Die Kritiker

«Die Auslöschung»

von

Klaus Maria Brandauer und Martina Gedeck brillieren im berührenden Liebes- und Demenzdrama «Die Auslöschung».

Inhalt


Hinter den Kulissen

  • Regie: Nikolaus Leytner
  • Drehbuch: Nikolaus Leytner & Agnes Pluch
  • Musik: Matthias Weber
  • Kamera: Hermann Dunzendorfer
  • Schnitt: Karin Hartusch
Als die Restauratorin Judith Fuhrmann den wortgewandten Kunsthistoriker Ernst Lemden begegnet, ist sie dem Intellektuellen sofort verfallen. Was zunächst danach aussieht, als würde es in einen One-Night-Stand münden, wird letztlich zum Fundament für eine ehrliche, tief empfundene Liebe. Der Witwer bezieht mit der charmanten, gutherzigen Dame eine gemeinsame Wohnung, noch ehe sie sich einander richtig kennenlernen konnten. Als seine längst erwachsen gewordenen Kinder bei ihm erstmals Weichherzigkeit entdecken, mutmaßen sie zunächst, dass er auf seine alten Tage gutmütig geworden ist – und vielleicht liegt es auch am Liebesglück mit Judith. Aber auch ihr fällt auf, dass sich Ernst radikal verändert. Ernst wird vergesslich, verlegt Dinge und auch seine rhetorischen Fähigkeiten lassen nach. Damit wird es offensichtlich, dass eine sich mit Rasanz ausbreitende Demenzerkrankung diese spät gefundene, noch frische Liebesbeziehung auf eine Probe stellt. Judith hält an Ernst fest und versucht, ihm sein Leben weiter zur Freude zu machen ...

Darsteller


Klaus Maria Brandauer («Jenseits von Afrika») als Ernst Lemden
Martina Gedeck («Die Wand») als Judith Furmann
Birgit Minichmayr («Alle Anderen») als Katja
Philipp Hochmair («Die Vaterlosen») als Theo
Regina Fritsch («Gier») als Bettina
Andreas Kiendl («Die Vaterlosen») als Christoph
Carl Achleitner («Schlawiner») als Bernd

Kritik


Entscheidend ist nicht allein der Mensch selbst, sondern auch was er hinterlässt und was er ausstrahlt. Der von Klaus Maria Brandauer überragend gespielte, gebildete und humorvolle Ernst hält zu Beginn von «Die Auslöschung» eine Abhandlung über «Peter Schlemihls wundersame Geschichte», eine Novelle über einen Reisenden, der seinen Schatten verkauft, und daraufhin jegliche Achtung der Gesellschaft verliert. Was Kunsthistoriker Ernst da noch nicht ahnen kann, ist, dass er in den Monaten darauf zwar nicht seinen Schatten, wohl aber seinen Geist verliert. Anfangs dünnt sein Erinnerungsvermögen aus, dann allmählich sein Kunstverstand und schließlich der letzte Rest der von ihm bestechend freundlich vermittelten Scharfzüngigkeit, mit der er nur wenige Woche vor seinem geistigen Verfall die liebenswerte Restauratorin Judith eroberte.

Während seine Kinder Ernst alsbald, im übertragenen Sinne, nicht mehr wiedererkennen und zerrüttet mit dem anstehenden Verlust ihres Vaters ihren Frieden zu schließen versuchen, hinterließ der langsam verblassende Intellektuelle genügend Eindruck bei seiner Eroberung Judith, dass sie bei ihm bleibt. Unabhängig davon, dass Ernst nicht weiter der Mann ist, den sie kennenlernte, und auch unabhängig davon, dass er immer mehr die Erinnerung daran verliert, weshalb sie überhaupt bei ihm ist. Es ist ein inhaltlicher Rückgriff auf den Beginn des Films und eine menschliche Entscheidung Judiths, die ihre Darstellerin Martina Gedeck mit einer gewinnenden, inneren Kraft und viel Einfühlungsvermögen vermittelt.

Die Autoren Nikolaus Leytner und Agnes Pluch schufen mit «Die Auslöschung» ein thematisch dichtes, beeindruckendes und durchdachtes Liebesdrama, in dem Charakterisierungen, kulturelle Referenzen und Dialogmomente ineinandergreifen und gegenseitig bestärken, ohne dass der Film dadurch unnatürlich verkopft wirkt. Die Natürlichkeit und Lebensnähe der erzählten Geschichte bleibt sämtlichen werkimmanenten Referenzen zum Trotz erhalten – diese Verschmelzung aus zeitloser Romanze und Demenzdrama ist zwar in sich schlüssiger und sinniger, als das lose Fäden und offene Fragen lassende reale Leben, trotzdem fokussieren die Autoren ihre Planungsarbeit nicht derart, dass die darstellerische Authentizität Gedecks und Brandauers übertönt würde.

Rein thematisch liegt zwar ein Vergleich mit Michael Hanekes «Liebe» nahe, immerhin erzählen beide Filme von einer Liebe, die dem körperlichen und geistigen Verfall eines Partners trotzt, allerdings sind beide Dramen in ihrer Ausführung gänzlich unterschiedliche Werke. «Die Auslöschung» handelt von einem Pärchen, das sich erst vergleichsweise kurze Zeit kennt, und der daher naheliegende Handlungsfaden dominiert den Tonfall der Erzählung: Wo Haneke karge Töne anschlägt, meistern Leytner und Pluch den bittersüßen Schmerz. Dadurch ist «Die Auslöschung» idealistischer, aber auch vielfältiger in seinen Emotionen.

Fazit: Mit zwei großartig interagierenden, bleibenden Eindruck hinterlassenden Hauptdarstellern und einem gleichermaßen lebensecht wirkenden wie thematisch durchdachten Drehbuch ist «Die Auslöschung» ein berührender und geistreicher Fernsehfilm, der sein schwieriges Thema vielschichtig und einfühlsam behandelt.

Das Erste strahlt «Die Auslöschung» am Mittwoch, den 8. Mai 2013, um 20.15 Uhr aus. Im Anschluss folgt eine thematisch passende Reportage.

Kurz-URL: qmde.de/63632
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