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Hält doppelt besser? Ideen-Recycling im Network-Fernsehen

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In der neuen US-Saison erblicken zahlreiche Formate das Licht der Welt, deren Ideen alles andere als neu sind. Welche Prämissen die Sender neu aufziehen und warum Ideen-Recycling so beliebt ist.

Zum Begriff: Ideen-Recycling

"Ideen-Recycling" bezieht sich auf die Wiederverwertung oder Wiederaufbereitung bekannter Inhalte, die so oder so ähnlich bereits zu einem früheren Zeitpunkt in den Medien veröffentlicht wurden. Formate, die solche alten Inhalte neu aufgreifen, setzen diese beispielsweise in Form von Spin-Offs alter Serien oder Filme sowie als Adaption von Filmen, Büchern oder Comics neu um.
Die neue TV-Saison ist in den USA angebrochen und das Absetzungsgespenst spukt schon wieder fleißig. In den vergangenen Jahren stieg die Furcht vor Serien-Fehlschlägen in der US-amerikanischen Fernsehindustrie rasant an. Nach der Saison 2013/2014 setzten die fünf Networksender ABC, CBS, The CW, FOX und NBC 42 Formate ab, während nur 66 Sendungen verlängert wurden – die Misserfolgs-Quote lag also bei knapp zwei Dritteln. Die Saison 2014/2015 verlief weniger schlimm: 35 abgesetzte Formate standen hier 83 verlängerten gegenüber. Gleichzeitig bedeutet dies, dass die Network-Sender noch immer etwa 42 Prozent ihres Line-Ups neu gestalten müssen, was einen hohen Aufwand und erhebliche Kosten verursacht.

Ein besonders auffälliger Trend war zuletzt jedoch unter den Newcomern im Network-Programm zu beobachten. Zu den verlängerten Formaten zählen nämlich vorwiegend Sendungen, die bereits einige TV-Jahre hinter sich haben. Besonders neue Formate haben es schwer. Von den 35 Sendungen, die die Network-Sender im Mai 2015 als offiziell abgesetzt erklärten, starteten satte 23 Formate überhaupt Anfang der vergangenen Saison in ihren Run – ungefähr zwei Drittel der ‚Freshmen‘ waren also zum Scheitern verurteilt. Auch in der neuen Saison zeichnet sich dieser Trend ab. Die zuvor massiv gehypten «Scream Queens» verloren nach durchwachsenem Start bei FOX an Zuspruch, ähnliche Verluste hatten «Minority Report», die «Muppets» oder «Life in Pieces» zu verkraften.

Kein Wunder also, dass sich die Networks immer häufiger davor scheuen, innovative Konzepte an den Zuschauer zu bringen. Da man die Programmplätze der abgesetzten Formate schließlich irgendwie füllen muss, bedienten sich die Networks in vielen Fällen einer Strategie, die das Risiko für einen Fehlgriff weitestgehend minimieren soll: Ideen-Recycling erfreut sich in den USA derzeit größter Beliebtheit. Das heißt, Sender setzen auf Spin-Offs, Film-, Roman- oder Comicadaptionen. Der Hintergedanke ist klar. Die Vorlagen dieser Formate haben sich bewährt und besitzen bereits eine Fangemeinde, die es deutlich wahrscheinlicher macht, dass sich diesem Programm zugewandt wird, als im Falle von gänzlich neuen Ideen. Während frische, in der Form noch nie dagewesene Formate also erst mühsam ein Publikum anlocken müssen, können die recycelten Ideen oft bereits auf ein solides Fundament aufbauen.

