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Die WM im Zweiten: Kramer begeistert, Neumann spaltet, Spätabend-Programm verwirrt

von   |  9 Kommentare

Das zweite Endspiel der deutschen Mannschaft läuft am Mittwoch im Zweiten - höchste Zeit also, sich dem bislang sowohl aus Quotensicht als auch inhaltlich stärkeren der beiden WM-Sender zu widmen. Vor allem die Experten und Moderatoren des ZDFs überzeugen nahezu ausnahmslos, über die einzige nennenswert in Erscheinung tretende Frau wird hingegen emotionalst diskutiert.

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Die Moderatoren: Welke bleibt die Gag-Maschine, Breyer egal


Erinnern Sie sich noch an die düsteren Zeiten, als Johannes B. Kerner und Katrin Müller-Hohenstein als Hauptmoderatoren des Senders fungierten? Man kann sie ganz gut verdrängen: Kerner muss sich nach seinem missglückten Sat.1-Abenteuer schon seit Jahren damit begnügen, die eine oder andere Show zu moderieren, Müller-Hohenstein ist zusammen mit ihrem ARD-Pendant Gerhard Delling ins untere Karriere-Mittelfeld abgerutscht und muss sich nun mit gelegentlichen Berichten vom Quartier der Nationalelf begnügen. Und kaum jemand wünscht sich eine Rückkehr der beiden Ex-Moderationsgrößen, da sich Oliver Welke längst an der Spitze festgebissen hat. Neben seinem großen Erfolg im Rahmen der «heute-show» hat er dies in allererster Linie der Interaktion mit Oliver Kahn zu verdanken, die stets unverkrampft daherkam und von einem skurrilen Zusammenspiel zwischen gegenseitiger Wertschätzung und Seitenhieben geprägt war - neben Müller-Hohenstein wirkte der Titan einst eher ein wenig genervt und konnte sie augenscheinlich nie wirklich ernstnehmen.

Und auch bei diesem Turnier präsentiert sich Welke wieder als die treffsichere Humor-Granate, als die ihn seit einigen Jahren die Fernsehnation kennt und schätzt. Als etwa Rene Higuita zu Gast ist, versucht er Kahn dazu zu überreden, für die Zuschauer doch mal bitte dessen legendären "Skorpion" nachzustellen. Die eher etwas lächerlich anmutende Online-Spielerei "Be Bela" versucht er gar nicht erst, auch nur ansatzweise ernsthaft zu präsentieren, sondern kommentiert den Einspieler trocken mit: "Wenn Sie auch glauben, ein großer Kommentator zu sein, nehmen Sie sich doch einfach auf und schicken Sie es den Leuten, die es interessiert!" - bevor er zu Kahn hinüberlugt und ihn fragt, ob da nicht vielleicht dessen "eigentliches großes Talent" liegen könne, das so lange nicht gefördert wurde. Charmanter kann man einen solchen Schnickschnack kaum durch den Kakao ziehen. Bei all den amüsanten Momenten soll allerdings nicht unerwähnt bleiben, dass sich Welke auch als ernsthafter Fußball-Moderator sehr gut schlägt - in den Momenten, wo es ernsthaft zu bleiben gilt.

Angesichts dessen wird Jochen Breyer wohl noch etwas länger in Welkes Schatten stehen, der auch ein guter Moderator ist, Witz und Lockerheit mitbringt und im Zusammenspiel mit Kramer gut funktioniert. Die Momente, die hängen bleiben, hat aber eben Welke zu bieten - und das höhere Maß an moderativer Souveränität auch. Dass Breyer "nur" die zweite Geige spielt, tritt dann im ZDF auch etwas deutlicher zutage als im Ersten, da die beiden Moderatoren hier meist getrennt agieren und kaum gemeinsam durch eine Sendung führen.


Die Kommentatoren: Rethy und Schmidt bleiben unangefochten, Neumann... eine Frau


Bei den Kommentatoren kann man drei Namen schnell abhaken: Bela Rethy und Oliver Schmidt stehen an der Spitze des senderinternen Rankings, was sich ein weiteres Mal daran zeigt, dass die beiden die im ZDF übertragenen Deutschland-Spiele kommentieren durften (Schmidt) bzw. dürfen (Rethy am Mittwoch). Auch Thomas Wark ist schon seit einigen Jahren dabei und gilt unter Fans nicht unbedingt als der fachlich stärkste Kommentator, ohne jedoch so stark abzufallen, dass man seine in der Häufigkeit eher überschaubaren Einsätze allzu arg problematisieren müsste. Als kleine Entdeckung dieses Turniers gilt unter Experten Martin Schneider, der seit 2016 hin und wieder mal bei Live-Übertragungen eingesetzt wird, sich allerdings noch keine allzu große Popularität aufgebaut hat. Fachlich ist er stark, sprachlich ist er klar, emotional ist er... leider kaum. Und wird deshalb wahrscheinlich auch noch länger eine Randerscheinung bleiben.

