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Mitte September: Feuerprobe für DAZN

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Keine Programmübersicht, rückelende Streams und bislang zahlt kein Kunde für das Abo. Jetzt geht es in die heiße Phase - und das gleich mit einer Panne.

Die DAZN-Highlights am Sonntag (aus der Welt des Fußballs)

  • 14.30 Uhr: Swansea - Chelsea mit Kommentator Alex Schlüter
  • Sonntag, 20.30 Uhr: Deportivo - Atl. Bilbao mit Christoph Fetzer
  • 20.45 Uhr: Pescara - Inter Mailand mit Kommentator Mario Hochgerner
An Superlativen mangelte es wahrlich nicht, als Mitte August ein Sportfernsehen der neuen Art namens DAZN vorgestellt wurde. Noch größer als man denkt werde es, schrieb etwa einer der Kommentatoren am Abend vor dem Presseevent. Und DAZN selbst sprach ja schon Monate vor dem Launch davon, das neue Netflix des Sports vorzubereiten. Und in der Tat: So aggressiv wie die Perform Group in den Monaten zuvor Pakete zusammenkaufte und Insider-Infos zufolge nur knapp daran scheiterte, auch Bundesliga-Liverechte zu erhalten, musste man DAZN in der Tat auf dem Zettel haben.

Inzwischen, knapp einen Monat später, hat sich die erste Aufregung gelegt und es ist in einigen Teilen Ernüchterung eingekehrt. Gut möglich, dass DAZN einen steinigeren Weg vor sich hat, als manche Manager dachten und wohl auch aktuell noch denken. DAZN ist quasi ein Modell mit drei Ebenen, die allesamt ähnlich wichtig sind. Da wäre zunächst quasi die ganz grundlegende Ebene – die technische. Versprochen hatte der Dienst auf allen gängigen Plattformen und Devices verfügbar zu sein.

Ebene 1: Wo kann man DAZN ruckelfrei empfangen?


Das stimmt bis heute nicht. Eine App für die PS4 wird zwar seit dem Launch-Tag versprochen, ließ aber lange auf sich warten. In der vergangenen Woche war sie dann kurz da, wurde jedoch wieder zurückgezogen. Schlimmer noch: Das Twitter-Team versprach einst ein Erscheinen in der damals kommenden Woche, will inzwischen von konkreten Terminangaben aber nichts mehr wissen. Immerhin: Irgendwann in diesen Tagen komme die App nun wirklich, nur ob sie dann auch stabil läuft, das weiß keiner. Denn auf den Geräten, auf denen DAZN schon abspielbar ist, läuft es nicht zwingend gut. Stockende Bilder, die zudem weit von HD-Niveau entfernt sind, gehören auf Amazons-Fire-Geräten etwa zum Alltag. Für den Chromecast ist zudem überhaupt keine DAZN-Version geplant.

Ohne Probleme läuft die App derweil hingegen auf den Apple-Geräten und auf stationären PCs – doch reicht das? Wohl kaum. Amazon Prime oder Netflix sind nur deshalb ein so großer Erfolg geworden, weil deren Inhalte auf quasi allen Plattformen problemlos und in sehr guter Qualität verfügbar waren. Bei DAZN stockt’s aber noch auf einer zweiten Ebene – und die ist nicht minder wichtig. Die Kommunikation zum Endkunden krankt auf nahezu allen Ebenen.

Zu allem Überfluss bleibt DAZN dann am Samstagnachmittag zum bisher wichtigen Spiel der Saison, dem Spitzenspiel aus England zwischen den beiden Vereinen aus Manchester erstmal schwarz. Auf rasche Hinweise via Twitter warteten die Kunden vergebens; und mussten sich eben auf anderem Wege informieren, wie sich die Teams von Jose Mourinho und Pep Guardiola auf dem Rasen schlugen. Stunden später entschuldigte sich DAZN dann für den Komplett-Ausfall und versprach allen Kunden eine weitere Gratis-Woche einzuräumen... Reicht das als Wiedergutmachung?

