Sonntagsfragen

Sonntagsfragen an Rainer Wemcken

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Erstmals äußert sich der Geschäftsführer der Grundy UFA, Rainer Wemcken, zu dem Ende von «Hinter Gittern» und räumte ein, dass man den Schritt in die richtige Richtung früher hätte machen müssen. Bis zuletzt habe er gehofft, dass es noch nicht zu spät sei. Außerdem berichtet er über die Anfänge im Genre Telenovela.

Herr Wemcken, ganz aktuell ist das Thema der Absetzung von «Hinter Gittern». Angesichts der schlechten Quoten war es ja eigentlich nur eine Frage der Zeit, bis dieser Entschluss feststand. Was haben Sie in den letzten Wochen gefühlt, wenn Sie am Dienstagmorgen die Quoten gesehen haben?
Ich habe mich in allererster Linie gefreut, als es uns gelungen ist, mal wieder über 13 Prozent zu kommen. Ich glaube auch heute noch, dass wir es hinbekommen hätten, die Serie wieder einigermaßen hochzukriegen. Dass wir in alte Höhen von über 20 Prozent vorgedrungen wären, ist zwar utopisch, aber ich denke, wir hätten an die Zahlen der 15. Staffel anschließen können. Ohnehin gibt es ja momentan kaum eine deutsche Serie – öffentlich-rechtliche Programme mal ausgenommen – die richtig erfolgreich läuft.

RTL hat die Serie nun abgesetzt. Sind Sie traurig, dass sich der Frauenknast nach neun Jahren für immer schließt?
Der Sender musste das wirtschaftlich abwägen. Wenn RTL sieht, dass man mit den Quoten nicht mehr leben kann, dass die Erträge auf dem Sendeplatz nicht mehr genügen, man befürchten muss, dass der Sendeplatz mit dem Format kaputt gemacht wird, dann ist das wirtschaftlich gesehen die einzig richtige Entscheidung. Bei uns schwingen – vor allem bei einem solchen Projekt – extrem viele Emotionen mit. Natürlich sind wir traurig, wenn demnächst die letzte Klappe fällt.

Eigentlich wurde die neue Staffel von den Fans als Schritt in die richtige Richtung begrüßt. Kam der letztlich zu spät?
Ja, er kam zu spät. Wir hätten diesen Schritt schon im vergangenen Sommer machen sollen – das ist uns damals nicht gelungen. Umso glücklicher waren wir aber eigentlich, dass uns der Schritt dieses Jahr gelungen ist. Und ich habe ganz lange gehofft, dass es doch noch nicht zu spät ist.

Deutsche Serien – Sie haben es bereits angesprochen – tun sich zur Zeit sehr schwer. Welcher Weg soll nun aus der Krise führen?
Der US-Markt sieht ja auch ganz anders aus. Die Amerikaner haben vor einiger Zeit einfach viele Macher von Kinofilmen dazu gebracht, ins Seriengeschäft einzusteigen. Auch durch HBO ist neuer Schwung in den Markt hineingekommen. International gibt es nun also eine Renaissance der amerikanischen Serie. Da gibt es ja auch tolle Produkte – meine Lieblingsserie ist zum Beispiel «Dr. House», aber auch «CSI» ist toll gemacht. Es macht Spaß diese Serien anzusehen. Aber man merkt schon sehr deutlich, dass dort ganz andere Geldmittel zur Verfügung stehen.

Nur kann das natürlich nicht unser Maßstab sein. Diese Geldmittel wird es in Deutschland nie geben. Es gibt aber noch einen zweiten Punkt: In einer amerikanischen Serie wird vielmehr akzeptiert, was Charaktere und Erzählweise anbelangt. Nehmen wir doch mal «Dr. House» als konkretes Beispiel: Als deutsches Programm würde doch jeder sagen: Was für eine negative Hauptfigur, ne, das gucke ich mir nicht an.

Nichtsdestotrotz müssen wir aus dieser Entwicklung lernen. Wie kann denn eine zukünftige deutsche Serie aussehen? Ich glaube, sie muss wieder sehr stark „Character-driven“ sein, ähnlich wie «House».

