Die Kritiker

«Honigfrauen»

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Ein gutes Stück Sommerkomödie, ein wenig Romantik, eine gute Prise Zeitgefühl-Kapsel, viel Historiendrama und auch eine großzügige Prise Stasi-Agententhriller: «Honigfrauen» ist ein interessanter Genremix.

Cast und Crew

  • Regie: Ben Verbong
  • Darsteller: Cornelia Gröschel, Sonja Gerhardt, Anja Kling, Götz Schubert, Franz Dinda, Stipe Erceg, Dominic Raacke, Alice Dwyer, Sebastian Urzendowsky, Isolda Dychauk, Max Woelky, Winnie Böwe, Peter Jordan
  • Drehbuch: Natalie Scharf, Christoph Silber
  • Kamera: Mathias Neumann
  • Schnitt: Ronny Mattas
  • Produktionsfirma: Seven Dogs Filmproduktion
Das ZDF hat einen neuen Ansatz für sich entdeckt, mit dem sich historische Stoffe in der deutschen Primetime anpacken lassen: Mehrteiler für «Ku’damm 56» zeigen dem öffentlich-rechtlichen Publikum neuerdings, dass zurückliegende Kapitel nicht zwangsweise im schwermütigen Verarbeitungsduktus vermittelt werden müssen. «Honigfrauen», ausgedacht und produziert von «Frühling»- und «Arme Millionäre»-Macherin Natalie Scharf, führt diese Erkenntnis zu einem konsequenten nächsten Schritt: Die Geschichte zweier junger DDR-Frauen, die 1986 Urlaub am ungarischen Balaton machen und es mit Stasi-Spitzeln, ungarischen Fluchthelfern sowie Urlaubsflirts zu tun bekommen, präsentiert sich als munterer Genremix. Ein gutes Stück Sommerkomödie, ein wenig Romantik, eine gute Prise Zeitgefühl-Kapsel, viel Historiendrama und auch eine großzügige Prise Stasi-Agententhriller – in den drei Mal 90 Sendeminuten macht das Publikum eine Reise durch, die mindestens so abenteuerlich ist wie die der beiden Hauptfiguren.

Dabei handelt es sich um das ungleiche Schwesterngespann Catrin (Cornelia Gröschel) und Maja (Sonja Gerhardt) Streesemann. Die beiden Grazien aus Erfurt machen erstmals Urlaub ohne ihre Eltern. Das Ziel ist der Balaton, auch bekannt als Plattensee – ein besonderer Ort zu Zeiten der deutsch-deutschen Trennung. Der Binnensee ist als überaus beliebtes Urlaubsziel ein Ort, an dem sich immer wieder Ost- und West-Deutsche begegnen, von der Mauer getrennte Familien sogar regelmäßig eine kurzzeitige Wiedervereinigung feiern. In diesem Reigen versuchen öfters Singles aus dem Osten, westdeutsche Männer um den Finger zu wickeln. Karl Streesemann (Götz Schubert) räst seinen Töchtern Catrin und Maja jedoch schwer davon ab, zu "Honigfrauen" zu werden und sich an Wessis zu pappen – am Balaton sind nämlich regelmäßig Stasi-Spitzel unterwegs.

Die Sorge des Papas scheint unbegründet: Die Herzen der Schwestern werden nämlich vom Thüringer Rudi (Franz Dinda) und dem wohlhabenden Ungarn Tamás (Stipe Erceg) erobert. Unterdessen kündigt Erik (Dominic Raacke), die Jugendliebe von Catrins und Majas Mutter Kirsten (Anja Kling), an, ebenfalls zum Plattensee zu fahren. Dort will er Catrin kennenlernen, die in Wahrheit seine Tochter ist – das weiß aber außer ihm und Anja niemand. Also nimmt sich Anja vor, das Treffen zwischen Jugendliebe und Tochter zu verhindern …

Ob «Honigfrauen» nun ein Dreiteiler ist, wie er zumeist tituliert wird, oder eine drei Episoden umfassende Serie, die Raum für eine zweite Staffel lässt, sei an dieser Stelle nicht übermäßig analysiert. Genauso sehr sei es ignoriert, dass «Honigfrauen» keinesfalls ein derart geläufiger Begriff war, wie es in dieser Geschichte dargestellt wird. Was zählt, ist der Umgang von Natalie Scharf und ihrem Ko-Autor Christoph Silber mit den Tonalitäten ihrer Handlungsfäden: Sorgsam bauen sie im ersten Drittel von Teil eins eine in der Vergangenheit angesiedelte Sommerkomödie auf und deuten nebensächlich die dramatischen Untiefen dieser Geschichte sowie deren potentiellen, nervenaufreibenden Konsequenzen an.

Diese narrativen Vorbereitungen erfolgen jedoch nicht als Damoklesschwerter, die bedrohlich über der Handlung schweben, sondern durch mahnende Worte, die Catrin und Maja ereilen. Oder durch kurze, das Urlaubsglück hinterfragende Augenblicke. So mutet «Honigfrauen» wie eine spezifisch ausgewählte Alltagsgeschichte an. Es gibt Lebensphasen der Freude, die urplötzlich jäh unterbrochen werden – woraufhin man rückblickend zu sich selber sagt: "Und dabei hat man mich doch gewarnt!" Genau diese Erzählperspektive und Stimmung nimmt «Honigfrauen» an – mit sich zuspitzender Eskalation. Ist Teil eins noch der sommerlichste, leichtgängigste, überschlagen sich im zweiten Part die Entwicklungen, ehe der dritte Film die spannende, dramatische Zuspitzung darstellt.

Bis zum Schluss kehrt das Urlaubsfeeling aber verlässlich für einige Augenblicke zurück – etwa aufgrund des verspielten 80er-Produktionsdesigns oder des mit Chartstürmern vollgepackten Soundtracks. Vor allem aber halten Gröschel und Gerhardt als schlagfertiges, charmantes Schwestern-Duo die unterhaltsame Stimmung aufrecht – ohne je so leichtfüßig zu spielen, dass sie das Drama unterwandern würden. Dagegen sehen die männlichen Nebenfiguren glatt blass aus – was bei manchen von ihnen durchaus stimmig ist (sind einige ja nur flüchtige Urlaubsbekanntschaften). Dass aber Stipe Erceg als Tamás im von Ben Verbong routiniert inszenierten (Vielleicht-)Dreiteiler sehr oft als Plotmotor dienen muss, ohne je als Charakter greifbar zu werden, ist hingegen schade.

«Honigfrauen» ist ab dem 23. April 2017 an drei aufeinanderfolgenden Sonntagen um 20.15 Uhr zu sehen.

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Es gibt 1 Kommentar zum Artikel
Sentinel2003
22.04.2017 16:57 Uhr 1
Sonja Gerhardt spielt mit, die ich in "Ku'damm56" sehr bewundert habe!
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