Hingeschaut

Generationenprojekt bei VOX: Unterhaltung, die das Herz erwärmt

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Mit «Wir sind klein und ihr seid alt» startet VOX am Montagabend eine Sendung, die Kindergartenkinder mit Senioren zusammenbringt - ein Experiment, das am Ende nur Gewinner kennen kann. Unsere TV-Kritik…

Was war das schön, als Kai Pflaume im vergangenen Dezember sechs hochaltrigen Menschen über die Schulter schaute. Im Rahmen der dritten Staffel von «Zeig mir Deine Welt» tauchte der ARD-Moderator in den Alltag von 100-Jährigen ein und sorgte damit für ein echtes TV-Highlight an Weihnachten. Dem Format gelang es, Authentizität, Emotionalität und Unterhaltsamkeit auf hohem Niveau zu vereinbaren.

Auch wenn der große Quotenerfolg ausblieb, lässt sich VOX nicht verunsichern und stellt in seiner neuen Sendung ebenfalls Senioren in den Mittelpunkt. «Wir sind klein und ihr seid alt», so der Name der Produktion, basiert auf dem britischen Format «Old People's Home for 4 Year Olds». Der etwas sperrige deutsche Titel soll dabei nicht darüber hinwegtäuschen, dass der verantwortenden Produktionsfirma RedSeven Entertainment ein schönes und spannendes Sozialexperiment gelungen ist.

Genau genommen bringt die dreiteilige Doku-Reihe zehn Kindergartenkinder mit ebenso vielen Senioren zusammen, die über sechs Wochen hinweg Zeit miteinander verbringen. Es ist ein Experiment, von dem im Idealfall beide Seiten profitieren sollen. In einer Gesellschaft, in der immer mehr Menschen unter Dauerstrom stehen, scheinen Hochaltrige und Kindergartenkinder noch die Einzigen zu sein, die Zeit haben. VOX bringt beide Gruppen zusammen und schaut, was passiert.

Schnell wird deutlich, dass zumindest einige der teilnehmenden Senioren mit ihrem aktuellen Leben nicht zufrieden sind. Ihre Kräfte lassen nach, die Krankenakten sind gut gefüllt, Einsamkeit ist bei vielen ein ständiger Begleiter. Während der emotionalen Vorstellung der Älteren fließen Tränen, doch die sind schnell getrocknet, als die Kinder den Gemeinschaftsraum betreten.

Nach einem langsamen und vorsichtigen Annähern finden die Kleinen mit ihrer offenen und ehrlichen Art schnell einen Zugang zu den Senioren. Franz, der mit 92 Jahren der älteste und einzige männliche Teilnehmer ist, zeigt zunächst Skepsis. Trotz körperlicher Leiden sei er zufrieden und wisse nicht so recht, was das Experiment bewirken könne. Doch schon nach einigen Tagen hat der Rentner einen guten Draht zum vierjährigen Christian gefunden. Besonders herzerwärmend wird es, als der kleine Christian den alten Franz als seinen Freund bezeichnet.

Ähnlich ergeht es Helga, auch sie sammelt beim Spielen mit den Kindern gute Erfahrungen "Ein kleines Mädchen hat mich von Herzen angestrahlt. Man ist so froh, wenn man wieder als Mensch wahrgenommen wird", berichtet sie stolz, nachdem sie zuvor noch ihren monotonen Alltag beklagt hatte. Es sind intime Momente wie diese, die «Wir sind klein und ihr seid alt» so emotional und sehenswert machen.

Bei alledem vermittelt der Neustart wie so viele andere VOX-Produktionen auch einen hohen Grad an Authentizität. Zum einen liegt das an Expertinnen und Experten - im konkreten Fall ein Mediziner, eine Psychologin und eine Alterswissenschaftlerin - die das Experiment begleiten und kommentieren. Vor allem aber fällt positiv ins Gewicht, dass Situationen mit alten Menschen genauso wenig planbar wie mit Kindern sind. Was in der Sendung gezeigt wird, passiert so tatsächlich. Mit der Auswahl der gesendeten Zitate und O-Töne mag VOX an der einen oder anderen Stelle etwas stärker zuspitzen als es etwa in «Zeig mir Deine Welt» der Fall ist - der Glaubwürdigkeit der Sendung schadet das aber nicht, schließlich wird auf sonstige überflüssige Dramatisierungselemente verzichtet.

Qualitativ bewegt sich «Wir sind klein und ihr seid alt» also zweifelsfrei auf hohem Niveau. Das Format ist gut produziert und behandelt ein spannendes Thema, das so im deutschen Fernsehen noch nicht angegangen wurde (und das man gerade bei einem Privatsender eher nicht erwarten würde). Die Hauptfrage, die sich nach Sichtung der ersten Folge stellt, ist somit, ob die Sendung genügend Menschen zum Einschalten bewegen wird.

Ähnlich wie bei den vor einem knappen halben Jahr gezeigten Formaten «Unsere Schule» und «Eine Nacht mit dem Ex» (Kritiken in der Infobox) bewegt man sich auf einem schmalen Grat. Entschleunigendes Fernsehen mag den einen begeistern, während es der andere als langweilige empfindet. Schließlich mag es auch die Menschen geben, die womöglich am Ende ihres Erwerbsleben stehen, sich mit den aufdrängenden Fragen des Alters aber schlicht noch nicht beschäftigen wollen. Sie werden den Weg zu der Sendung wohl ebenfalls nicht finden.

Fazit: «Wir sind klein und ihr seid alt» ist eine tolle TV-Sendung, die sich der geneigte VOX-Zuschauer auf keinen Fall entgehen lassen sollte. Sie lebt von echten Emotionen, regt zum Nachdenken an und zeichnet sich durch einen hohen Grad an Unmittelbarkeit und Ehrlichkeit aus. Die Idee, ältere Menschen mit Kindern zusammenzubringen ist dabei so gut, dass es eigentlich viel zu schade wäre, würde es nur bei einem TV-Experiment bleiben. Es wäre wünschenswert, würden wir uns als Gesellschaft vom Grundgedanken des Formats etwas in unseren Alltag mitnehmen.

Insgesamt drei Folgen von «Wir sind klein und ihr seid alt» zeigt VOX ab Montag Abend immer montags um 20.15 Uhr.

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