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Öde Zombies: Warum man vor der Qualität von «Fear the Walking Dead» mehr Angst als vor den Untoten haben muss

von   |  12 Kommentare

«The Walking Dead» mischt seit 2010 qualitativ und in Sachen Quoten den TV-Markt auf. Ehrensache, dass ein Spin-Off folgen musste? Warum dieses eine der größten Enttäuschungen der modernen Fernsehgeschichte ist, lest ihr in diesem Special.

Ideale Ausgangslage


Zombie-Infos

  • Erstausstrahlung: 31.10.2010
  • Entwickelt von: Frank Darabont
  • Komponist: Bear McCreary
  • Episodenzahl: 84 (Stand 23.10.2016)
  • Laufzeit: 42 bis 67 Minuten
Es ist eine beispielhafte Erfolgsgeschichte. Die Comicreihe «The Walking Dead» war seit 2003 zu einer veritablen und rentablen Publikation mit starker Fanbase geworden. Autor Robert Kirkman hatte eine Dystopie geschaffen, in der sich die facettenreichen Charaktere von einer ausweglosen Situation in die nächste manövrierten und bot diese Geschichten mit einer großen Portion Gewalt und Düsternis an.

Autor, Produzent und Regisseur Frank Darabont, der mit Perlen wie «The Green Mile» oder «The Shawshank Redemption» aufwarten kann, adaptierte die Story um Polizist Rick Grimes für den kleinen Kabelsender AMC, nachdem er bereits 2005 über eine Ausgabe gestolpert war und sofort Feuer gefangen hatte. Auf seinem Weg zur Umsetzung hatte gar NBC die Serie abgelehnt – ein schwerer Fehler.

Die erste sechs Episoden wurden vom Publikum gefeiert, ernteten obendrein aber auch gute Quoten. Dennoch musste Darabont die Produktion wegen Differenzen verlassen und erlebte den unfassbaren Aufstieg der Serie gar nicht mehr aus erster Hand. In der dritten Staffel knackte man das erste Mal die 10-Millionen-Zuschauermarke. In Staffel 4 übersprang eine Episode die 16 Millionen, in Staffel 5 eine sogar die 17 Millionen. Dass es danach etwas zurückging tut dem Erfolg keinen Abbruch. Aktuell läuft die siebte Staffel in den USA an – und ein Ende ist noch lange nicht in Sicht.

Blieb nur eine Frage offen: Findige Produzenten würden doch wohl aus einer derartigen Wollmilchsau ein Prequel, Sequel oder Spin Off irgendeiner Art erdenken können? Selbstverständlich würden sie.

Die Idee ist eigentlich gut…


Bereits 2013 kündigte man eine sogenannte Companion-Serie an, die als Prequel starten und mit der Zeit die Ur-Serie einholen sollte. Neben dem Arbeitstitel «Cobalt» kursierten spaßige Titelvorschläge wie «Walking Dead: Los Angeles» durchs Netz – 2015 war es dann jedoch soweit und AMC stellte das Projekt offiziell als «Fear the Walking Dead» vor. Ein Name, der zwar durchaus clever mit dem Originaltitel spielte, letztlich aber auch jegliche Eigenständigkeit vermissen ließ.

Um Fans des Originals zu ködern, verlegte man den Start der Serie auf einen Zeitpunkt vor den Ereignissen aus dem Piloten zu «The Walking Dead» und zeigte den Ausbruch der Seuche in Los Angeles am Beispiel einer mehr als komplizierten Familie.

Die Einschaltquote zum Start lag im August 2015 mit knapp 10 Millionen deutlich unter den Werten des Originals, das just mit 15,78 Millionen in die Sommerpause nach Staffel 5 gegangen war. Dennoch stellte der Wert für AMC natürlich ein Pfund dar, das keine andere Serie im Portfolio generieren konnte. Jedoch fielen die Werte bis zum Staffelende im Oktober auf 6,86 Millionen. Nur eine Woche später startete «The Walking Dead» mit 14,63 Millionen in die neue Runde.

