Die Kino-Kritiker

«Dredd»

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Die brutale Comicverfilmung entfernt sich erfreulich weit vom ersten Adaptionsversuch mit Sylvester Stallone.

Bei der nach wie vor anhaltenden Flut an Remakes und Reboots aus Hollywood läuft man heutzutage fast schon Gefahr, allmählich die Lust daran zu verlieren, jedes Mal auf ein Neues die offensichtliche Ideenarmut und die fehlende Risikobereitschaft der amerikanischen Traumfabrik anzuprangern. Schon lange ein Teil der Filmgeschichte, ist das stetig inflationärer genutzte Recycling bereits bekannter Stoffe mittlerweile fest in die Hollywood-Maschinerie integriert und damit allzu alltäglich geworden. Da sich die Filmemacher selbst über den zweifelhaften Ruf eines solchen Wiederverwertungsunterfangens durchaus bewusst sind, wird zur Beschwichtigung der Anhängerschar eines auserkorenen Films, falls dieser bereits auf einer anderen Vorlage, wie einem Buch oder einem Comic, basierte, gerne darauf verwiesen, dass man sich nicht etwa eine Neuverfilmung ebenjenes Films, sondern vielmehr eine eigene Interpretation des ursprünglich zu Grunde liegenden Stoffes zum Ziel gemacht hat.

Auch die kreativen Köpfe hinter «Dredd», allen voran Drehbuchautor und treibende Kraft Alex Garland («The Beach», «28 Days Later»), wurden nicht müde, diese oftmals hohlen Worte stets zu betonen. Doch liegt der Fall des in dieser Woche in den deutschen Kinos startenden Actionfilms in der Tat etwas anders. So genießt die erste Verfilmung der innerhalb der Science-Fiction-Comicreihe «2000 AD» erscheinenden «Judge Dredd»-Comics einen zu Recht mehr als zweifelhaften Ruf. Zwar ist die bisweilen recht unterhaltsame Selbstironie der dystopischen Zukunftsvision mit Sylvester Stallone in der Titelrolle gerade aus heutiger Sicht unverkennbar. Doch bleibt der Film im Großen und Ganzen nichtsdestotrotz ein äußerst trashiger und alberner Adaptionsversuch, der vor allem Fans der Comicvorlage mit fehlender Werktreue vor den Kopf stieß. Insofern ist «Dredd» eine grundsätzliche Daseinsberechtigung nicht abzusprechen. Und in der Tat entpuppt sich der Film zweifellos als ein Beweis dafür, dass Remakes nicht per se etwas Schlechtes zu bedeuten haben. Mit kompromissloser Härte, abgebrühter Ernsthaftigkeit und einigen visuellen Leckerbissen lassen Regisseur Pete Travis («8 Blickwinkel») und Hauptdarsteller Karl Urban («Der Herr der Ringe», «Star Trek») Sylvester Stallones Judge Dredd mehr als alt aussehen. Dennoch ist auch ihr Werk keinesfalls frei von Mängeln.

Angesiedelt ist «Dredd» in einer nicht allzu entfernten Zukunft, in welcher der nordamerikanische Kontinent zu großen Teilen einem ausgestorbenen Ödland gleicht. Ganze Landstriche sind unbewohnbar. Die Menschen leben zum Teil zu Zigtausenden auf engstem Raum in den abgeschotteten, riesigen Großstädten, den Mega Citys. Gewalt und Kriminalität sind hier an der Tagesordnung. Um diesem Chaos so gut es geht Herr zu werden, wurden die so genannten Judges als neue Verbrechensbekämpfer ins Leben gerufen, welche die Aufgaben von Polizei, Rechtsprechung und Urteilsvollstreckung in sich vereinen. Einer von ihnen ist Judge Dredd (Karl Urban), der in Mega City One versucht, für Recht und Ordnung zu sorgen. Dredd soll sich eines Tages einer jungen Rekrutin (Olivia Thirlby) annehmen, um deren Tauglichkeit für den Dienst auf der Straße zu testen. Ihr erster Einsatz verschlägt sie in eines der vielen gigantischen Slum-Hochhäuser der Stadt, wo es ihnen gelingt, bei einer Drogenrazzia einen Handlanger der dort ansässigen Gang-Chefin Ma-Ma (Lena Headey), unter deren vollständiger Kontrolle sich das Gebäude befindet, festzunehmen. Aus Angst das Bandenmitglied könnte bei einem Verhör brisante Geheimnisse preisgeben lässt Ma-Ma das Haus kurzerhand komplett abriegeln und eröffnet die gnadenlose Jagd auf die beiden nun in der Falle sitzenden Judges.

«Dredd» ist von vorne bis hinten ein düsterer, schmutziger und rauer Actionstreifen. Und damit erfreulicherweise weit entfernt von der ersten filmischen Adaption des als Vorlage dienenden Kultcomics. Tatsächlich hat die Neuverfilmung nur wenig mit dem Machwerk aus der Mitte der 90er Jahre gemein, was schon bei einem ersten Blick auf Ausstattung und Design mit der anfänglichen Kamerafahrt über Mega City One, die eine weitaus stärkere Nähe zu heutigen Großstädten aufweist, mehr als deutlich wird. Mit den oben genannten Attributen ist jedoch nicht nur der Film selbst, sondern auch schon seine gleichnamige Hauptfigur treffend beschrieben. Mit überspitzter Grimmigkeit und ohne Emotionen geht Judge Dredd äußerst effizient gegen Kriminelle aller Art vor. Dabei wird scheinbar ganz bewusst auf jeglichen Charakterhintergrund verzichtet, der in der Comicvorlage mehrfach zur Sprache kommt und auch im Mittelpunkt der Sylvester-Stallone-Version stand. Dredd tritt hier als die pure Verkörperung eines eiskalten Systems auf. Als Gegenpart wird ihm die Rekrutin Anderson an die Seite gestellt, die bei weitem (noch) nicht die fast schon unmenschliche Abgebrühtheit ihres Begleiters an den Tag legt und somit am ehesten noch als Identifikationsfigur, wenn nicht gar als eigentlicher Protagonist des Films dient.

