Die Kritiker

«Tatort - Gegen den Kopf»

von

Am Sonntag will der «Tatort» wieder besonders Spiegel der Gesellschaft sein. Ob das gut gegangen ist?

Hinter den Kulissen

  • Produktion: carte blanche Film GmbH
  • Drehbuch und Regie: Stephan Wagner
  • Kamera: Thomas Benesch
  • Produzent: Andreas Born und Gloria Burkert
Inhalt
Der 38-jährige Mark Haessler wird auf dem U-Bahnsteig Schönleinstraße in Berlin-Kreuzberg tot aufgefunden - offenbar totgeprügelt von zwei flüchtigen Jugendlichen, mit denen er zuvor im Zug aneinander geraten war, weil sie einen gehbehinderten Mann belästigt hatten. Haessler kann reanimiert werden, stirbt dann aber kurze Zeit später im Krankenhaus. Er hinterlässt Frau und Kind. Die Hauptkommissare Till Ritter und Felix Stark versuchen anhand diverser Zeugenaussagen, Mobilfunknetze sowie Verkehrs- und Sicherheitsüberwachungen zu rekonstruieren, was in der Nacht genau geschah. Der öffentliche Druck ist enorm - es gab bereits mehrere Schwerverletzte in U- und S-Bahnen, jetzt liegt sogar ein Tötungsdelikt vor. Die Chefin der Mordkommission hält engen Kontakt zu den Kommissaren.

Die Aufzeichnung der Überwachungskameras zeigt schließlich die beiden Täter: Zwei junge Männer, die Mark Haessler auf dem Bahnsteig brutal attackieren, sind deutlich zu erkennen und werden zur Fahndung ausgeschrieben. Kurz darauf stellt sich einer der Täter - Konstantin Auerbach. Er kommt in Begleitung seines Anwalts Dr. Thomas und belastet seinen Freund Achim Wozniak schwer. Der vorbestrafte Wozinak wiederum behauptet, Auerbach wäre die treibende Kraft gewesen und Haessler hätte zuerst zugeschlagen.

Auch das Interesse der Presse an dem Fall ist groß. Die Medienvertreter sind stets gut informiert - zu gut und zu früh, wie Ritter findet. Gibt es ein Leck innerhalb der Polizei?

Schließlich wird das schwer zerstörte Smartphone von Mark Haessler in einem Park ausfindig gemacht - er hat zur Tatzeit auf den Anrufbeantworter seiner Geliebten gesprochen. Und die Verbindung wurde während der tödlichen Attacke nicht unterbrochen.

Darsteller


Dominik Raacke («Blackout») als Till Ritter
Boris Aljinovic («7 Zwerge – Der Wald ist nicht genug») als Felix Stark
Ruth Reinecke («Weissensee») als Michaela Wilmes
Jannik Schümann («Homevideo») als Konstantin Auerbach
Tristan Seith («Lösegeld») als Jonas Goede
Ernst-Georg Schwill («Du bist nicht allein») als Lutz Weber

Kritik


Wenn Krimi ein Spiegel der Gesellschaft sein will, muss man besonders aufhorchen. Das ist schon oft richtig schief gegangen.

Im neuen Berliner «Tatort» will es auch nicht so recht glücken.

In erster Linie deshalb, weil in den Plot alles an Buzzwords reingepfercht wird, was bei tatsächlichen Ereignissen dieser Art durch die Presse geistert: Stichwort Jugendkriminalität. Stichwort U-Bahn-Schläger. Ein bisschen Kritik am Überwachungsstaat, der öffentliche Plätze mit massenweise Kameras ausstattet. Ein bisschen plakatives Unverständnis über die heutigen Zeiten, wenn Till Ritter Sätze sagt wie „Zu meiner Zeit hat man aufgehört zu schlagen, wenn ein Mensch am Boden lag“. Ein ganz klein wenig Medienkritik durch die Figur eines übereifrigen Boulevardreporters und das Einflechten von Radiokommentaren, die die mediale Aufarbeitung der Tat reflektieren wollen.

Doch reflektiert wird hier insgesamt recht wenig. Am Schluss, als der Täter alles zugibt, steht als große Conclusio der Motivsuche die Aussage: „Einfach so. Es gibt keinen Grund.“ Das Augenmerk der Dramaturgie liegt auf dem kollektiven Entsetzen und nicht auf der Suche nach den Ursachen für den exzessiven, (scheinbar?) plötzlichen Gewaltausbruch. Letzteres wäre jedoch die deutlich intelligentere Lösung gewesen.

Auch strukturell will sich „Gegen den Kopf“ ein wenig von der «Tatort»-Masse abheben: Von Anfang an ist der Täterkreis auf zwei Figuren beschränkt und die Ermittler müssen die Ereignisse der letzten Stunden vor der Tat rekonstruieren, um herauszufinden, welcher der beiden Verdächtigen der Schuldige ist. Die Aussagen der Augenzeugen erweisen sich dabei als wenig hilfreich, sind sie doch voller Widersprüche, weil die Erinnerungen schon nach wenigen Stunden verblasst sind. Ein wenig «Rashomon» darf es eben auch noch sein, um ein bisschen künstlerischen Anspruch vorzugaukeln. So viel, wie der Sendeplatz eben zulässt.

Doch letzten Endes ist all das genauso wenig innovativ wie ein ausgereifter Spiegel der Gesellschaft. Dafür erzählt man zu plakativ und, da man eine Ursachenforschung, die über das Maß des Klischeehaften hinausgeht, ziemlich strikt ablehnt, auch zu nichtssagend. Schade, dass man all das Potential eines solchen Stoffes verschenkt hat.

Das Erste zeigt «Tatort - Gegen den Kopf» am Sonntag, den 8. September um 20.15 Uhr.

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