Für Staffel 2 bestellte man statt sechs nun fünfzehn Episoden, die zwischen April und Oktober 2016 ausgestrahlt wurden. Zum Staffelauftakt schaltete 6,67 Millionen ein - und erneute setzte ein großer Schwund ein. Den Tiefpunkt bildete die zehnte Episode mit 2,99 Millionen. Zum Staffelende waren es dann 3,05 Millionen. Und auch hier hilft ein Blick rüber zum Original: Die sechste Staffel hatte sich nur eine Woche vor Staffelstart des Nachfolgers mit 14,19 Millionen aus Staffel 6 verabschiedet und vergangenen Sonntag räumte die erste Episode des siebten Durchgangs mit 17,03 Millionen die zweitbeste Einschaltquote der Serienhistorie ab. Der Zombiehype an sich scheint also ungebrochen – zumindest was die Originalserie angeht. Dennoch verlängerte AMC auch den Companion zuletzt um eine dritte Staffel. Wo aber waren die ganzen Zuschauer bloß abgeblieben?

… die Ausführung leider nicht


Die Antwort ist ganz einfach: Geflohen oder eingeschlafen. Auf diese zwei Nenner muss man die Wirkung der Serie auf die Zuschauer leider reduzieren.

Hatten die ersten sechs Episoden noch durchaus einen Mehrwert kreiert, da man durch sie eine Phase der Seuche erleben konnte, die bisher im Dunklen lag, war bereits mit dem Ende der ersten Staffel dieser interessante Fokus komplett abhandengekommen.

Mit der Versetzung der Überlebenden auf das Schiff des leider eher nervtötenden als mysteriösen Mr. Strand, zeigten sich ungebremst die Schwächen der Show: Flache Charaktere ohne jede Identifikationsmöglichkeit, schwache Darsteller, zu denen keine emotionale Bindung möglich war und vorhersehbare, abgekupferte und uninspirierte Stories, die man nicht nur in der Ur-Serie schon viel besser gesehen hatte. Gerade in Bezug auf die Charaktere und ihre Darsteller liegt hier das Versäumnis der Produzenten auf der Hand. Kurz gesagt: Wo «The Walking Dead» seit sechs Jahren ständig Stammcharaktere umbringen kann und immer noch ausreichend starke Figuren übrig behält, würde man beim Nachfolger bisher niemanden wirklich vermissen.

Dass sich die Geschichten zudem ständig im Kreis zu drehen scheinen und eine unerträgliche Vorhersehbarkeit aufweisen, gibt der Dramaturgie den Rest. Wer damals beim Original die Zeit auf Hershels Farm schon als langwierig und bedeutungsarm empfunden hatte, wird hier mit der kompletten zweiten Staffel leider eines besseren belehrt.

Sechs, setzen!


Das größte Problem der Serie liegt jedoch ganz banal in der Konzeption und entstand somit bereits am Reißbrett: Die Produzenten und Autoren haben vom Start weg einen relevanten Punkt nicht bedacht, der – sofern man ihn erstmal bemerkt hat – nur noch störend und befremdlich wirkt.

Steckbrief

Björn Sülter ist bei Quotenmeter seit 2015 zuständig für Rezensionen, Interviews & Schwerpunkte. Zudem lieferte er die Kolumne Sülters Sendepause und schrieb für Die Experten und Der Sportcheck.
Der Autor, Journalist, Podcaster, Moderator und Hörbuchsprecher ist Fachmann in Sachen Star Trek und schreibt seit 25 Jahren über das langlebige Franchise. Für sein Buch Es lebe Star Trek gewann er 2019 den Deutschen Phantastik Preis.
Er ist Headwriter & Experte bei SYFY sowie freier Mitarbeiter bei Serienjunkies, der GEEK! und dem FedCon Insider und Chefredakteur des Printmagazins TV-Klassiker und des Corona Magazine.
Seine Homepage erreicht ihr hier, seine Veröffentlichungen als Autor auf seiner Autorenseite.
Die Charaktere ihrer zweiten Serie verhalten sich die meiste Zeit, als hätten sie Zugriff auf das Wissen um die Erlebnisse der Charaktere der ersten Serie. Hier wurde vermutlich ein Spagat versucht, die Kenntnisse der Zuschauer über das Grundsetting zu benutzen und Wiederholungen zu vermeiden – leider wird durch diesen Kniff aber auch das Verhalten der Protagonisten dieser zweiten Serie die meiste Zeit vollkommen absurd.

