Vergangene Woche, um nicht zu sagen “letztes Jahr”, präsentierte ich an dieser Stelle den ersten Teil meines Rückblicks auf die größten Hollywood-Karrierewandel der 00er Jahre. Heute möchte ich alle Leserinnen und Leser auf den zweiten Teil dieser kleinen Zeitreise mitnehmen und die fünf härtesten Abstürze, steilsten Karriereaufstiege und die überraschendsten Richtungswechsel der Jahre 2000 bis 2009 mitnehmen.
Platz 5: Robert Zemeckis
Der für «Forrest Gump» mit einem Oscar ausgezeichnete Chicagoer begann seine Karriere mit solchen 80er-Kultfilmen wie «Zurück in die Zukunft I - III» und der genialen Real- und Trickfilmkombination «Falsches Spiel mit Roger Rabbit», bevor er sich in den 90ern dramatischeren Stoffen zuwendete. 2000 folgte Zemeckis letzter Realfilm, die „Tom Hanks und ein Volleyball“-Show «Cast Away». Im Anschluss darauf fand der erfolgreiche Regisseur sein neues Spielfeld in der Motion-Capturing-Technologie, die es ermöglicht Schauspielerei mit Computeranimation zu verquicken, eine Technik, die er mit «Der Polarexpress» unter großem kommerziellen Erfolg zur Schau stellte. Es folgten, unter zwiegespaltenen Reaktionen der Kinokritiker, «Die Legende von Beowulf» und «Eine Weihnachtsgeschichte». Obwohl Zemeckis immer wieder beteuerte, er hätte dem Realfilm nicht gänzlich abgeschworen, hat Zemeckis seither kein einziges, traditionelles Projekt angekündigt, sondern nur einen reinen Motion-Capturing-Film nach dem anderen, darunter mehrere Kinder- und Jugendbruchverfilmungen und ein Remake des Beatles-Streifens «Yellow Submarine». Allein die Fortsetzung von «Falsches Spiel mit Roger Rabbit» soll nicht alleine auf diese Technik zurückgreifen, sondern Motion-Capturing-Menschen mit Zeichentrickfiguren kombinieren. Seit dieser Ankündigung wartet die Welt auf Morddrohungen von Fans des ersten Teils.
Platz 4: Christopher Nolan
Zwei Jahre nach der Veröffentlichung seines selbstfinanzierten, mit Freunden und Verwandten gedrehten Erstlingswerks «Following», rüttelte Christopher Nolan mit dem rückwärts erzählten Thriller «Memento» , einen anspruchsvollen, spannenden und dramaturgisch überaus clever gestalteten Independentfilm, Hollywood auf. Dieser Film brachte Nolan und seinem Bruder, der die Vorlage zum Drehbuch verfasste, eine Oscar-Nominierung ein, sowie die Aufmerksamkeit des Hollywood-Majors Warner Bros, welcher von nun an sämtliche Filme Nolans produzieren sollte. Die erste Frucht dieser Zusammenarbeit war der Kriminalthriller «Insomnia», in dem Regisseur Nolan Robin Williams zu einer seiner Glanzleistungen antrieb. Darauf folgte 2005 mit «Batman Begins» der lang erwartete Neustart des Batman-Filmfranchises. Die realistische, psychologische Herangehensweise an den Comicmythos begeisterte die Kritiker und wurde vor allem in den USA ein großer Erfolg. Mit «Prestige - Meister der Magie» ließ Nolan Hugh Jackman und Christian Bale in einem hochspannenden und vertrackten Magierwettstreit antreten, der sich zum Film-Geheimtipp unter Cineasten aufschwang. 2008 schließlich konnte Christopher Nolan, der unter Filmfans längst zum Begriff wurde, auch übergroße Spuren in der Filmwirtschaft hinterlassen: Der neue Batman-Film «The Dark Knight» mit dem brillanten Heath Ledger als psychopathischer Joker spielte weltweit über eine Milliarde Dollar ein. Seither wartet die Welt gespannt auf Nolans dritten Batman-Film, doch zunächst wird er das Publikum mit «Inception» „in die Architektur des Verstandes„ entführen. Dem einstigen Independent-Regisseur steht nach dem Erfolg von «The Dark Knight» ein gewaltiges Budget zur Verfügung, und Einschränkung der kreativen Freiheit hat er ebenfalls nicht zu befürchten.
