Es war die Blütezeit des deutschen Softcore der 1990er Jahre – teils erotisches Abenteuer, teils soziologische Kuriosität und absolut unvergesslich. Es ging nicht nur um Sex um des Sex willen. Diese Sendungen nahmen einen kuriosen Platz zwischen Erregung und augenzwinkernder Komik ein, verpackt in einer Sensibilität, die nur Deutschland mit solcher enthusiastischen Unbeholfenheit rüberbringen konnte.
Es überrascht nicht, dass diese nächtliche Sinnlichkeit oft in die reale Welt übergriff. Viele dieser Sendungen zeigten nicht nur Fantasien, sondern gingen überraschend offen mit der Realität der Sexarbeit um. Escortservices wie der von Slixa Pornstars werden auch heute noch oft diskutiert, während der Werbepausen damals oder in den eher dokumentarischen Teilen von Sendungen wie „Wa(h)re Liebe“.
Die Zuschauer sahen nicht nur fiktive Liebende, die sich in Fotostudios und auf Gartenpartys begegneten – sie lernten auch, wenn auch auf subtile Weise, etwas über die Ökonomie der Begierde. In einigen Episoden gaben echte Escorts in Interviews Einblicke in ihren Beruf, wobei sie sich respektvoll und überraschend offen äußerten. Für Zuschauer einer konservativen Ära war dies eine Offenbarung. Sex war kein Tabu, sondern fester Bestandteil des Programms.
Ein bisschen von allem ... vor allem Brüste
Deutsche Softcore-Sendungen gab es in einer Vielzahl kurioser Formen – Pseudodokumentationen, erotische Anthologien, dramatisierte Vignetten und natürlich die berüchtigten synchronisierten Importe. Sendungen wie „Liebe Sünde“, „Peep!“ und „Herzblatt Erotik Spezial“ hatten ein Gespür für das Dramatische, Bizarre und gerade noch Legale. In weniger als fünf Minuten gelangte man von einer mit Samt drapierten Liebesszene zu einer sehr ernsten Diskussion über die Latexszene in Berlin, oft moderiert von einem sinnlichen Moderator mit hochgezogener Augenbraue und einem wissenden Lächeln. Diese Sendungen gaben nicht vor, lehrreich zu sein, aber irgendwie waren sie es doch – auch wenn man dabei hauptsächlich lernte, welche Dessous gerade in Mode waren.
Es war eine seltsame Mischung: In einem Segment konnte man einer fiktiven Bäckerin folgen, die sich in ihren Lieferanten verliebt (der zufällig in seiner Freizeit als Model arbeitet), und im nächsten wurde man zu einer echten Fetisch-Convention in Köln mit Straßeninterviews und unverfälschten Aufnahmen hinter den Kulissen entführt.
Dieses Genre hatte seine eigene Bildsprache. Gedämpftes Licht, jede Menge Kerzen, absurd langsame Zooms und das allgegenwärtige Saxophon-Solo ließen jede Szene wie eine übertriebene Parfümwerbung wirken. Es gab immer Seide. Immer Weichzeichner. Immer eine fadenscheinige Ausrede, warum jemand in einem Schaumbad landete.
Die goldenen Stunden der Samtvorhänge und Saxophone
Für die Zuschauer der 90er Jahre waren diese Sendungen mehr als nur ein heimliches Vergnügen – sie gehörten zum nächtlichen Rhythmus. Sie wurden pünktlich nach den Abendnachrichten und dem letzten Wetterbericht ausgestrahlt und wurden zu einer stillen Rebellion gegen das brave Tagesprogramm. Auf Sendern wie RTL, VOX und ProSieben begann der Spaß kurz vor Mitternacht und endete etwa zu der Zeit, wenn das Testbild wiederkam.
Die Handlungen waren oft hauchdünn und die schauspielerischen Leistungen reichten von passabel bis wirklich hölzern, aber darum ging es auch nie. Es ging nicht so sehr darum, was passierte, sondern wie es passierte. Die Darbietung, die Atmosphäre, die Zweideutigkeiten – alles war Teil einer sorgfältig konstruierten Formel.
Importierte Sendungen, meist aus Frankreich und Italien, wurden auf eine Weise ins Deutsche synchronisiert, die man nur als „grob annähernd“ bezeichnen kann. Dies führte oft zu komischen Unstimmigkeiten zwischen dem, was die Schauspieler zu empfinden schienen, und dem, was das Drehbuch vorgab. Nicht wenige Szenen wurden – vielleicht unbeabsichtigt – durch die Absurdität verstärkt, dass man zu Bildern von übermäßig enthusiastischen französischen Nudisten trockenen deutschen Text hörte.
Eine kulturelle Kuriosität, die schwer zu vergessen ist
Rückblickend erscheint die Softcore-Welle der 90er Jahre in Deutschland nach heutigen Maßstäben fast unschuldig. In einer Zeit, in der Erwachseneninhalte auf Knopfdruck verfügbar sind und Algorithmen die Kuratierung von Wünschen übernehmen, hatten diese Sendungen eine seltsam menschliche Note. Sie waren unvollkommen, unbeholfen, gelegentlich informativ und immer mit viel zu viel Lipgloss versehen.
Am bemerkenswertesten ist, wie diese Sendungen Sexualität sowohl als Spektakel als auch als Thema behandelten. Anstatt sie hinter Scham oder moralischer Panik zu verstecken, integrierten sie sie ganz selbstverständlich in das Mainstream-Fernsehen – manchmal direkt zwischen einer Wiederholung von „Alf“ und einer Late-Night-Talkshow. Es gab keine Panik, keinen Skandal – nur viele langsame Kamerafahrten und verdächtig sexy Saxophonmusik.
Sogar ihre Moderatoren wurden zu kleinen Berühmtheiten. Persönlichkeiten wie Verona Feldbusch (heute Pooth) und Mo Asumang führten die Rubriken mit Charme und einem frechen Augenzwinkern an und bauten eine Beziehung zu den Zuschauern auf, die seltsam persönlich wirkte. Sie waren nicht nur Wegweiser durch den Nebel absurder Erotik, sondern Mitverschwörer des Witzes.
Ja, die 90er Jahre mögen ein Jahrzehnt fragwürdiger Frisuren und Einwahlmodems gewesen sein, aber es war auch eine Zeit, in der das deutsche Fernsehen seine Libido spazieren führte – und das ganze Land mitnahm. Es war nicht stilvoll, aber es war ikonisch. Eine kulturelle Fußnote, die noch immer leise in den Saxophon-Soli der Erinnerung nachhallt.
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