Ebene 2: Kein Programmguide


Kurz gesagt: Wer sich nicht selbst informiert, der weiß nicht Bescheid, was bei DAZN wirklich läuft. Nun ist DAZN ein Dienst, der ganz bewusst in die Breite geht – und mit Fußballspielen aus Frankreich, Italien und der kompletten La Liga Wochenende für Wochenende Matches zeigt, die der Otto-Normal-Fan nicht unbedingt auf der Karte hat. Um wirtschaftlich erfolgreich zu sein, muss es aber Ziel sein, auch für Partien des 18. gegen den 14. aus La Liga zumindest eine erkennbare Zuschauerschaft zu generieren. Und darüber hinaus: Da wird mal kurzfristig die Regionalliga-Partie zwischen den Reserven von 1860 und Bayern München (in Kooperation mit Sport1) gezeigt, da flutscht kurzerhand Darts- oder ein Tennis-Spiel mit Frau Kerber rein, da tauchen ebenso unerwartet WM-Quali-Spiele aus Südamerika auf.

Eins aber fehlt: Eine kompakte und vollständige Übersicht, was DAZN an einem Tag zeigt. Ein gewollter Kommunikationsfehler? Die DAZN-Kommunikation ist aktuell zwar überaus bemüht, die Kommunikation an sich voranzutreiben, schielt da aber schon sehr auf die Highlights. Eine klare Übersicht, welche Spiele der WM-Qualifikation nun wirklich beim Dienstleister der vergangenen Woche liefen, gab es in einigermaßen ordentlicher Ausführung nur bei Partnerseite spox. Das dürfte nicht der Idealfall von guter Kommunikation sein. Das führt vielleicht sogar zu einem weiteren Problem: Wo außerhalb von Kreisen von Sport-Nerds wird aktuell noch über DAZN gesprochen? Hier bleibt enormes Potential aufgrund von Fehleinschätzungen ungenutzt. In Verbindung mit den technischen Problemen erhält man so den Eindruck, die Zuschauer sind in den ersten Wochen Augenzeugen eines "Work in Progress"-Programms.

Ebene 3: Der eigentliche Inhalt


Und erst die dritte Ebene des Sport-Angebots wirkt wirklich stimmig und passend – dabei ist es genau die, über die sich Außenstehende im Vorfeld die meisten Gedanken machten. Das zum großen Teil aus jungen Leuten bestehende Kommentatoren-Team macht mit den ebenfalls neu in diesem Bereich einsteigenden Experten und Co-Kommentatoren einen richtig guten Job. Die oft eingesetzte Doppel-Kommentation verleiht den Spielen eine deutlich tiefere Begleitung, obendrein profitiert DAZN auch von den vielen Zahlen, die der ebenfalls zu Perform gehörende Dienstleister opta erhebt. Inhaltlich also geht der Daumen klar nach oben.

Wie stabil ist DAZN nun also gebaut?


Was aber bringt das, wenn man "A" nicht weiß, dass ein Event überhaupt gezeigt wird und "B" dieses vielleicht nicht flüssig auf dem Schirm läuft. Die erste Frist für den Dienst läuft kommende Woche ab: Der jedem Kunden zu Beginn eingeräumte Gratismonat endet in diesen Tagen, die gleich zu Beginn, als der große Hype um DAZN entstand, einen Account angelegt hatten. Das wird eine erste Feuertaufe und ein Zeichen sein, wie hoch die Zufriedenheit der Nutzer ist:

Wer also zahlt für das Gebotene knapp zehn Euro im Monat?


Auf anderer Ebene entscheidend wird zudem das kommende Jahr: Dann sollen die Champions League-Rechte vergeben werden und somit die nächsten (und auf Jahre letzten) wichtigen Fußball-Rechte. Auch daran wird DAZN Interesse haben. In diesem Zustand, in dem sich das Projekt momentan aber noch befindet, wäre die UEFA doch ziemlich mutig, die Königsklasse dorthin zu vergeben. Und weiterhin alle wichtigen Fußballspiele bei Sky zu haben, ist genau das, was DAZN eigentlich nicht weiterbringt.

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