Platz 3: Die Walt Disney Animation Studios
In den 90er Jahren erlebten die Disney-Zeichenstudios eine wahre Renaissance. Mit Zeichentrickmusicals wie «Die Schöne und das Biest», «Aladdin», «Der König der Löwen» oder «Tarzan» feierte das Traditionsstudio einen Erfolg nach dem anderen. 2000 folgte dann sie stilistische Kehrtwende. Mit «Ein Königreich für ein Lama» kam eine selbstironische, spritzige Komödie in die Kinos, die der Disney-Erfolgsformel die lange Nase zeigte. Es folgten die kostspieligen Abenteuer «Atlantis - Das Geheimnis der verlorenen Stadt» und «Der Schatzplanet» sowie die gefühlvolle Sci-Fi-Komödie «Lilo & Stitch». Mit Ausnahme der komödiantisch-rührenden Erlebnisse des hawaiianischen Mädchens Lilo und ihres außerirdischen Freundes Stitch scheiterten Disneys ungewöhnlicheren Produktionen allesamt an der Kinokasse, weshalb die Schließung der Zeichentrickdivision beschlossen wurde. Auch das durchaus akzeptable Einspielergebnis des klassischer gestalteten «Bärenbrüder» fuhr keine Planänderung herbei, und so sollte die lange Tradition des Disney-Zeichentricks mit der grauenhaften Western-Blödelkomödie «Die Kühe sind los!» im Jahr 2004 ihr Ende finden. In den folgenden Jahren veröffentlichte Disney, unter mäßigem Erfolg, computeranimierte Filme, sehr zum Unmut der treuen Disneyfans. Zu deren Glück übernahm der Disney-Konzern im Januar 2006 die Pixar Animation Studios (u.a. «Toy Story», «Findet Nemo» und «Wall•E») und beförderte deren jahrelanges Mitglied John Lasseter zum kreativen Vorsitz der Disney-Trickstudios. Lasseter, ein eingefleischter Disneyfan, gab das Okay für die Wiederbelebung des Disney-Zeichentricks, und so feierte die traditionelle Trickfilmkunst aus dem Hause Disney Ende 2009 mit «Küss den Frosch» ihre Rückkehr.
Platz 2: M. Night Shyamalan
Der in Indien geborene Regisseur wurde 1999 als Hollywood-Wunderkind gehandelt. Das für sechs Oscars nominierte, übernatürliche Drama «The Sixth Sense» war ein Sensationserfolg, sowohl beim Publikum als auch bei den Kinokritikern. Bereits im Jahr darauf drehte Shyamalan mit dem dramatischen Superhelden-Thriller «Unbreakable», den Shyamalan in Interviews mehrfach als seinen Favoriten unter den eigenen Filmen bezeichnete, einen weiteren Film mit Bruce Willis in der Hauptrolle. Seinerzeit galt «Unbreakable» als durchwachsender Erfolg, mittlerweile fand er jedoch sein Publikum. Der Alieninvasionsgeschichte «Signs» mit Mel Gibson war das gegenteilige Schicksal vorbestimmt: Er wurde zu einem kurzzeitigen, kulturellen Phänomen und spielte über 408 Mio. US-Dollar ein, aber Publikum fing schnell damit an, den Thriller zu belächeln.