Aber die deutsche Serie hat doch nicht nur Schwächen…
…natürlich nicht. Es werden spürbar Geschichten erzählt, bei denen jeder Zuschauer merkt, dass sie ihn persönlich etwas angehen. Man muss die Stärken, die unsere Serien haben, natürlich weiterhin beibehalten. Ich bin überzeugt, dass wir auch in Zukunft gute und erfolgreiche Serien schaffen können. Im Augenblick spricht zwar einiges gegen uns, aber das muss man halt schnell umkehren. Das ist eine Wellenbewegung und in einem Jahr sieht das schon wieder ganz anders aus.

Von dieser Flaute nicht betroffen sind Daily Soaps. Vier Stück produziert Grundy UFA derzeit für das deutsche Fernsehen. Da ist momentan kein Ende abzusehen?!
Ich hoffe nicht. So ist das Format angelegt – es soll immer weiter gehen.

Was macht den Erfolg dieser Formate aus?
Das ist auf der einen Seite sicher die Gewohnheit. Die Menschen haben sich daran gewöhnt, zu einer bestimmten Zeit eine bestimmte Serie zu sehen. Gleichzeitig ist es ja auch so, dass wir nicht dasitzen und uns freuen, dass das Ding jetzt läuft und nur noch Geld kassieren. Wir arbeiten täglich an der Weiterentwicklung der Formate. Technisch haben wir in den vergangenen Jahren extrem viel gemacht. Schauen Sie sich doch mal «Gute Zeiten, schlechte Zeiten» in der Anfangsphase an. Oder jede andere Daily-Soap von vor gut zehn Jahren. Das ist ein enormer Unterschied, wenn man sieht, wie das Format heute aussieht. Grundy UFA ist und war da sehr innovativ.

Wie realistisch muss denn eine Daily-Soap ihrer Meinung nach sein? Viele Jugendliche nehmen sich die Formate als Ratgeber und Wegweiser fürs eigene Leben zum Vorbild. Ist es da passend, wenn zum Beispiel bei «Gute Zeiten, schlechte Zeiten» jetzt Geschichten über Voodoo-Zauber erzählt werden?
Sie bewegen sich an der Realität. Unsere Aufgabe ist es, den Zuschauern Geschichten zu erzählen, die sie unterhalten. Die Realität steht damit nicht auf Platz Eins, sondern die Unterhaltung. Natürlich erzählt man eine gewisse Realität, diese erfährt allerdings eine „Überhöhung“. Würden wir jetzt nur die Realität abbilden, dann würde doch jeder sagen, Mensch, das habe ich doch schon den ganzen Tag gesehen.

Bei «Gute Zeiten, schlechte Zeiten» gibt es drei Figuren, die von Anfang an mit dabei sind: Elisabeth, Daniel und Clemens. Wie wichtig sind sie für die Serie?
Es sind eigentlich vier. Wolfgang Bahro ist als Jo Gerner kurz nach dem Start dazugekommen. Um auf Ihre Frage zurückzukommen: Sie sind sehr wichtig. Diese alten Figuren, die schon lange dabei sind, geben der Serie einen unglaublichen Erkennungswert. Der Zuschauer weiß einfach, wo er ist. Gleichzeitig ist es aber so, dass auch die neuen und jungen Gesichter spannende Geschichten einbringen und das Publikum neugierig machen. Es ist zum einen wichtig, die Charaktere zu haben, an die man sich schon gewöhnt hat, zum anderen ist es aber auch wichtig, neue Gesichter zu sehen. Die Mischung macht es. Und natürlich müssen die Figuren gute und spannende Geschichten haben.

Sie waren auch der Erste, der in Deutschland eine Telenovela produziert hat. Für das ZDF haben Sie «Bianca – Wege zum Glück» entwickelt. Dass das Genre so erfolgreich wird, hätten Sie wahrscheinlich selbst nicht gedacht…
Das weiß man nie vorher. Das ist ja das Spannende. Aber wir haben schon gesehen, dass Filme wie «Rosamunde Pilcher» im ZDF mit sehr großem Erfolg laufen. Wir haben die Serie ja nicht ins Blaue hineinproduziert – im Gegenteil: Dr. Beling, der Leiter der Redaktion Unterhaltung/Wort beim ZDF, hat da schon sehr genau gesagt, wie er die Serie haben möchte. Ohnehin war er einer der größten Antreiber dieses Formates – und als wir dann die ersten Bilder gesehen haben, waren wir sehr zuversichtlich, dass «Bianca» ein Erfolg wird. Dass es letztlich dann ein so großer Erfolg wurde, das hat natürlich niemand vorher vermutet.

