Sonntagsfragen

‚Die junge Generation misstraut generell anonymen Organisationen‘

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Er steckt mitten in Vorbereiungen für die neuen «RTL II News»: Matthias Walter. Mit uns sprach er über das neue Konzept, das Realstudio, Pläne bei Periscope und über den Vorwurf, die Sendung liefere keine ernst zu nehmenden Nachrichten.

Zur Person: Matthias Walter

Matthias Walter hat seit Dezember 2013 das Sagen bei den «RTL II News» und bekam schnell den Auftrag, die Sendung auch inhaltlich zu überarbeiten. Walter kam damals von «RTL Aktuell», wo der nun 34 Jahre alte Diplom-Journalist als Chef vom Dienst arbeitete. Er gilt als Fachmann für digitales und multimediales TV.
Das neue Konzept der «RTL II News» geht mit der Inbetriebnahme des Realstudios noch in diesem Jahr final auf Sendung. Wird es dabei bleiben, oder Sie sich noch nach neuen Trends und Möglichkeiten um es zu verbessern?
Unser neues Konzept steht. Wir haben uns in den vergangenen Monaten bereits verändert, sind nach Berlin gezogen, haben neue Reporter rekrutiert, jetzt folgen noch der Schritt ins Realstudio und ein neues On Air Design. Das Konzept basiert auf langjährigen Erfahrungen. Einige Kollegen begleiten die «RTL II News» schon seit 15 bis 20 Jahren und kennen daher unser Publikum sehr gut. Ihre Erkenntnisse sind in das Konzept mit eingeflossen. Dazu haben wir natürlich nationale und internationale Programmtrends analysiert, was funktioniert in der jungen Zielgruppe, was ist technisch machbar, was finden wir gut? Natürlich müssen wir uns kontinuierlich weiterentwickeln. Wird das hier in zehn Jahren noch genauso aussehen? Nein, wir wollen immer in Bewegung bleiben.

Womit arbeiten Sie lieber, mit der Greenbox oder mit dem neuen Realstudio?
Mit dem Realstudio.

Was sind die Vorteile?
Mich reizt das Echte, Greifbare daran. Für den Zuschauer ist es ein anderes Gefühl, ob etwas digital eingerechnet oder tatsächlich physisch vorhanden ist. Auch die Moderatoren profitieren und gewinnen an Authentizität, denn sie sehen ab sofort, was sie auf der Videoleinwand tun und müssen kein einstudiertes Schauspiel in der Greenbox aufführen
«RTL II News»-Chef Matthias Walter über das neue Studio der Sendung
Mich reizt das Echte, Greifbare daran. Für den Zuschauer ist es ein anderes Gefühl, ob etwas digital eingerechnet oder tatsächlich physisch vorhanden ist. Auch die Moderatoren profitieren und gewinnen an Authentizität, denn sie sehen ab sofort, was sie auf der Videoleinwand tun und müssen kein einstudiertes Schauspiel in der Greenbox aufführen. Der dritte Vorteil ist, dass ich mich im Realstudio mit meinen Kameras viel flexibler bewegen kann. Wir können uns zum Beispiel aus dem reinen Studiobereich herausbewegen. Sowohl der Reportertisch als auch die Interviewecke sind ausgeleuchtet und für Aufzeichnungen, aber auch live, bespielbar. Neben den beiden Studiokameras haben wir künftig eine zusätzliche Funk-Kamera, mit der wir auch live in der Redaktion unterwegs sein können. Allein das ist für eine Nachrichtensendung ein Novum.

Gibt es direkte Vorbilder dafür? Was hat Sie inspiriert?
Natürlich gibt es in Teilaspekten Beispiele im In- und Ausland. Etwa, was den Einsatz von Rückprojektionstechniken angeht, oder Studios, bei denen man die Redaktion im Hintergrund sieht. Aber ein konkretes Vorbild gibt es nicht. Dazu ist das, was wir machen, zu speziell: täglich live News von und für eine junge, anspruchsvolle Zielgruppe. Was mir dabei wichtig ist: alle Neuerungen dürfen nie Selbstzweck sein. Sie müssen immer dazu dienen, den Zuschauern noch mehr zu bieten, ihnen Inhalte noch besser vermitteln zu können. Dazu sind Innovation und Investition aus meiner Sicht nötig und ich bin dankbar, dass unser Geschäftsführer Andreas Bartl, unser Programmchef Tom Zwiessler und der ganze Sender RTL II da unserem News-Team vertraut. Alle Abteilungen unterstützen uns engagiert. Das Marketing hat für das On Air- und Studiodesgin einen internationalen Pitch durchgeführt. Das On-Air-Design wurde von der Agentur Opium Effect umgesetzt. Und der Studioentwurf stammt von dem renommierten Schweizer Designer Carlo Angelini.

Wird es weitere Formate geben, mit denen die Nachrichtensendung ausgebaut wird?
Neben unseren «RTL II News» bringen wir Newsflashes und das Nachrichtenjournal – und in Abhängigkeit von der Nachrichtenlage auch mal Spezialausgaben. Andere TV-Formate sind aktuell nicht geplant, allerdings finden die News zunehmend nicht mehr nur im Fernsehen statt, wir bauen unsere Angebote auf anderen medialen Kanälen deutlich aus.