2004 folgte der Film, der M. Night Shyamalans Karriere vorerst besiegeln sollte. «The Village» brach an den US-Kinokassen nach einem sehr gutem Startwochenende mit einem fast schon historischen Minus von 67% in der zweiten Woche katastrophal ein und die Unkenrufe übertönten die wenigen, dafür überaus lobenden, positiven Stimmen. Die Werbekampagne für «The Village» ist in ihrer langfristigen Ineffizienz mittlerweile legendär geworden: Die packenden Trailer, die einen düsteren Monsterhorrorfilm vor historischem Hintergrund versprachen (und somit meilenweit am eigentlichen Filminhalt vorbeisegelten) lockten zwar zahlreiche Zuschauer in die ersten Vorführungen des Films, bildeten zugleich aber auch den Nährboden für gewaltige Enttäuschungen auf der Publikumsseite. Man muss kein Hellseher sein um zu wissen, dass eine ehrliche Kampagne, die den Film in Programmkinos platziert hätte, Shyamalans Ansehen nicht dermaßen spektakulär das Genick gebrochen hätte.
Das folgende auf Shyamalans Gute-Nacht-Geschichten für seine Kinder basierende, moderne Märchen «Das Mädchen aus dem Wasser» wurde von den Kritikern in der Luft zerrissen und das Publikum mied es wie der Teufel das Weihwasser. Entsprechend schwer war es für Shyamalan, daraufhin wieder Fuß zu fassen. Seinen Öko-Thriller «The Happening» musste der zuvor kreative Freiheit gewohnte Autor und Regisseur auf Anforderung von 20th Century Fox intensiv umschreiben, und da sich kein Hollywood-Studio mehr traute all zuviel Geld auf einen Shyamalan-Film zu setzen, wurden 50% des Budgets von einer indischen Firma übernommen. Die Kritiker nahmen Shyamalan weiterhin nicht ernst, aber zumindest fanden ein paar Zuschauer zu ihm zurück, so dass «The Happening» weltweit über 160 Mio. US-Dollar einnahm, mehr als das doppelte von «Das Mädchen aus dem Wasser».
Shyamalans erster Film in diesem Jahrzehnt wird eine Adaption der Nick-Zeichentrickserie «Avatar: Der Herr der Elemente» sein - ein großer inhaltlicher und stilistischer Bruch für Shyamalan, aber vielleicht auch die Rettung für sein Image?
Platz 1: Peter Jackson
Den wohl gewaltigste Karrierewandel der vergangenen Dekade erlebte der neuseeländische Regisseur Peter Jackson. Zuvor mit komödiantischen Splatterfilmen wie «Bad Taste» oder «Meet the Feebles» nur einem Nischenpublikum bekannt, erntete er in den 90ern mit den kommerziell unerfolgreichen «Heavenly Creatures» und «The Frighteners» zumindest Lob von Filmkritikern. Von 2001 an jedoch war der Name Jacksons überall zu hören: Mit der «Der Herr der Ringe»-Trilogie drehte er drei der erfolgreichsten Filme aller Zeiten, der abschließende Teil erhielt 11 Oscars, Filmfans, Zuschauer und Kritiker überschlugen sich vor lauter Lobpreisungen. 2005 konnte Jacksons «King Kong» zwar nicht ganz an den vorangegangenen Hype um den Film anschließen, mit Einnahmen von über 550 Millionen US-Dollar, 3 Oscar-Gewinnen und sehr guten bis herausragenden Kritiker-Reaktionen wäre es allerdings auch falsch, ihn als Misserfolg zu bezeichnen.
Die Buchadaption «In meinem Himmel», zuvor von den produzierenden Studios als „Must See“ in der Awardsaison und sicherer Oscarkandidat positioniert, bewegt sich mit kritischen Pressestimmen und enttäuschenden Publikumsreaktionen schon eher in diese Richtung. Doch völlig gleich, wohin die Reise für Peter Jackson noch gehen mag - er hinterließ im vergangenen Jahrzehnt einen mächtigen Eindruck.