Fähigkeiten und Erkenntnisse kommen aus dem Nichts angeflogen, keiner fragt sich, was es mit dieser ganzen Situation eigentlich auf sich hat, kleinkarierte Zankereien und Streitereien prägen das Bild und die Umwelt vermittelt obendrein den Eindruck, dass sich dieses Schreckensszenario bereits seit Jahren entwickelt hat. Somit hat man sich zwar irgendwie im Eiltempo dem Vorgänger angeglichen, dabei aber jegliche Eigenständigkeit verspielt.

In der Summe aus faden Charakteren, schwachen Darstellern, trostlosen Büchern und keinerlei emotionaler Bindung bleibt die Serie somit eine visuell gute Show, die sich aber zu sehr darin gefällt, eine erfolgreiche Spielwiese zu betreten, ohne sie zu verstehen oder wirklich zu nutzen. Vielleicht sollte man eben doch nicht jede Kuh von Morgengrauen bis Sonnenuntergang melken. Sehr, sehr schade.

Fazit


Nur ganze sechs Episoden lang war «Fear the Walking Dead» eine nette Ergänzung zum großen Vorbild. Seitdem jedoch regieren Langeweile und Frust. So spannend und mitreißend die Ur-Serie gerade in den ersten Jahren oft war und zeitweise sogar noch ist, so schal und überflüssig kommt der zweite Aufguss daher.

Eine dritte Staffel hätte es nie im Leben gebraucht. Wer diese überhaupt noch schaut und übersteht, überlebt garantiert auch jede Zombie-Apokalypse. Das ist vielleicht ja auch irgendein Mehrwert.
Wie bewertet ihr den Ableger Fear the Walking Dead?
Besser als das Original!
2,6%
Mindestens gleichwertig
11,8%
Schwächer als die Ur-Serie
43,4%
Eine absolute Enttäuschung
42,2%


In Deutschland zeigt bisher Amazon die Serie exklusiv. Für das lineare Fernsehen hat sich RTL II die Rechte geschnappt, aber noch keinen Termin kommuniziert.

Kurz-URL: qmde.de/88934
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Es gibt 12 Kommentare zum Artikel
Blue7
29.10.2016 12:02 Uhr 1
Fand die 1.Staffel sehr gut, die 1. Hälfte der 2.Stafel war ok, die 2. Hälfte der 2.Staffel hab ich nach 2 Folgen eingestellt. So stinke langweilig
Sentinel2003
29.10.2016 14:26 Uhr 2
Ich bin erst Anfang der Staffel 1 und diese Folgen sind sehr gut!!



Und, mit "6 setzen" finde ich das Fazit der Serie von Herrn Sülter ziemlich hart!!
profizocker
29.10.2016 14:58 Uhr 3
Aufgrund der Tatsache, dass Staffel 1 so langweilig war, habe ich mich noch nicht dazu überwinden können Staffel 2 zu sehen.
altmann
29.10.2016 21:02 Uhr 4
Staffel 1 fand ich OK, aber nicht weltbewegend.



Staffel 2 fing meiner Meinung nach ziemlich langweilig an, hat sich hinterher aber gebesser. Gerade die letzten 5-6 Episoden waren nicht schlecht. Mir gefiel das Setting mit dem Hotel sehr gut. Klar - eine Reminiszenz an das Gefängnis aus TWD, aber trotzdem. Die Atmosphäre passte da.



Was stimmt, ist der übertriebene Einsatz an "Kenntnis" über die Zombies. Das sich mit dem Blut der Zombies einreiben, um durch Horden zu gehen, wurde zu früh zu oft eingesetzt. Durch diesen "Trick" verlieren eigentlich sogar große Horden ihre Gefahr.. Das war definitiv nicht schlau gelöst.



Die Charaktere sind leider wirklich noch ein wenig blass.. Aber teilweise definitiv ausbaufähig. Mir fehlt noch das polarisieren der Gegenspieler aller Governeur oder Negan. Ich freue mich aber auf die dritte Staffel.
Vittel
30.10.2016 00:19 Uhr 5
So dramatisch sehe ich es mittlerweile auch nicht mehr. Ja, deutlich schwächer, aber die letzen Folgen waren durchaus gut.