Recycling-Ranking der US-Networks: Neue Serien 2015/2016

  • FOX: 4 Formate («Lookinglass», «Lucifer», «Minority Report», «Akte X»)
  • NBC: 3 Formate («Chicago Med», «Heroes Reborn», «Coach»)
  • CBS: 3 Formate («Limitless», «Rush Hour», «Supergirl»)
  • ABC: 1 Format («The Muppets»)
  • The CW: 1 Format («DC’s Legends of Tomorrow»)
Besonders für NBC stellten die vergangenen zwei Seasons wahre Seuchenjahre dar. Während die Saison 2013/2014 genauso viele Absetzungen wie Verlängerungen hervorbrachte, beendete das Network nach der Saison 2014/2015 sogar mehr Formate (13) als Sendungen verlängert wurden (12). Daher findet man unter den Neustarts bei NBC auch gleich mehrere Adaptionen oder Spin-Offs. Darunter befindet sich beispielsweise «Chicago Med», der dritte Ableger des «Chicago»-Franchises nach «Chicago Fire» und «Chicago P.D.», das man ganz ähnlich aufbauen wird wie die Schwesterformate, bloß in einem anderen Setting. Mit «Heroes Reborn» führt NBC auch die Geschichte des Tim Kring-Formats «Heroes» weiter, das einst im Februar 2010 unrühmlich endete, jedoch noch immer viele Fans besitzt. Zudem findet sich in «Coach» ein Sequel zur gleichnamigen ABC-Serie, die dort zwischen 1989 und 1997 ausgestrahlt wurde.

FOX hat unter den Networks die zweitschwerste Saison hinter sich. Während 18 Sendungen eine weitere Staffel erhielten, segneten acht Sendungen das Zeitliche. Verständlich also, dass auch FOX auf Geschichten setzt, die sich bewährt haben. Eine dieser Geschichten stellt «Lookinglass» dar. Wem dieser Titel nichts sagt, dem hilft vielleicht der frühere Arbeitstitel auf die Sprünge. Unter dem Namen «The Frankenstein Code» wurde das Format produziert, das Inspiration aus dem Mary Shelley-Roman „Frankenstein“ schöpft. Mit «Lucifer» adaptiert FOX zudem einen DC Comic, über den Herrscher der Hölle, der sich oberhalb des Erdbodens unter die Leute mischt. «Minority Report» führt den gleichnamigen Steven Spielberg-Thriller mit Tom Cruise fort und schließlich kehren auch Mulder und Scully in einer sechsteiligen Eventstaffel von «Akte X» zurück.

Obwohl CBS die Saison 2014/2015 recht unbeschadet überstand, setzt auch der Sender, der vor allem beim älteren Publikum beliebt ist, auf alte Ideen. «Limitless» erzählt weitere Geschichten aus der Welt des gleichnamigen Bradley Cooper-Films, auch «Rush Hour» adaptiert die Filmserie, die 1998 unter dem gleichen Namen startete. Chris Tucker und Jackie Chan, die einst in der Actionkomödie auftraten, wurden hierbei durch neue, jüngere Gesichter ersetzt. Schließlich greift CBS in «Supergirl» noch die Geschichte des titelgebenden DC-Comiccharakters auf, der Cousine von «Superman».

Dagegen halten sich ABC und The CW fast schon zurück. ABC bildet lediglich neue Geschichten um die bereits lange bekannten Figuren der «Muppets» ab, dafür bietet Netflix bald eine Weiterführung der einstigen ABC-Serie «Full House» an. Schließlich widmet sich The CW mit «DC’s Legends of Tomorrow» nach «iZombie», «Arrow» oder «The Flash» einer weiteren Adaption eines Detective Comics.

Der Recycling-Wahn im US-Fernsehen bedeutet gleichzeitige Innovationsarmut. Serienfans werden zumindest teilweise hoffen, dass die Pläne der Sender im Rahmen der genannten Formate nicht aufgehen, sodass das Fernsehpublikum in den kommenden Jahren auch noch mit genügend neuen Ideen beliefert wird. Damit wieder Platz wird für Formate wie «Breaking Bad», «The Wire», «Die Sopranos» oder «The Walking Dead». Aber Moment mal: Diese Serien liefen ohnehin alle im Kabel-Fernsehen. Wird das Network-Fernsehen also zum Recycling-Hof?

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