Sonntagsfragen

'Die deutschen Film- und Serienschaffenden müssen sich nicht mehr hinter Hollywood verstecken'

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Für UFA-Fiction-Geschäftsführer Nico Hofmann ist die Rechnung einfach: Eine gut gemachte deutsche Produktion mit entsprechend klarer künstlerischer Identität verkauft sich im Ausland besser als ein Kompromissprodukt. Mehr dazu in unserem interview.

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Ich nehme mir Kritiken immer sehr zu Herzen. Das Spektrum der Kritik ist zum Glück sehr groß. Für Programme auf einem der großen Sender gibt es teilweise mehr als 200 Kritiken, wenn ich mir die alle durchlese, bekomme ich im Grunde einen Querschnitt, ein sehr gutes Meinungsbildung. Beim Lesen der Kritiken gewinne ich oftmals sehr starke und klare Erkenntnisse.
Nico Hofmann, Produzent und UFA-Fiction-Geschäftsführer
Um den Fokus wieder auf den eigenen Markt zu lenken: Selbst wenn der Vergleich mit den Produktionen aus den USA ständig im Raum schwebt, kann sich die TV-Branche ja wirklich nicht beklagen. Während im Kino der deutsche Film zwischen 20 und 25 Prozent des Marktes ausmacht und zumeist Hollywood die vorderen Plätze der wöchentlichen Charts belegt, obsiegen im hiesigen Fernsehen zumeist deutsche Produktionen. Woran liegt das Ihrer Meinung nach?
Zunächst einmal hat sich die Fiktion im deutschen Fernsehen in den vergangenen Jahren ungeheuerlich professionalisiert. Im europäischen Vergleich haben wir mit den Skandinaviern aufgeschlossen. Das ist keine Feststellung von mir – der 'Figaro' in Frankreich und der 'Guardian' in London haben kürzlich sogar das deutsche Zeitalter des High-End-Dramas ausgerufen. Hinzu kommt, dass sich deutsche Fiktion auf eine sehr stabile Zuschauerzahl im eigenen Land verlassen kann: Es gibt ein verlässliches Stammpublikum, das deutsches Programm schaut und das auch dran bleibt, wenn experimentiert beziehungsweise Neues gewagt wird - wie wir bei einigen «Tatort»-Produktionen sehen können.

Trotz des internationalen Marktes, der sich uns seit kurzem öffnet, haben wir als Produzenten natürlich auch die deutschen Zuschauer im Blick. Daher auch meine Prognose, dass die US-Programme im deutschen Fernsehen in den nächsten Jahren deutlich weiter zurückgehen und einheimische Programme noch mehr an Bedeutung gewinnen werden. Das wird in vielen anderen Märkten auch so ablaufen.

Sie sprachen soeben vom Publikumserfolg, der natürlich im Fernsehen sehr wichtig ist. Mit Preisen schmücken sich Produzenten ja auch sehr gerne, weil diese ihren Projekten Prestige verleihen. Aber wie wichtig sind letztlich eigentlich Kritiken? Polemisch lässt sich über den Umgang der Branche mit Kritikern sagen: Wenn Kritiker loben, werden mit deren Zitaten liebend gern Werbetrailer verziert. Und sonst werden sie ignoriert oder schlechtgeredet.
Ich nehme mir Kritiken immer sehr zu Herzen. Das Spektrum der Kritik ist zum Glück sehr groß. Für Programme auf einem der großen Sender gibt es teilweise mehr als 200 Kritiken, wenn ich mir die alle durchlese, bekomme ich im Grunde einen Querschnitt, ein sehr gutes Meinungsbildung. Beim Lesen der Kritiken gewinne ich oftmals sehr starke und klare Erkenntnisse. Daher nehme ich positive wie auch negative Kritiken sehr ernst. Mir geht es dabei nicht um Zitate, die ich für einen Trailer nutzen kann, sondern um die Diskussion, die sie ermöglichen.

Ein Journalist, der argumentiert und erklärt, weshalb er zu seinen Schlüssen kommt, ist für mich viel interessanter, als einer, der Lob oder einen Verriss ohne Fundament verfasst. Da sind wir wieder bei dem Punkt, dass der Diskurs für mich so wichtig ist. Ich genieße auch Gespräche mit Zuschauern. Bei der UFA testen wir unsere Filme sehr ausführlich, und ich setze mich liebend gern mit in die Testgruppen und diskutiere mit dem Publikum
Nico Hofmann, Produzent und UFA-Fiction-Geschäftsführer
Gibt es eine bestimmte Art von Kritiken, die sich für Sie als besonders hilfreich erwiesen hat?
Vor dem Hintergrund, dass manche Kritiker meinen kompletten Werdegang begleitet haben und mich schon als unerfahrenen jungen Regisseur kannten, bedeuten mir diese Kritiken natürlich sehr viel. So jemand wie Nikolaus von Festenberg zum Beispiel schreibt seit über 20 Jahren über mich. Aber es gibt auch viele gute jüngere Journalisten, die ich sehr schätze. Wirklich wichtig ist mir, dass ich eine gewisse Ehrlichkeit herauslese, dass sich also jemand ehrlich mit einer Produktion auseinandergesetzt hat.

Ein Journalist, der argumentiert und erklärt, weshalb er zu seinen Schlüssen kommt, ist für mich viel interessanter, als einer, der Lob oder einen Verriss ohne Fundament verfasst. Da sind wir wieder bei dem Punkt, dass der Diskurs für mich so wichtig ist. Ich genieße auch Gespräche mit Zuschauern. Bei der UFA testen wir unsere Filme sehr ausführlich, und ich setze mich liebend gern mit in die Testgruppen und diskutiere mit dem Publikum, weil ich wissen will, wie und warum etwas wirkt. Ich mag zum Beispiel überhaupt keine dogmatischen Kritiken, die sich darauf beziehen, dass jemand ein bestimmtes Genre oder eine bestimmte Schauspielerin nicht sehen möchte.

Sie sprachen Ihre Vergangenheit als Regisseur an … Gibt es einen Stoff, eine Epoche oder vielleicht ein bestimmtes Ereignis, das Sie denken lässt: "Um das zu erzählen, würde ich auch nochmal auf dem Regiestuhl Platz nehmen!"?
Nein, mit dem Regieführen habe ich abgeschlossen. Dazu habe ich nicht die Geduld. Als Regisseur braucht man eine Wahnsinnsgeduld, weshalb ich die Kollegen unglaublich respektiere. Das ständige Warten am Set würde ich heute gar nicht mehr aushalten und es gibt viele talentiertere Regiekollegen. Daher wüsste ich nicht, was mich auf den Regiestuhl zurückholen könnte.

Vielen Dank für das Gespräch.

«Der gleiche Himmel» ist am 27., 29. und 30. März um 20.15 Uhr im ZDF zu sehen und eine Produktion der UFA Fiction in Koproduktion mit Beta Film im Auftrag des ZDF.

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