Das mit dem "Wissen über Zombies" braucht man auch nicht groß hinterfragen. Zu schnell kommt man sonst in eine Logikfalle, denn in diesem Serienuniversum passt eigentlich kaum etwas so richtig.
Waterboy
30.10.2016 09:36 Uhr 6
Aus der Serie hätte man soviel machen können, stattdessen hat AMC einfach nur schnell einen weiteren goldesel gesucht ohne sich anscheinend groß über dessen Qualität Gedanken zu machen.



Man hatte eine perfekte ausgangssituation, hätte die Figuren mit Fremden konfrontieren können, sich zeit mit der Ausbreitung der Seuche nehmen können , evtl sogar der Ursache auf den Grund gehen können. Stattdessen war die Serie schon nach 3 Folgen einfach nur TWD 2.0. mal abgesehen das man sich fragt wie die im Schneckentempo schlürfenden Zombies die Army und die ganze Stadt innerhalb von gefühlt ner Stunde übernehmen können, lässt man die Hauptfiguren genau das gleiche tun, was Rick und Co zum damaligen Zeitpunkt schon 5 Seasons getan haben. Weglaufen, sichere Bleibe suchen, diese wieder verlieren und weglaufen.



Was bei der Mutterserie schon langweilig wurde und nur von dem ein oder anderen interessanten Charakter getragen wurde, geht hier völlig unter da alle Figuren komplett farblos bzw klescheehaft sind und man sich ja nicht die mühe macht, dem Zuschauer irgendwie näher zu bringen.



Statt sich zeit zu nehmen die Figuren vorzustellen, der Ausbreitung der Seuche zeit zu geben, wollte AMC wohl unbedingt so schnell wie möglich zombieaction.



Dabei hätte man dies ganz anders lösen können.



Aber hier ist die Chance so schnell vertan worden, dass mich die Serie schon nach Staffel 1 verloren hat. Die Mutterserie konnte mich zumindest bis zum Anfang der 7. Staffel halten, bevor ich den Stecker gezogen habe.
altmann
30.10.2016 11:34 Uhr 7

Von S07 gabs bis jetzt ja auch nur eine Episode.. Und die war ein ziemlicher Schlag in die Magengrube. Meiner Meinung nach die von der Brutalität und Emotionalität heftigste Folge der Serie bisher. Hat mir zumindest Lust auf den Rest der Season gemacht, da man ein neues Feindbild hat - und, ohne Spoilern zu wollen, es sind nicht die Zombies :)
Sentinel2003
31.10.2016 00:13 Uhr 8
Ist mir echt zu hoch, warum hier im Forum soviele jetzt sich von der Ur - Serie entfernt haben!!



Man weis doch, das die Serie brutal und blutrünstig ist, schon seit Staffel 1, nur, warum sich jetzt nach Folge 1 der neuen Staffel soviele verabschiedet haben, kann ich null nachvollziehen....



Nicht umsonst ist diese Serie ab 18....
LittleQ
31.10.2016 00:16 Uhr 9


Kenne ich :)
Waterboy
31.10.2016 08:15 Uhr 10




Das hat ( zumindest bei mir ) nichts mit der Brutalität der Serie zu tun. Ich gucke und liebe ja auch game of Thrones und die ist teilweise deutlich brutaler als TWD.



Mich reitzt die Serie einfach nicht mehr. Nach 7 Jahre dumme Dialoge, dumme Entscheidungen und immer wieder sich wiederholende Situationen inkl davon das kein Ende abzusehen ist und die Serie wahrscheinlich noch Jahre so weiter laufen wird, ist sie mir das einfach nicht mehr wert.



Vor allem da schon Staffel 5 und 6 ( vor allem Staffel 6) ne ziemliche Enttäuschung waren.



Von daher muss ich mir das nicht mehr antun und hätte auch mit season 6 schon den Schlusspunkt gesetzt, wenn nicht der dumme chliffhänger gewesen wäre. Jetzt wurde der halt in der ersten Folge von S7 aufgelöst und daher kann ich nun den Schlusspunkt setzen.



Und da die Spin off quasi TWD 2.0 ist und genau das gleiche macht nur mit noch farbloseren Figuren muss ich mir das nicht auch noch geben.
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