Selbst wenn wir trotz des Sieges immer noch meckern wollten - es ginge gar nicht. Ab der zweiten Position zeigen sich dann aber deutliche Unterschiede. Die Türkei als Vizemeister erweist sich als Kompromisslösung zwischen Ost und West, denn erstere haben Georgien an zweiter Stelle ihrer Abstimmung. Etwas überraschender dagegen der Zweitplatzierte des Westvotings: Rumänien.



Nach Belgien kommen in der Westliste mit Belgien, Griechenland, der Türkei und Dänemark dann aber vier westliche bzw. westlich-orientierte Staaten, während der Osten Europas mit der Türkei, der Ukraine, Russland und Armenien ähnlich regional geprägt ist. Daran haben auch die Jurys nicht viel geändert. Ganz extrem ist das Beispiel Russland. Der Westen votete die krude Nummer von Peter Nalitsch mit nur 6 Punkten auf den drittletzten Platz, im Osten dagegen hält die Loyalität zu Mütterchen Russland an: 92 Punkte und Platz 5 gab es. Welch ein himmelweiter Unterschied. Ähnlich extrem: Belgien schnitt im Osten um zehn Plätze schwächer ab, Island sogar 13 Plätze.

Vielleicht sollte man aber - und das gilt für die Jurys genau wie für die TV-Zuschauer - einfach mal einsehen: Auch der Musikgeschmack variiert von Land zu Land und ist bei Nachbarstaaten oder solchen, die einst sogar zusammengehörten, viel stärker ausgeprägt als wenn man quer durch Europa vergleicht. Wenn uns Länder wie Armenien oder Weißrussland keine Punkte gaben, dann muss da keine böse Absicht hinter stecken. Vielleicht gefiel es ihnen einfach nicht. Und diese Unterschiede machen den «Eurovision Song Contest» doch eigentlich auch aus.

Ein weiterer angeblicher Votingblock hat dagegen überhaupt nicht funktioniert: die Skandinavien-Connection, genauer gesagt die nordischen Länder Schweden, Norwegen, Dänemark, Finnland und Island. In der Stimmenliste der fünf Länder taucht als erstes Dänemark auf - aber erst an vierter Stelle. Island folgt auf Position 9, Norwegen auf 12, die anderen beiden Länder waren schon im Halbfinale gescheitert. Besonders die Finnen waren knauserig mit Punkten für ihre Nachbarn. Fünf Punkte gab es für Island, zwei für Dänemark und für Norwegen keinen einzigen.

Nur in einem waren sich alle einig: Das Vereinigte Königreich war einfach schlecht, landete im Westvoting mit vier Punkten auf dem vorletzten Platz und im Ostvoting gemeinsam mit Island und sechs Punkten auf dem letzten. Von der Skandinavien-Connection gab es sogar überhaupt nichts. Vielleicht doch eine europaweite Verschwörung.

Oft steckt mehr hinter den Zahlen des TV-Geschäfts als man auf den ersten Blick sieht. Oder weniger. Statistisch gesehen nimmt sie unter die Lupe.

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