Welche Rolle werden Social Media spielen?
Social Media spielen für uns selbstverständlich eine große Rolle. Wir gehen dahin, wo die Zielgruppe ist. Wir sind bei Facebook und Twitter, sowie auf unserem Instagram-Account sehr aktiv. Das wollen wir noch weiter ausbauen. Es gibt immer wieder neue, spannende Dinge, wie Periscope. Das können wir uns sehr gut vorstellen und sind gerade dabei, das vorzubereiten. Als zusätzliche Neuerung bekommen wir unter rtl2news.de eine eigene Homepage mit mobiler Variante. Auch da wird es ein neues Konzept geben: Dort wird man keine klassische Nachrichtenseite finden, auf der es nur lange Texte gibt. Das habe ich überall, das müssen wir nicht kopieren. Wir konzentrieren uns auf die junge Zielgruppe, die eine hohe mobile Nutzung aufweist, und die gerade in der U-Bahn nicht unbedingt einen Text von 400 Zeilen lesen möchte. Daher verfolgen wir modular zusammengesetzte Formen: Hier gibt es ein paar ganz spannende internationale Trends, die mehr Faktensammlungen sind, mit Videos, Links und Verweisen, das finde ich ungeheuer spannend.

Wo würden Sie Ihre Sendung zwischen Entertainment und Bildungsauftrag verorten?
Natürlich haben wir einen Bildungsauftrag. Wir sind ein Massenmedium und das nehmen wir sehr ernst. Das zeigt auch die Investition der Geschäftsführung in einen komplett neuen Standort. Das ist heutzutage nicht selbstverständlich. Aber es zeigt sich auch in unserer ausführlichen Berichterstattung, z.B. dem Flüchtlings-Spezial vor kurzem, sowie dem RTL II «Nachrichtenjournal Spezial.»

Gleichzeitig ist mir aber auch etwas anderes wichtig: News sind für unsere Zielgruppe nicht nur politische Meldungen. Unser Verständnis von Nachrichten war schon immer davon geprägt, dass wir die gesamte Lebenswelt unserer Zuschauer abbilden. Dazu gehören auch Themen wie Umwelt und Tierschutz, die das junge Publikum sehr bewegen. Da sind wir teilweise intensiver in der Berichterstattung als andere Nachrichtensendungen. Das gilt auch für die Bereiche Lifestyle und Netzwelt. Aber das hat für mich nichts mit Entertainment zu tun. Wir berichten über alle Lebensbereiche – und das immer aktuell und seriös.

Die «RTL II News» wurden früher eher belächelt und nicht richtig ernst genommen. Hat sich die Wahrnehmung des Formats verändert?
Die Frage ist immer: von wem? Wir sind in unserer Zielgruppe sehr beliebt und der Erfolg gibt uns Recht: Erst am 4. September konnten wir einen neuen Rekordwert von 10,1 Prozent bei den 14- bis 49-Jährigen und 27,6 Prozent bei den 14- bis 29-Jährigen verbuchen. Ich setze mich aber sehr gern mit Kritik auseinander. Und natürlich gibt es unterschiedliche Geschmäcker: Wer die «Tagesschau» gucken möchte, soll die «Tagesschau» gucken. Aber junge Nachrichten wie unsere gibt es sonst nicht in Deutschland, da schließen wir eine wichtige Lücke.

Sie haben künftig mehr Reporter und Redakteure zur Verfügung als vorher. Können Sie kurz umreißen, welche Aufgaben diese übernehmen?
Die junge Generation, die mit sozialen Medien aufwächst, misstraut generell anonymen Organisationen. Unsere Zuschauer wollen daher keinen austauschbaren Präsentator, der die Nachrichten abliest, sondern Transparenz, woher diese kommen. Unsere Aufgabe ist es Vertrauen zu schaffen. Das machen wir, indem wir Redakteure einsetzen, die auf ihrem Themengebiet Experten sind, die als Reporter selbst rausgehen, drehen, und dem Zuschauer Fakten selbst präsentieren. Wir möchten da eine persönliche Bindung herstellen. Dazu gehört auch, dass wir direkt per Social Media ansprechbar sind und selber antworten. Außerdem haben wir die fantastische Situation, dass auch alle unsere Moderatoren als Reporter für uns im Einsatz sind. Sandra Schneiders präsentiert die Sendung im Studio und ist draußen unterwegs, kümmert sich um unser Ressort Gesellschaft. Christoph Hoffmann ist neben seinen Moderationen für unser Inlandsressort verantwortlich. Steffi Brungs betreut zudem unseren VIP-Bereich. Diese Kombination, selbst rausgehen, Beiträge machen, im Thema stecken und moderieren, das ist etwas Besonderes und für mich wirklich authentisch und modern.

Wie läuft es mit dem Wochen-Rapblick?
Sehr gut. Er läuft jede Woche und sobald wir mit unserer neuen News-Homepage am Start sind, wird man den Rapblick auch dort finden können.

Er wurde kürzlich auch anders eingesetzt, oder?
Ja, als Flüchtlings-Rap. Der Wochen-Rapblick wird von zwei Rappern gemacht, die gleichzeitig ausgebildete Nachrichtenredakteure sind, und die mit einem sehr hohen Anspruch harte Nachrichtenthemen aufbereiten. Das ist eine enorm spannende Kombination, die auch jenseits unserer Kernzielgruppe sehr goutiert wird. Gerade beim Flüchtlings-Rap hat man gesehen, mit welchem unglaublich guten moralischen Kompass und Feingefühl die beiden das machen, da bin ich schon sehr stolz drauf.

Die letzte Frage: Was ist das schlimmste, was einer Nachrichtensendung an einem Tag passieren kann?
Das ist eine spannende Frage. Ich bin der Meinung, dass eine Nachrichtensendung mit allem umgehen können muss. Aktualität, plötzliche Ereignisse und Wendungen sind für uns nichts Schlimmes, sondern eine Herausforderung. Und wie bei allen Livesendungen kann immer was passieren, gerade wenn mal die Technik streikt. Aber wenn das passiert, dann muss man es den Zuschauern einfach gut erklären.

Und wenn es mal keine Nachrichten gibt?
Das ist noch nicht passiert, und damit ist auch kaum zu rechnen.

Danke für das Interview.

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