Hingeschaut

«Messer, Gabel, Herz», oder: «Das perfekte Liebes-Dinner»

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Die neue Sat.1-Kuppelsoap «Messer, Gabel, Herz» beruht auf einer bekannten Idee ...

Wie es stattdessen hätte laufen können ...

Während «Messer, Gabel, Herz» angenehm harmlos und relativ kurzweilig ist, fällt es schwer, die Erinnerung an «Schwer verliebt» aus dem Gedächtnis zu verbannen. Wer sie dennoch auffrischen mag, sei auf unsere Kritik verwiesen.
Kuppelsendungen haben im deutschen Fernsehen eine lange Tradition. Die unschuldig- verspielten Tage von «Herzblatt» sind jedoch schon lange vorbei. Stattdessen überschlagen sich in regelmäßigem Abstand die negativen Feuilletonkritiken, in denen Kuppel-Dokusoaps wie «Bauer sucht Frau», «Schwer verliebt» oder «Schwiegertochter gesucht» auf ihre gehässigen Kommentare über die naiven Kandidaten abgeklopft werden und das gesamte Subgenre berechtigterweise ob seines Voyeurismus und seiner Lust an der Fremdscham gescholten wird. Angesichts des derzeitigen Stands der televisionären Kuppelei sind die Grunderwartungen an das neue Sat.1-Format äußerst niedrig angesetzt. Der Erfahrung nach dürfte die Nachmittags-Dokusoap nichts weiteres sein, als eine weitere Sendung, in der Fernsehteams verzweifelte Singles vor die Kamera scheuchen und sich ins Fäustchen lachen, wenn sie sich von ihrer unbeholfen Seite zeigen.

Doch das in Österreich bereits beim zur ProSiebenSat.1-Gruppe gehörenden Privatsender Puls 4 erprobte Format «Messer, Gabel, Herz» zählt erfreulicherweise nicht zu den modernen Liebes-Dokusoaps, die darauf zählen, dass das Fernsehpublikum fremde Menschen bloßgestellt sehen will. Stattdessen lebt es von der harmlosen, unbescholtenen Neugier, die auch den VOX-Dauerbrenner «Das perfekte Dinner» ausmacht. Überhaupt eröffnen sich dem geneigten Zuschauer während der ersten Ausgabe von «Messer, Gabel, Herz» einige Parallelen zu der charismatisch-trivialen VOX-Sendung.

Die „Spielregeln“ der Dokusoap sind schnell erklärt: Die einsame Protagonistin der Woche, zum Start des deutschen Ablegers handelt es sich dabei um die 45-jährige Inga, wird im Laufe von vier Ausgaben acht Dates mit jeweils einem Single absolvieren. Sie besucht den Junggesellen bei sich zuhause, wo er sie mit einem Drei-Gänge-Menü und einem netten Plausch für sich zu gewinnen versucht. Daraufhin geht es in der selben Ausgabe zum nächsten Anwärter um ihr Herz. Nach den beiden Dates entscheidet die Dame, welcher Mann einen besseren Eindruck hinterließ – die vier Tagesgewinner ziehen in das freitags stattfindende Finale, wo der Spieß umgedreht wird und die Herren bekocht werden. Am Ende des Finales bekommen drei Kandidaten die Tür gezeigt – und einer die Chance, weiter das Herz der Alleinstehenden zu umgarnen.

«Messer, Gabel, Herz» nimmt sich neben der Grundidee, den Zuschauer bei einem ruhigen Kochabend in fremden Wohnungen Mäuschen spielen zu lassen, auch weitere Ansätze aus «Das perfekte Dinner»: Da sind die Menüankündigungen mit teils rätselhaften Speisenamen, die von der Bekochten mit einer Freundin kommentiert werden, sowie die „heimliche Erkundungstour“ durch die vier Wände des Gastgebers mit ihrer „geheimen Agenda“, so mehr über den derzeit hinter dem Herd stehenden Koch rauszufinden. Und obendrein verteilt ein sympatisch-frecher Off-Kommentator verdiente, niemals zu gehässige Spitzen bezüglich Fehlplanungen, schlechte Kochkünste und schräge Statements der Kandidaten. An den Witz des Originals reicht die Sat.1-Kopie nicht heran, trotzdem ist der «Messer, Gabel, Herz»-Sprecher in Zeiten bitterbös-trockener Kommentare, wie sie in «Bauer sucht Frau» und Co. zu hören sind, fast schon eine Wonne.

Die aus dem VOX-Klassiker bekannte Punktevergabe entfällt derweil. Dafür nimmt der Junggeselle, der die Single-Dame der Woche gerade nicht bekocht, in einer Bluebox Platz und gibt seinen Senf zum gerade ablaufenden Date ab. Da die «Messer, Gabel, Herz»-Redaktion zur Premiere zwei so konträre Kerle wie den muskelbepackten, 39-jährigen, Hamburger Türsteher Fabian mit seiner unverblümt ehrlichen Art und den sensiblen, 46-jährigen Hobbymusiker Dieter gegeneinander antreten ließ, hagelte es in der Premierenausgabe einige verständnislose Kommentare – wovon sich die Macher des Formats wohl etwas Anspannung und Wettbewerbsdenken versprachen. Tatsächlich aber erhielten sie nur eine Form der Gehässigkeit, die zu menschlich ausfiel, um die Frechheit eines modernen Kuppelformats zu erreichen, aber zu feindselig, als dass der Charme des Grundkonzepts ihr standhalten konnte.

Dessen ungeachtet ist «Messer, Gabel, Herz» ein angenehm unspektakuläres, gemütliches Kuppelformat, das sich zur Premiere fair gegenüber seinen Teilnehmern verhielt und die Zuschauer zu einer netten Stunde mit zwei Fremden einlädt, die sich während eines Dinners etwas besser kennenlernen. Der Witz aus dem Off könnte etwas Feinschliff gebrauchen und wenn die Redaktion nicht tagtäglich die Gastgeber-Auswahl auf Krawall bürstet, erhält das generell nette Format auch ein paar zusätzliche Sympathiepunkte. Die grundlegende Frage wird bei diesem Kuppelformat also keine moralische sein, sondern folgende: Ist im deutschen Fernsehen genug Platz für ein zweites «perfektes Dinner»?

Die neue Sat.1-Sendung «Messer, Gabel, Herz» ist ab sofort immer montags bis freitags um 16 Uhr zu sehen.

Kurz-URL: qmde.de/64405
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