Hingeschaut

Altbekanntes Konzept, altbekannter Lanz

von

Das neue «Wetten, dass..?» ist tot, es lebe das alte! Gestern Abend beglückte uns das ZDF mit einer inhaltlich soliden Show. Das brachte aber nichts, denn der Moderator machte sie einmal mehr zunichte.

Wieso es nach der ersten Staffel von «Wetten, dass..?» mit Markus Lanz viel Verbesserungsbedarf gab und welche Veränderungen sich das ZDF für die zweite Staffel tatsächlich vornahm, beschrieb Quotenmeter bereits. Gestern Abend nun flimmerte die erste Ausgabe der neuen Saison über die Fernsehschirme. Sie bestätigte den Eindruck, dass die Macher des Unterhaltungsklassikers inhaltlich machen können, was sie wollen und damit gegen eine Wand rennen, solange Markus Lanz auch weiterhin der Moderator ist.

„Dafür, dass es dieser Sendung so schlecht gehen soll, sind Sie aber ganz gut drauf!“ lobte der Gastgeber das Saalpublikum, als es ihn zu Beginn der Show mit großem Jubel begrüßte. Er wisse aber, wieso das Publikum dies tue und konstatierte im Namen des gesamten «Wetten, dass..?»-Teams, dass man die Kritik der letzten Monate verstanden habe. Das war eine recht überraschende Offenheit von Lanz, der sich in den vergangenen Sendungen bisher nie zur Schelte von allen Seiten äußerte. Wer sich daraufhin schon freute, dass es insgesamt wirklich wieder bergauf gehen könnte, der wurde in den darauffolgenden knapp drei Stunden jedoch enttäuscht. Die Kritik wurde nämlich nur von den Autoren der Sendung wirklich verstanden, die diese inhaltlich mittels System-Rückführung in der Tat verbessern konnten. Markus Lanz selbst scheint dagegen nichts verstanden zu haben und das ist ihm nicht einmal vorzuwerfen, denn selbst wenn er verstehen würde, könnte er sein Naturell nun einmal nicht ändern.

Das erneuerte «Wetten, dass..?» ist natürlich gar kein wirklich neues, sondern es kommt in Form der guten, alten Gottschalk-Version daher. Fast sämtliche Neuerungen der ersten Lanz-Staffel sind über Bord geworfen worden. Die Lanz-Challenge gab es nicht mehr und sie hat auch nicht gefehlt. Cindy aus Marzahn war nicht mehr als Assistentin dabei und sie hat ebenfalls nicht gefehlt. Die Stargäste waren im Schnitt wieder hochkarätiger und kamen einzeln auf die Bühne. Das hatte beides im Sinne des Glamour-Faktors hingegen sehr gefehlt und ebendieser Glanz war eigentlich zum ersten Mal seit Beginn der letzten Saison wieder so richtig zu spüren. Aufwändige und schillernde Sets für die Musik-Acts des Abends trugen mit dazu bei. Eher peinliche Überraschungsaktionen, die die Dynamik in der vergangenen Staffel fördern sollten, blieben aus. Das Sofa-Rondell kam mit Teppichboden, Holzvertäfelungen, mehr Kissen und einem runden Tisch gemütlicher daher als bislang und wurde auch nicht mehr unnötig oft hin und her gefahren. Während der Talks blieb es eindrucksvoll vor dem großen Bildschirm mit «Wetten, dass..?»-Logo stehen und gab zusammen mit den bunten Kulissenwänden ein gefälliges Bild ab.

Jenes Bühnenbild ist, abgesehen von der renovierten Sofa-Ecke und der mehr ins Publikum gerückten Kandidaten-Lounge, eines von nur drei Merkmalen der vergangen Staffel, welches in der ersten Folge der neuen Saison unverändert übrig geblieben war. Das zweite Merkmal sind die Einspielfilme, in denen die Kandidaten vorgestellt werden. Anhand dieser Filme lässt sich bereits erkennen, dass sich in der Präsentation der Wettanbieter nicht viel geändert hat. Erneut hatten sich die Macher von «Wetten, dass..?» vorgenommen, die Kandidaten mehr in den Vordergrund zu rücken und erneut hat das nicht geklappt. Gestern Abend jedenfalls wirkten die Spieler sogar eher noch geschwächt, weil ihre Lounge zwischendurch kaum eingeblendet wurde. Mehr Aufmerksamkeit als bei den bloßen Wetten erhielten sie nicht. Daran konnten auch ein neu eingeführter Pokal für den Wettkönig und Glitter-Regen nach Bekanntgabe des Gewinners nichts ändern. Zumal sich Markus Lanz nach wie vor viel lieber viel länger mit den Promis auf der Couch unterhielt.