Und dann hätten wir da noch Claudia Neumann - und wären bei dem anstrengendsten Nebenkriegsschauplatz dieser Weltmeisterschaft angelangt, hätten Özil und Gündogan mit ihrer Erdogan-Kuschelei nicht schon im Vorfeld bemerkenswert stark vorgelegt. Was definitiv nicht tolerabel ist: Schmähungen, Beleidigungen und misogynes Gequatsche, dazu darf es eigentlich keine zwei Meinungen geben. Auch die Behauptung, Neumann sei fachlich nicht stark genug, um Spiele vor einem Millionenpublikum zu kommentieren, muss hinterfragt werden und sollte vor allem nicht mit Zitate-Dropping argumentativ unterlegt werden, das man in ähnlicher Form auch bei jedem ihrer männlichen Kollegen anführen könnte. Wer mehr als 90 Minuten lang Monologe führen muss, macht auch mal den einen oder anderen inhaltlichen Fehler oder verpasst dem einen oder anderen dänischen Nationalspieler einen neuen Namen.

Was Neumanns Eignung eher hinterfragenswert macht, sind relativ häufige Verhaspler und rhetorische Stilblüten, die ihr gefühlt überdurchschnittlich häufig passieren. Ihr hölzerner Duktus ohne Kreativität und Charme sind dem Hörgenuss der von ihr kommentierten Spiele ebenfalls nicht unbedingt zuträglich. Und auch ihr Timing ist alles andere als perfekt: Über weite Strecken spricht sie eher sachlich bis latent einschläfernd, bricht dann gerne mal an Stellen emotional aus, in denen auf dem Platz kaum etwas geschieht und ist bei wichtigen Szenen wie Toren oder Elfmetern häufig so reaktionslahm, dass sie erst mit einigen Sekunden Verzögerung die Stimme hebt. Das sind einige der Argumente, warum sie sicherlich nicht die technisch und verbal stärkste kommentierende Kraft auf dem deutschen Fernsehmarkt ist - und dürfte künftige Debatten um ihre Person gerne stärker bestimmen als ihr Geschlecht und die Frage, ob das ZDF sie als "Quoten-Frau" beim Fußball engagiert und welcher Social-Media-Furz nun eigentlich am fiesesten müffelt.


Das Drumherum: Schickes Studio, erstaunliche Programmplanung


Kurz und bündig lässt sich das Thema Studio abhaken, das man sich bekanntlich mit den Kollegen des Ersten Deutschen Fernsehens teilt. Im direkten Vergleich hat man daraus doch ein gutes Stück mehr rausgeholt und kreiert Tag für Tag eine angenehm heimelige und tiefenentspannte Atmosphäre. Das liegt zum einen an der wärmeren, helleren Farbgebung, aber auch daran, dass man ein deutlich breiteres Pult nutzt, womit das Studio schlichtweg "ausgefüllter" wirkt. Zudem sitzen die Moderatoren und Experten, was gemeinhin weniger dynamisch, dafür aber eben auch entspannter wirkt - bei einem Duo der Marke Welke und Kahn ist das genau die richtige Entscheidung. Vergleicht man die Optik von ARD und ZDF, kann man sich unterm Strich deutlich besser bei letzterem Sender vorstellen, einen entspannten Fußball-Tag zu verbringen.

Keine klare Linie lässt sich hingegen bezüglich der Programmgestaltung am späten Abend erkennen. Anders als Das Erste («WM Kwartira») verzichtet man auf ein regelmäßiges WM-Format, was zunächst einmal nach einer vertanen Chance klingt, die WM-Euphorie auch auf den späten Abend zu verlagern. Nun ist die von Micky Beisenherz und Jörg Thadeusz präsentierte Sendung aber bislang nicht unbedingt der große Quoten-Gigant gewesen und auf der anderen Seite hat das Zweite auch schon das eine oder andere sehenswerte Format am späten Abend platziert - am ersten Turnier-Sonntag etwa die lehrreiche Doku «Russlands Geheimnisse». Zudem erreichten «Maybrit Illner» und «Markus Lanz» mit ihren Talks in der vergangenen Woche beeindruckende Spitzenwerte.

An manchen Tagen allerdings kann man die Programmplanung hier nur als wirr und uninspiriert bezeichnen: So fällt einem beim besten Willen kein Argument ein, warum am vergangenen Freitag eine Wiederholung von «Professor T.» versendet werden musste. Die Free-TV-Premiere von «Ted 2» war immerhin ein frischer Inhalt, über den sich der eine oder andere Zuschauer auch gefreut haben dürfte - hatte aber weder was mit Fußball zu tun, noch wurde damit ein Bildungs- oder Informationsauftrag erfüllt. Ob dieses Tohuwabohu also der Weisheit allerletzter Schluss war, ist fraglich, wobei man an Tagen mit interessanten Dokus eher zum Nicken und an Tagen, an denen alte Serienfolgen weggesendet werden eher zum Kopfschütteln geneigt ist.