Generell ist «Dredd» aber ohne Zweifel durch und durch von der Schnörkellosigkeit geprägt, die auch die titelgebende Figur auszeichnet. Auf unnötigen Ballast wurde weitestgehend verzichtet, was dem Film gleichermaßen vorgeworfen wie zu Gute gehalten werden kann. So lässt er auf der einen Seite vor allem angesichts der zurückgefahrenen und nur ab und an relativ subtil eingeflochtenen Gesellschaftskritik, die sich anhand des Szenarios anbietet, jegliche noch so dezente Tiefgründigkeit vermissen. Andererseits ist «Dredd» damit auch ein erstaunlich geradliniger Actionthriller, der allein schon von der rauen Atmosphäre seines Hauptschauplatzes zu profitieren weiß. So werden mit ein paar einleitenden Worten zu Anfang des Films wirklich nur die allernötigsten Hintergrundinformationen zur Filmwelt zum Besten gegeben, um dann kurz darauf schon direkt in die Vollen zu gehen. Und das weiß «Dredd» mit einigen fesselnden Actioneinlagen auch in der Tat über eine lange Zeit zu tun.

Die unbestreitbaren Highlights hierbei sind die schier atemberaubend inszenierten Rauschzustände in Folge der Einnahme der im Mittelpunkt des Films stehenden Droge „Slo-Mo“. Die in Superzeitlupe und krasser Farbgebung gestalteten Sequenzen kommen in ihrer Komposition bisweilen fast schon Kunstwerken nahe und sind gerade durch ihre außergewöhnliche Darbietung eine ungemeine Bereicherung für den Film. Besonders in diesen verfremdeten Szenen kann auch die Dreidimensionalität, die in einigen anderen Passagen leider hin und wieder mit einigen leichten, wenn auch nicht übermäßig störenden Unschärfen zu kämpfen hat, ihre Stärken vollends ausspielen. Dabei ist es vor allem eine besonders actiongeladene Zeitlupensequenz, die für einige offene Münder sorgen dürfte. Gerade hier, doch auch im gesamten Handlungsverlauf, geizt «Dredd» nicht mit drastischen Gewaltdarstellungen. Eine gewisse Zelebrierung dieser Brutalität ist nicht zuletzt in ebendiesen, durch die verlangsamte Zeitdarstellung geprägten Szenen nicht von der Hand zu weisen. Allerdings fügt sie sich insgesamt auch sehr stimmig in das entworfene Szenario ein und unterstreicht dessen Charakter sehr nachhaltig.

Leider hat «Dredd» mit der herausgestellten Sequenz schon recht früh sein bestes Pulver verschossen. Zwar lassen es die Judges und ihre Widersacher auch im weiteren Verlauf noch ordentlich im Hochhaus krachen, doch ebben die Intensität, der Einfallsreichtum und somit auch die Spannung dessen nach hinten immer mehr ab, um schließlich gar in einem überraschend unspektakulären Finale zu münden, was gerade für einen Actionfilm der Marke «Dredd» den Gesamteindruck unnötigerweise wesentlich schmälert. Ein weiterer, ähnlich gearteter Zeitlupen-Shootout hätte hier eventuell noch einmal Wunder wirken können.

«Dredd» dürfte in erster Linie bei Fans der zu Grunde liegenden Comicreihe für Begeisterung sorgen. Zwar verzichtet der Film auf die Erläuterung des Hintergrunds der Titelfigur und spart auch mit Details zum dargebotenen Szenario, doch orientiert er sich in seiner Ausrichtung nichtsdestotrotz wesentlich stärker an der Vorlage als es der unsägliche «Judge Dredd» mit Sylvester Stallone tat. Gerade bei den Anhängern der Comics ist ohnehin davon auszugehen, dass sie natürlich mit allen Hintergrundinformationen mehr als vertraut sind. Doch auch die Nichtkenntnis dieser schadet dem Verständnis des sehr simpel gehaltenen Films keineswegs. So kann «Dredd» schon nach recht kurzer Einführung sein ansehnliches Actionfeuerwerk auf den Zuschauer loslassen. Dabei dürften vor allem die beeindruckenden (3D-)Zeitlupensequenzen im Gedächtnis bleiben. Da inhaltlich etwas an Potential verschenkt wird und die Spannung nach hinten zunehmend abbaut, wobei insbesondere das einfallslose Finale dem Rest nicht wirklich gerecht wird, bleibt die Comicverfilmung am Ende aber lediglich ein grundsolider harter Actionthriller mit vereinzelten inszenatorischen Ausbrüchen nach oben.

«Dredd» ist seit dem 15. November in vielen deutschen Kinos zu sehen.

Kurz-URL: qmde.de/60398
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