Hingeschaut

«Die Farm»: Home, Sweet Home

von
Was den Menschen nicht tötet, macht ihn stärker? Hühner und Pornographie: Ein Review der ersten Ausgabe.

Der geneigte Teil des Publikums mag sich an jenen Stern erinnern, der im Jahre 2004 urplötzlich strahlend am stets finsteren Firmament zu entdecken war: Es handelte sich um das Format Reality, das in deutschen Gefilden begann, großartige Erfolge zu feiern – Im Gegenzug wurden gleichermaßen Stimmen laut, die die Behauptung aufstellten, russisches Roulette habe nie zuvor mehr Potential geboten. Bereits zu diesem Zeitpunkt keimte seitens der Sendeanstalt RTL der Gedanke auf, eine Version der holländischen Sendung «Die Farm» auch hierzulande auf Zuschauerfang zu schicken – Die rote Sieben hatte mit «Die Alm» jedoch eine nur all zu ähnliche Idee in der Produktionsphase, weshalb man vorerst von der Vorstellung abließ. Da man die Lizenz ohnehin erworben und ein Aus der Vision konstant dementiert hatte, war es im Juli 2009 keineswegs eine Überraschung, als bekannt wurde, dass «Die Farm» nun doch den Weg ins deutsche Fernsehen finden würde - Unter der Moderation von Inka Bause.

Der Platz im Programmschema könnte im ersten Augenblick für leichte Verwunderung sorgen, doch um 19:05 Uhr hatte man in Köln im Vorfeld großes Glück: «Rach, der Restauranttester» und auch «Bauer sucht Frau» fanden auf diesem Slot ihren Anfang. Das Konzept des neuen Formates ist zügig erläutert: 12 Kandidaten finden sich auf einer Farm im Norwegen ein, die seit etwa einem Jahrhundert verlassen ist und kämpfen dort um 50.000 Euro; sie müssen die Landwirtschaft selbst betreiben und zudem in wöchentlichen Wettkämpfen bestehen. Aus ominösen Gründen spricht auch Bause vom Gesamtbild eines Märchens – Man sollte meinen, nach all den Jahren wurde verstanden, dass es nie derart simpel ist, wie es scheint. Im gleichen Atemzug muss natürlich erwähnt werden, dass Dieter Bohlen Jahr für Jahr wieder verklagt wird, weil er doch tatsächlich einen Casting-Teilnehmer verschmäht hat.

Zurück zur «Farm»: In einem kurzen Intro, unterlegt mit den Klängen des Liedes «Fairytale» von Alexander Rybak, der den Eurovision Song Contest gewann, werden die Figuren des bürgerlichen Trauerspiels vorgestellt. Die Verantwortlichen haben beachtliche Arbeit geleistet. Die Sprache ist von Ivana, dem Model mit den mörderischen Meeresbuchten, der ehemaligen Porno-Darstellerin Elke, dem im anderen Ufer tauchenden Tobias und dem mutigen Münsterländer Markus - In Begleitung vom kleinlauten Klavierbauer Hofi, dem anspruchslosen Pseudo-Jäger Jens und anderen. An dieser Stelle sei festgehalten, dass hierbei, sowie im Folgenden nicht alle verwendeten Alliterationen der Fantasie des Redakteurs entsprangen, da Inka Bause so zuvorkommend ist und sie im Sekundentakt nach den Hörern wirft.

Zu Beginn trifft die geteilte Gruppe zu unterschiedlichen Zeiten auf die Spielleiterin und erhält von dieser Hühner bzw. Werkzeuge und eine spärliche Ration an Lebensmitteln. Im Anschluss wird die alte Farm gesäubert, obgleich sie für 100 Jahre dennoch recht passabel erhalten zu sein scheint. Ivana, Herrin der herrlichen Hupen, ist in keinster Weise begeistert von dieser Aufgabe und zerrt auf gar grausame Weise am Geduldsfaden des Zuschauers indem sie fortwährend kreischt und sich beklagt. Ihrer Persönlichkeit wird sie eine potentielle Zukunft auf dem Lande zumindest nicht zu verdanken haben. Im Bezug auf das Konzept wäre es sowohl klüger, als auch von größerem Unterhaltungswert gewesen, Teams zu bilden und – ähnlich «Survivor» - in verschiedenen Häusern unterzubringen. Insgesamt wirkte die gesamte Szenerie recht bemüht, alles würde mit den Charakteren stehen oder fallen.

“Ich schlag sie kaputt!”, erklärte die erotische Elke und bezog sich damit auf den Streit zwischen ihrer lieblichen Person und Cornelia, welche eine mehr oder minder professionelle Heilerin ist, die inzwischen bereits mehrere Leben hinter sich gebracht hat. Kein Wunder also, dass die «Akte X»-Titelmelodie ihre übernatürlichen Unternehmungen untermalt. Eines ihrer 3,6 Herzen schlägt für die jungen Katzen, die die Bewohner im Haupthaus gefunden haben. Als Elke eben diese Milch trinken lässt, sträuben sich der charismatischen Cornelia alle vorhandenen Haare – Sie rastet aus. Dies bekommt man allerdings nicht zu sehen, lediglich die Reaktion Elkes erschien den Produzenten bedeutsam genug: Als sie handgreiflich wird, schreiten Tobias und Markus schließlich ein. Kein Problem für Cornelia, sie führt ein Gespräch mit der Kontrahentin, tief in ihrem Inneren. Dort schlummern vermutlich auch nekrophile Schildkröten.

Was danach geschah? Nun, der minder interessante Marko, auch Sandsack genannt, wurde zum Farmer der Woche gewählt, Ivanas irrsinnig intelligente Worte (“Ey, denkt doch mal mathematisch!”) wurden untertitelt, obwohl man sie durchaus verstehen konnte und der jämmerliche Jens verließ den ungewohnten Lebensraum bereits nach einer Nacht. Es ist nicht sonderlich viel, das sich abschließend über «Die Farm» sagen lässt: Inka Bause moderiert solide, Konfliktpotential ist vorhanden, Wettkämpfe gibt es allerdings erst in der folgenden Woche, weshalb sich der gezeichnete Kreis erst dann gänzlich schließen wird – Dennoch wirkt die Soap überaus distanziert und zum überwiegenden Teil (un)fassbar unbedeutend. Wie überraschend. Die Entwicklung der Beziehungen zwischen den einzelnen Farmern und Farmerinnen ist die zu bezweifelnde Komponente, die über den Status der Sendung entscheiden wird. Insofern Ivana künftig nur noch unbekleidet ans Werk schreitet, dürfte es zumindest an männlicher Zuschauerschaft nicht fehlen. Zudem hat RTL die Möglichkeit, eine Celebritiy Version des Formates herzustellen. «Some & Any» auf einer Farm – Das muss man gesehen haben. Nicht wahr?

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