Die Kritiker

Was ist das denn?

von

Überraschung aus Wien: Der neue «Tatort» aus der österreichischen Hauptstadt ist - unerwartet - ein Reinfall an allen Fronten. Unsere Vorab-Kritik:

Cast & Crew

Vor der Kamera:
Harald Krassnitzer als Moritz Eisner
Adele Neuhauser als Bibi Fellner
Maria Köstlinger als Magister Sabrina Wendler
Anian Zollner als Peter Wendler
Johanna Mertinz als Elisabeth Schneider
Michael Masula als Viktor Perschawa
Hubert Kramar als Ernst Rauter

Hinter der Kamera:
Produktion: e&a film GmbH
Drehbuch: Verena Kurth
Regie: Robert Dornhelm
Kamera: Erwin Lanzensberger
Produzenten: Markus Pauser und Erich Schindlecker
Eigentlich sind wir Kritiker ja immer ganz froh, wenn das Fernsehen uns überrascht, wenn uns etwas völlig Unerwartetes gezeigt wird, mit dem niemand rechnen konnte.

In diesem Fall ist das anders. Denn die Überraschung der neuen Folge des Wiener «Tatorts», einer der besten «Tatort»-Reihen, ist nicht inhaltlicher, sondern qualitativer Natur. Denn sie ist ein kolossaler Fehlschlag.

Ja, richtig gelesen. Die Bibi und der Moritz können’s nicht retten. Im Gegenteil: Man kann es schier nicht fassen, durch was für einen Unfug sich Harald Krassnitzer und Adele Neuhauser diese Woche tänzeln müssen.

Aber der Reihe nach. Zur ersten Katastrophe, dem Plot: In einer Chemiefabrik kommt eine junge Mitarbeiterin mit Flusssäure in Kontakt, die sich durch ihren Schutzanzug frisst. Ihre Verletzungen sind so schwer, dass sie ihnen wenig später erliegt. Das ruft Ernst Rauter, den Dienstvorgesetzten von Bibi und Moritz, auf den Plan. Er ist der Patenonkel der Verstorbenen.

Schnell zeigt sich, dass einige Schutzanzüge der Herstellerfirma Patronatex mangelhaft gefertigt sind. Ein Problem der indischen Zulieferer, sagt die Geschäftsführerin Sabrina Wendler. Der Chef des Mutterkonzerns, der Wendler-Werke, schlägt in dieselbe Kerbe. Doch Moritz und Bibi stoßen auf Ungereimtheiten: Nicht nur stimmt so manches mit den Geschäftszahlen nicht, auch die Führungsstrukturen hören sich dubios an. Sabrina Wendlers Mann Peter, der Erbe des Konzernimperiums, sitzt seit Jahren in der geschlossenen Psychiatrie, weil er versucht haben soll, seine Frau umzubringen.

Es ist nicht nur diese langatmige, spannungsarme Salamitaktiererei, die einen an diesem «Tatort» verzweifeln lässt. Es ist vielmehr dieser hemmungslos pathetische und gleichzeitig fürchterlich nichtssagende Duktus, mit dem die blassen Figuren durch den Film marschieren müssen. Es bleibt bei den Allgemeinplätzen, beim lieblos Zusammengeschusterten, das es sogar schwer gehabt hätte, im «Tatort»-Entwicklungsland Erfurt durchzukommen. „Es hat irgendwie… Das war so ein Moment… Wir können nicht so weitermachen…“ wird da gestammelt, „Können Sie meine Frau wieder lebendig machen?“ wird durch die Gegend geschrien. Du lieber Gott.

Der Sprung in die unfreiwillige Komik vollzieht sich spätestens, wenn wir den Psychiatriepatienten Peter Wendler besuchen und beim zum Scheitern verurteilten Versuch zusehen müssen, diese Figur nicht vollkommen lächerlich, sondern mephistophelisch wirken zu lassen. Dabei prustet man schon los, wenn ihr Darsteller Anian Zollner die gestelzten Sätzchen aufsagt, die ihre Banalität im Leben nicht zur Ambivalenz erhöhen können, es aber verzweifelt versuchen.

Nie hätte man gedacht, dass es im Wiener «Tatort» so zugehen könnte. Doch da hört der Schrecken noch nicht auf. Er macht sich auch bei der sonderbar effekthascherischen Ästhetik breit, die alles ausladend und pathetisch inszenieren will und „Gier“ so antiquiert wie eine alte «Derrick»-Folge aussehen lässt. Schnelle Schnitte, um Dynamik zu simulieren, wo das Drehbuch sie nicht aufbauen kann. Ein Übereinsatz an Split-Screens, dem jeder Sinn fehlt. Und penetrante, überladene Motive, wo subtilere tausendmal wirkungsvoller gewesen wären.

Von heißen Eisen, gesellschaftlichen und politischen Brandthemen, denen Eisner und Fellner in ihren meisten Fällen begegnen, fehlt in „Gier“ jede Spur. Von den feinsinnigen Psychogrammen dieser beiden Ermittler ebenso.

Hoffentlich nur ein schlimmer Ausrutscher.

Das Erste zeigt «Tatort – Gier» am Sonntag, den 7. Juni um 20.15 Uhr.

Kurz-URL: qmde.de/78660
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