Ach ja: Markus Lanz als Moderator ist denn auch das dritte und letzte Merkmal im Bunde, welches sich aus der Saison 2012/2013 in die aktuelle rüberretten konnte. Und gerade das egalisiert alle zuvor genannten positiven Erneuerungen leider wieder. Lanz ist – wenig überraschend – immer noch derselbe Lanz, der er bereits in der letzten Staffel war. Seine typischen Phrasen ließ er auch in der ersten Ausgabe der neuen Saison wieder reihenweise los. Da half es gar nichts, dass er sich für die „spektakuläre Wette“ ein paar neue Adjektive einfallen ließ und sie wahlweise zur „irren Wette“, zur „großartigen Wette“ oder gar zur „Wahnsinns-Wette“ werden ließ. Nervig blieben Äußerungen wie diese trotzdem. An Witzen versuchte sich Lanz zwar nach längerer Zeit einmal wieder, doch all seine Gags in der gestrigen Show wollten nicht so recht zünden – ganz egal, ob sie von Peitschen, der NSA oder der FDP handelten. Gags bei und von Lanz wirken immer aufgesetzt, immer auswendig gelernt und immer zu gewollt. Pointen sollte ein «Wetten, dass..?»-Moderator gekonnt setzen können. Lanz kann es eindeutig nicht.

Überhaupt merkte man auch gestern Abend wieder, dass dem gegenwärtigen Gastgeber der Sendung einfach jede Ausstrahlung fehlt. Er kann das Publikum und seine Gäste nun einmal nicht mitreißen, weil er zu langweilig und steif herüberkommt. Dabei können die Stars so glamourös sein, wie sie wollen: Einmal auf Lanz´ Schlaf-Sofa angekommen, stecken sie sich fast schon mit dessen ermüdender Art an. Kein Wunder, dass Anja Kling bereits vorsorglich in einer Art Schlafanzug erschien und Ruth-Maria Kubitschek eine besondere Form von Nachthemd als Kleid auftrug. Während Lanz seine Gespräche mal wieder viel zu sehr ausdehnte, weil er scheinbar vergessen hatte, dass er gerade bei «Wetten, dass..?» und nicht in seiner Talkshow sitzt, wandte sich Harrison Ford schon unruhig auf der Couch umher und machte Helene Fischer die meiste Zeit den Eindruck, als wenn sie direkt aus dem Schlaf heraus sprechen würde. Zumindest sprach sie so leise. Und Matthias Schweighöfer und Sylvester Stallone? Na ja, die waren einfach so da. Das interessanteste Gespräch führte Lanz noch mit Cher, aber nur deshalb, weil es darin u.a. um Michael Jackson ging und sich der geneigte «Wetten, dass..?»-Zuschauer da sofort an goldene Zeiten mit seiner Samstagabendshow erinnert fühlte.

Es sind allerdings nicht nur die Witze, die bei Lanz nicht zünden. Auch seine Erzählungen aus dem Privatleben, die er sich bei seinem Vorgänger abgeschaut zu haben scheint, kommen nicht an. So berichtete er Harrison Ford stolz, was für einen großer Fan dieser in seinem Sohn habe. Ford nickte nur freundlich und fragte sich ansonsten lieber „Drehen die sich oder drehen wir uns?“ als das Sofa am Publikum vorbeifuhr. Dass sich Markus Lanz selbst dreht, nämlich im Kreis seiner eigenen Unzulänglichkeit, wird Ford an dieser Stelle schon längst bemerkt haben. Da wirkte es fast schon wie Protest, als die gesetzte Großmutter Kubitschek auf die Frage des Moderators nach den Einschränkungen des Alters antwortete: „Ich mache, was ich kann“.

Würde Markus Lanz sich diese weisen Worte einmal selbst zu Herzen nehmen, würde er schnell merken, dass er sich lieber auf seine Talkshow beschränken und «Wetten, dass..?» einfach «Wetten, dass..?» bleiben lassen sollte. Trotz seiner heiseren Stimme hat sich gestern Abend Außenreporter Elton beinahe schon mehr für die Moderation des Show-Klassikers empfohlen als der gegenwärtige Gastgeber, obwohl bei letzterem wenigstens die Stimme einwandfrei funktionierte. Nach rund 20 Minuten des Überziehens bedankte sich Lanz mal wieder mehrfach „sehr, sehr herzlich“ bei allen Beteiligten und erschien froh, dass er ein weiteres Mal «Wetten, dass..?» endlich hinter sich gebracht hatte. Damit beendete er eine Sendung, die an sich eine solide «Wetten, dass..?»-Qualität aufwies, weil sie an gewohnte Zeiten anknüpfte. Allein das bringt nichts, denn der Moderator verhagelte einmal mehr richtige Freude daran. Er war, ist und bleibt das größte Problem an der Show.

Kaum mehr Zuschauer als bei der desaströsen Mallorca-Ausgabe im Juni wollten die gestrige Folge zum Saison-Auftakt sehen. Das lässt darauf schließen, dass die Menschen sich über etwas im Klaren sind, was das ZDF selbst noch nicht so recht begriffen zu haben scheint, bzw. es mangels Alternativen wahrscheinlich gar nicht erst begreifen möchte: Dass ein «Wetten, dass..?» mit Markus Lanz eben kein vollwertiges «Wetten, dass..?» ist. Änderungen hin, Änderungen her.

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