Juwelen

Juwelen des Fernsehens: «Tagesschau»

von  |  Quelle: Fernsehlexikon, ARD, Recherche
Formate, die polarisierten, früher unbeschreiblich große Erfolge feiern konnten oder seit Ewigkeiten im deutschen Fernsehprogramm zu finden sind – Auf diese Sendungen wirft das Online-Fernsehmagazin einen besonderen Blick und schildert die Geschichte des Formates.



Weihnachten 1952, Schauplatz Hamburg: Am 26. Dezember erblickte die «Tagesschau» das Licht der Fernsehwelt. Bereits einen Tag zuvor startete das Deutsche Fernsehen, doch „die alte Dame der ARD“ ging erst am zweiten Weihnachtsfeiertag auf Sendung. Und falls einer glaubt, dass es doch recht ähnlich zu den aktuellen Ausgaben war, der hat sich zutiefst getäuscht: Kein Moderator, wenige Filmchen und schon gar nicht tagtäglich.



Wenn man penibel ist, kann man sogar behaupten, dass die «Tagesschau» älter das das Deutsche Fernsehen ist. Das geht nicht? Oh doch: Am 4. Januar 1952 stellte der Nordwestdeutsche Rundfunk (NWDR) ein Testprogramm zusammen, das den Einsatz der Television prüfen sollte. Damals wurde die Sendung noch als «Fernseh-Filmbericht» „ausgestrahlt“ - Wirklich gesehen haben es nur ein paar wenige Menschen im Gebäude des NWDR. Am 1. November des gleichen Jahres wurde daraus die «Tagesschau». Nach dem Start ging es dreimal die Woche auf Sendung, immer montags, mittwochs und freitags um 20 Uhr – für 15 Minuten. Und wer sich bisher immer fragte, woher die .15 Uhr-Startzeiten in der Primetime herkommen, hat nun die Antwort direkt vor seiner Nase: Der nachfolgende Schub an Fernsehprogrammen richtete sich komplett nach der ersten Nachrichtensendung in Deutschland. Der Versuch, die Programme zur vollen Stunde zu starten, ging Anfang der Neunziger komplett nach hinten los und nach einiger Zeit gab man nach und sendete wieder in der altbekannten Taktung. Am 1. Oktober 1956 dehnte sich das Nachrichtenvolumen enorm aus: Fortan informiert die Sendung täglich um 20 Uhr, außer sonntags. Seit Anfang 1961 gab es dann Information auch spätabends, am 3. September 1961 wurde auch der Sonntag zum Sendetag der «Tagesschau». In der Folgezeit strahlte man in unregelmäßiger Taktung auch kurze Ausgaben über den Tag verteilt aus.



Die Berichterstattung wurde erwachsener – Vom Off-Sprecher zum Moderator, von Standbildern zu Filmchen und von Aufzeichnungen zu Live-Schalten. Apropos: Die erste echtzeitliche Verbindung in der «Tagesschau» zu einem Korrespondenten, also eine Vor Ort-Berichterstattung ohne nennenswerte Zeitverzögerung, ereignete sich zum Grubenunglück von Lengede 1963. Auch wenn der Anlass nicht positiv war: Durch die Live-Übertragung mit Bildern von den Rettungsarbeiten gelang der „Mutter aller Nachrichtensendungen“ ein Achtungserfolg und ihr Ansehen wuchs.






Doch auch Pannen machten vor der «Tagesschau» nicht halt: In der Sendung vom 9. November 1987 war sicherlich nicht nur ein Wurm drin, denn es ging so alles schief, was nur schief gehen kann. Sprecher dieser Sendung war Werner Veigel, der falsche Beiträge ansagte. Doch das war nur das kleine Übel: Nachdem eine winkende Hand ins Bild trat und Bilder von schlafenden Abgeordneten im Parlament gezeigt wurden, fiel Veigel beim Verlesen einer Meldung prompt das Gebiss aus dem Gesicht. Jens Riewa fehlte die Meldung „3 Anton“ und Dagmar Berghoff konnte in einer Sendung die Lottozahlen aus dem Spiel 77 nicht ohne Lachen ansagen. Nicht zu vergessen sind Ulrich Wickerts Hustenattacken während der «Tagesthemen».



Auf kleinere Skandale kann auch die «Tagesschau» nicht verzichten: Im Juli 1988 streikten die Techniker in Hamburg wegen einer Tarifauseinandersetzung, die Studios blieben dunkel. Kurzum verlegte man die «Tagesschau» in ein „aufgemotztes“ Studio des Bayerischen Rundfunks, aus dem normalerweise die «Rundschau» gezeigt wird. Der Sprecher aber sprach von „höherer Gewalt“ und „technischen Problemen“ und nannte den wahren Grund der Sondersituation nicht. Richtige Fans hatten die Meteorologen der Sendung, da sie vor handgezeichneten Wetterkarten das Wetter ansagten und damit populär wurden – Nachdem diese Präsentation aus Zeitgründen eine radikalen Kürzung über ich ergehen lassen musste – animierte Wetterkarten, keine Wetterfrösche mehr im Bild -, gab es einen Aufstand der Wetterfrösche-Fangemeinden. Auch der Südwestfunk machte Druck, da Baden-Baden auf der Karte nicht eingetragen wurde.



Die «Tagesschau» ist aus dem deutschen Fernsehen nicht mehr wegzudenken – wie auch? Schließlich ist sie dafür verantwortlich, dass das Abendprogramm größtenteils im .15 Uhr-Takt startet. Von der Einschaltquote her ist die „Mutter aller Nachrichtensendungen“ das stärkste Format – was sagte Helmut Thoma noch gleich über die „alte Dame der ARD“? „Diese Sendung könnte man auch in Latein verlesen mit zwei brennenden Kerzen, und sie hätte immer noch die gleichen Ratings“.

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