Vermissen Sie «Bianca» inzwischen?
Nein, es gibt ja «Julia» als Nachfolgesendung. Zwischenzeitlich haben wir ja auch viele andere Telenovelas angeschoben und produziert. Ich fand «Bianca» toll – wir haben damit den Markt geöffnet, deswegen wird dieses Format immer etwas Besonderes bleiben. Zudem haben wir bei «Bianca» erstmals 42 Minuten täglich produziert. Zuvor waren es ja nur 23 Minuten für die Daily-Soaps. Das war und ist eine riesige Herausforderung. Aber das haben wir gemeistert und auch hier waren wir Pioniere in Europa, denn zwischenzeitlich gibt es ja auch andere Firmen, die dieses Pensum schaffen.

Wie schafft man es denn, 42 Minuten sendefähiges Material am Tag herzustellen?
Das ist kompliziert zu erklären. Nur soviel: Wir drehen mit zwei Teams – eines dreht im Studio, das andere macht die Außendrehs.

Nach dem Ende von «Bianca» waren viele Fans sehr traurig, dass sie ihre Lieblinge nicht länger sehen konnten. Inzwischen würde man das Format wahrscheinlich nicht mehr auslaufen lassen, oder?
Möglicherweise, ja. Man muss sich immer überlegen, ob sich eine Fortsetzung anbietet. Bei «Julia» haben wir eine Form gefunden, auch bei «Verliebt in Berlin» konnten wir die Geschichte weitererzählen. Es ist aber ganz wichtig, dass eine Geschichte zu Ende ist und das eingetreten ist, was man dem Zuschauer am Anfang versprochen hat. Also, dass das Mädchen hübsch wird, dass es ihren Prinzen bekommt, erfolgreich wird oder anderes. Das ist ja auch der große Unterschied zu einer Daily Soap, bei der man permanent Stränge hat, die miteinander verflochten sind. Das Erfolgsrezept der Telenovela ist es aber nun mal, dass es nur einen Hauptstrang gibt, auf den man sich konzentriert.

Sind Fortsetzungen denn wirklich eine gute Lösung?
Schauen wir doch einmal nach Lateinamerika. Da gibt es auch Fortsetzungen von Telenovelas. In bestimmten Ländern laufen sogar bis zu 25 Telenovelas an einem Tag. Das ist einfach eine ganz andere Kultur. Dafür gibt es halt keine Spielfilme oder normale Serien in diesen Ländern. Aber dieses Kulturgut haben wir hier in Deutschland nun mal nicht – vielleicht kommt das ja erst noch. Das ist ja eigentlich auch ganz locker: Wenn eine Geschichte vorbei ist, dann gucke ich mir einfach die nächste an, oder ich lass’ mal eine aus, ganz wie ich es will. Man kann das in etwa mit einem Buch vergleichen. Man klappt ein Buch zu, weil es fertig gelesen ist, und sagt: Ach war das toll. Da fange ich gleich das nächste an. Oder man sagt eben: Nein, ich mache jetzt eine kleine Pause und lese erst in zwei Monaten wieder etwas.

Sie haben «Julia» schon angesprochen. Inzwischen sind rund 260 Kapitel gelaufen und mittlerweile holt das Format sehr gute Quoten. Am Anfang tat sich die Telenovela jedoch schwer. Woran lag es? War es nur die Trauer über das Ende von «Bianca» oder gab es auch inhaltliche Schwächen?
Hauptsächlich haben die Menschen «Bianca» vermisst. Das war natürlich ein grandioser Höhepunkt. Es war wunderschön – von der Geschichte, den schauspielerischen Leistungen, der Umsetzung – einfach von allem her. Dass man dann erst einmal in ein Loch fällt lässt sich eigentlich kaum vermeiden. Wir haben das ja auch genau analysiert und viele Menschen wollten einfach nicht weiterschauen: Die wollten vielleicht lieber nachmittags spazieren gehen. Der Zuschauer hat sich also nicht gleich auf etwas Neues eingelassen – deswegen war es sicherlich keine Qualitätsfrage.

Bis hierhin vielen Dank, Herr Wemcken. In der kommenden Woche sprechen wir dann über die täglichen Serien «Verliebt in Berlin» und «Alles was zählt» und deren Nöte.

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