Wie gefallen euch bislang die WM-Übertragungen im ZDF?
Sehr gut, der Sender macht ziemlich viel richtig.
58,5%
In Ordnung. Hier und da hapert es ein wenig, aber das Gesambild stimmt.
31,6%
Geht so, kann man auch deutlich besser machen.
6,4%
Überhaupt nicht, habe da wenig Freude dran.
3,4%

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Es gibt 9 Kommentare zum Artikel
Familie Tschiep
27.06.2018 13:04 Uhr 1
Die Neumann höre ich viel lieber als den Kommentator, der darüber meckert, wie schlimm das Spiel sei. Lieber Humor statt Motzen.
Neo
27.06.2018 18:19 Uhr 2
Kramer finde ich auch super - schade drum -, aber Olli&Olli mag ich einfach nicht wirklich leiden, wobei man über Welke mit der ganzen Frotzelei noch froh sein kann.

Verstehe da ehrlich gesagt auch nicht, weshalb die Kombi um Klopp-Meier-Kerner schlechter gewesen sein sollte. Für mich war das damals ein absolutes Highlight.



Neumann ist als Kommentatorin auch nicht unbedingt schlechter als bspw. Bartels (Gott, der kam beim Deutschlandspiel ja wirklich gar nicht mehr klar :lol: ) oder den allseits beliebten Rethy. Allerdings habe ich bei ihr das Gefühl, dass sie Pausen gar nicht zulassen kann und einfach nur durchquatscht. Ist ja schön und gut, wenn man auf die Partie und die einzelnen Spieler vorbereitet ist, mal ab und an ein paar Nebeninfos einstreuen kann etc. pp., aber mir ist das auch eine Spur too much.



Fabian Köster finde ich übrigens auch nur mäßig unterhaltsam. Geht mir allerdings auch meistens in der heute show so.
Sentinel2003
27.06.2018 18:24 Uhr 3
Ich kann mir diesen Hass auf Frau Neumann einfach null erklären!!



Trotz alledem, ich hatte nach dem Spiel gegen Mexiko kein gutes Gefühl für die weiteren Spiele!
second-k
28.06.2018 23:52 Uhr 4
Guter Artikel, dem ich voll zustimme! Besonders Kramer und Neumann sind treffend und sachlich beschrieben, wobei bei Neumann auch für mich noch störend das hinzukommt, was Neo sagt:



Fast das ganze Spiel über erzählt sie kleine Geschichten, von denen manche eh irrelevant sind und von denen sie viele auch dann in aller Ruhe zu Ende erzählt, wenn etwas auf dem Platz passiert. Da wird dann manchmal gerne noch die Stimme gehoben, wenn es sehr brenzlig im Spiel wird, aber auf die Idee, einfach mal das Spielgeschehen zu kommentieren, kommt sie nicht. :D Damit hinkt sie dann wiederum einige Sekunden zurück, in denen schon wieder etwas Neues passieren kann. Dieses Zurückhinken teilt sie übrigens mit Rethy... (Bei wem ist der eigentlich allseits beliebt, Neo? :D Ich fürchte, das ist er nicht gerade...)
Neo
29.06.2018 14:46 Uhr 5
Das war nun wirklich nicht ganz so ernst gemeint. :wink:
second-k
01.07.2018 14:39 Uhr 6


Achso, alles klar. :lol: Hätte ich bei deinem Profilbild vielleicht auch ahnen können. :wink:
flom
01.07.2018 20:48 Uhr 7
Kramer war ein klasse Experte, der oft sich offen und weglocken war, schade das er nun weg ist.



Frau Neumann mag ich überhaupt nicht gerne hören, oft bekommt sie die situation nicht wirklich mit, bzw. schätzt sie falsch ein. Das heißt aber nun nicht das die anderen Kommentatoren besser wären.
Sentinel2003
03.07.2018 11:20 Uhr 8
Ich höre Frau Neumann sehr gerne...viel lieber sogar, als Oliver Schmidt mit seiner krächzenden StimmE!
second-k
03.07.2018 12:28 Uhr 9
Ich finde ihre Stimme auch in Ordnung und angenehm. Aber das kann ja auch nicht das Kriterium (oder Hauptkriterium) bei der Beurteilung eines Kommentators sein: Für die Stimme kann ja niemand was im Gegensatz zum Inhalt und Stil seines Kommentars.



Edit: Was ich an Neumanns Kommentar zu bemängeln habe, hat sich in den letzten Spielen deutlich gebessert. Bestimmt hat man sie mal darauf aufmerksam gemacht. Wie man in Foren lesen kann, stört(e) das viele Zuschauer.
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