Die Kritiker

Die Neuen überzeugen

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Die Kritiker: "Kälter als der Tod" heißt die Premierenfolge des neuen «Tatort»-Teams aus Frankfurt. Kann man an den Erfolg der Król- und Kunzendorf-Ära anknüpfen?

Cast & Crew

Vor der Kamera:
Margarita Broich als Anna Janneke
Wolfram Koch als Paul Brix
Roeland Wiesnekker als Henning Riefenstahl
Zazie de Paris als Fanny
Emily Cox als Miranda Kador
Charleen Deetz als Jule Sanders
Roman Knizka als Martin Kern

Hinter der Kamera:
Produktion: Hessischer Rundfunk
Drehbuch: Michael Proehl
Regie: Florian Schwarz
Kamera: Philipp Haberlandt
Anna Janneke hat vor kurzem noch als psychologische Beraterin für die Berliner Polizei gearbeitet. Heute ist ihr erster Arbeitstag bei der Frankfurter Mordkommission. Ihr Kollege Paul Brix ist auch neu im Job. Vorher war er „Straßenköter von der Sitte“, wie es sein eigensinniger Vorgesetzter formuliert.

Ihr erster Fall hat es in sich. Es geht ins Haus der Familie Sanders. Fast die ganze Familie ist ausgelöscht worden. Nur eine der Sanders, die siebzehnjährige Jule, liegt nicht blutüberströmt mit diversen Einschusslöchern im Körper am Tatort. Doch ihre Mutter, ihr Vater und ihr Bruder sind tot.

Jule wird bald gefunden werden, in einem Kellerverlies auf dem verlassenen Grundstück ihres verstorbenen Großvaters. Dort harrt sie zusammen mit Miranda aus, ihrer ein bisschen älteren Nachhilfelehrerin und Freundin der Familie. Die beiden haben eine Liebelei angefangen, die aber schon vor den Morden und der Entführung unter keinem guten Stern stand.

Bei der Suche nach Verdächtigen stoßen Janneke und Brix ziemlich schnell auf Martin Kern, den Schwager der ermordeten Lydia Sanders. Seine Frau Silke hatte sich mit Lydia seit langer Zeit um das Erbe des verstorbenen Vaters gestritten. Bei den Ermittlern schrillen die Alarmglocken, denn Martin Kern war vor zwölf Jahren in Verdacht geraten, einen alten Mann aus dem Weg geräumt zu haben, der ihn im Testament bedacht hatte.

Der Fall wird noch komplexer werden. Das stört nicht, denn die Premierenfolge des neuen Frankfurter Teams widmet dem Psychogramm der Familie Sanders und ihrer Freundin Miranda angenehm viel Zeit, in der Stück für Stück alte Wunden an die Oberfläche dringen, die die Figuren nie verarbeiten konnten.

Die Ermittler treten da fast ein bisschen in den Hintergrund, obwohl das ihr erster Auftritt ist. Auch das stellt sich schnell als kluge dramaturgische Entscheidung heraus. Denn anders als viele andere «Tatort»-Kommissare sind Anna Janneke und Paul Brix nicht überfrachtet mit allerhand emotionalem Ballast, mit berechneten Klischees und überstrapazierten Schrullen. Der „Straßenköter von der Sitte“ ist kein fatalistischer Hau-Drauf, sondern ein sensibler, nahbarer, freundlicher Mann; die Psychologin Janneke wird nicht zum bloßen Abladen von Exposition missbraucht, sondern ist ebenso als vielschichtige, glaubwürdige Figur angelegt.

„Kälter als der Tod“ zeichnet sich durch den angenehm unaufgeregten Duktus aus, in dem seine Charaktere und Plots erzählt werden. Den narrativen Kern bildet die herzzerreißende Geschichte um eine traumatisierte junge Frau, die ihre schwere Vergangenheit nie überwunden hat und deren Suche nach Geborgenheit letztlich in der unverschuldeten Zurückweisung endet. Wunderbar, wie dieser «Tatort» da das Plakative vermeiden kann – und wie grandios Darstellerin Emily Cox am Schluss ihren Monolog vorträgt, ohne ihn zum Mantra werden zu lassen.

Das führt zu einer Beobachtung, die mit der einzige Kritikpunkt an dieser sehr gelungenen Premiere sein dürfte: Sie hätte den Krimi nicht gebraucht. Die Perspektive der Ermittler dürfte nicht die Ergiebigste gewesen sein. Zweifellos: „Kälter als der Tod“ ist ein einnehmender Film geworden, mit wohldurchdachten, interessanten Charakteren, einer spannenden Geschichte und einem stimmigen Spannungsbogen. Doch man kommt an der These nicht vorbei, dass der Stoff als Psychodrama noch spannender und interessanter gewesen wäre, ohne sich die starre formale Struktur des Krimis aufbürden zu müssen.

Wirklich störend ist nur das Finale, das durch seinen Übereinsatz an Zeitlupen und großen Gesten unpassend theatralisch geworden ist, was der vorherigen sehr bedachten und zurückhaltenden Inszenierung eigentlich zuwider läuft. Ansonsten hat man sehr viel richtig gemacht.

So kann es gerne weitergehen.

Das Erste zeigt «Tatort – Kälter als der Tod» am Sonntag, den 17. Mai um 20.15 Uhr.

Kurz-URL: qmde.de/78239
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