Schlüter sieht's

«Schlüter sieht's»: Sat.1 und Qualitätsfernsehen?

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Die hochgelobte US-Serie «Homeland» kommt zu Sat.1 ins Free-TV. Wie passen diese Gegensätze zusammen?

Spötter würden sagen: Dass Sat.1 die Serie «Homeland» ausstrahlen wird, ist ein weiteres Anzeichen für die Entwicklung des Senders hin zum Nischenprogramm. Denn «Homeland» ist kein Quotenphänomen, sondern in den USA eine kleine, (zurecht) von Kritikern gefeierte Serie im Bezahlfernsehen, die normalerweise auf weniger als zwei Millionen Zuschauer pro Episode kommt. Und Sat.1 selbst wird das Jahr 2012 eventuell mit einem nur einstelligen Marktanteil beim werberelevanten Publikum abschließen – dem Sender geht es hinsichtlich der Einschaltquoten so schlecht wie selten.

Wie passt es zusammen, dass eine solche Nischenserie beim Free-TV-Privatkanal Sat.1 ausgestrahlt wird? Besonders vor dem Hintergrund, dass «Homeland» als hochwertige, sich narrativ ständig weiterentwickelnde Quality TV-Serie bei einem Sender ein Zuhause findet, dem Qualitätsfernsehen in weiten Teilen fremd ist? Logisch passt all das nicht zusammen, zumal bislang noch jede Qualitätsserie bei Privatsendern gescheitert ist, wenn sie im wöchentlichen Rhythmus ausgestrahlt wird. Das beste, weil prominenteste Beispiel: immer noch «Lost», dessen anfängliche Top-Quoten mit steigender Story-Komplexität ins Bodenlose fielen.

Auch «Homeland» wird es äußerst schwierig haben, mittelfristig viele Zuschauer zu binden. Nicht nur sind die narrativen Grundstrukturen wenig kompatibel zu Sat.1, sondern auch die eigentliche, sehr amerikanische Story des Formats: CIA-Agentin Carrie Mathison weiß, dass im Irak-Krieg 2003 ein amerikanischer Soldat als Deserteur zur gegnerischen Seite übergelaufen ist. Als Monate später der Marine Nicholas Brody aus einem Terroristenversteck befreit wird und in die USA zurückkehrt, bringt Mathison den Veteranen mit ihren geheimen Informationen in Verbindung: Ist Brody der Überläufer, der nun als Schläfer in den USA für al-Qadia arbeitet? Oder der echte Kriegsheld, als den ihn seine Landsmänner empfangen?

Vermutlich nur die allerwenigsten Fernsehzuschauer würden erwarten, dass eine solche Serie bei Sat.1 ausgestrahlt wird. Immerhin aber programmiert man «Homeland» zum Start prominent sonntags um 22.15 Uhr – also nach den quotenstarken Crime-Serien – und in den darauffolgenden Wochen um 23.15 Uhr. Es wäre den Verantwortlichen, allen voran Senderchef Nicolas Paalzow, aus tiefstem Herzen zu gönnen, dass sie mit «Homeland» einen Erfolg landen. Weil die Ausstrahlung bei Sat.1 mehr sein kann als ein bloßer Serien-Neustart. Sie kann ein Zeichen sein für einen mutigen Privatsender, der seine Strategie ändert und nicht mehr nur mit Trash zu punkten versucht, sondern mit hochwertigerem Programm, das sich vielleicht auf den ersten Blick nicht auszahlt.

Wahrscheinlich aber wird «Homeland» kein Zuschauererfolg, weil die Gegensätze zwischen Sender und Format schlicht zu groß sind. Trotzdem: Sat.1 sei Dank, dürfen wir diese großartige Serie nun auch hierzulande erleben. Sogar noch vor der israelischen Vorlage namens «Hatufim», die 2013 ebenfalls nach Deutschland kommt. Nicht im Privatfernsehen, nicht bei einem großen Sender – sondern bei arte.

Jan Schlüters Branchenkommentar gibt es jeden Mittwoch nur auf Quotenmeter.de.

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