
Bei all dem Tadel, der sich auf die inhaltlichen Konzeptionen bezieht, darf aber auch die Einschaltquote nicht vernachlässigt werden: Hatte die risikoreiche Talkshow-Rochade zumindest einen positiven Effekt auf die Zuschauerzahlen? Oder müssen die Sendungen neben all der inhaltlichen Kritik auch noch sinkendes Publikumsinteresse beklagen? Zeit also ist es für eine Analyse der Zuschauerzahlen, nachdem sich seit Sonntag die Mehrzahl der Sendungen in der Sommerpause befindet.
«Günther Jauch»
Seine Sendung war diejenige, welche die Talkshow-Reform erst nötig machte – umso fataler wäre es, wenn Günther Jauch die Quoten seiner Vorgängerin Anne Will am Sonntag nicht hätte steigern können. Ein Blick auf die nackten Zahlen lässt aber eine positive Entwicklung erkennen: Hatte «Anne Will» in der Saison 2010/11 durchschnittlich 4,06 Millionen Zuschauer und 14,3 Prozent Marktanteil erreicht, waren es bei «Günther Jauch» nun 4,53 Millionen und 15,5 Prozent. Der neue ARD-Talker profitierte besonders von Themen um die Affäre Wulff, welche ihm im Januar zwei Mal mehr als fünf Millionen Zuschauer bescherten.

«Hart aber fair»
Frank Plasbergs Debattierclub stand in den vergangenen Monaten teils deshalb in der Kritik, weil kaum mehr politische Themen im Fokus standen, sondern vermeintlich belanglose Talks wie beispielsweise über das Heimwerken. Allerdings: Auch schon in Vorjahren hatte «Hart aber fair» oft auf buntere gesellschaftliche Themen gesetzt und das Hochpolitische ausgeklammert. Stark geändert hat Frank Plasberg seine Sendung also nach dem Wechsel auf den Montag nicht – und dies honorieren die Zuschauer: Durchschnittlich schalten 3,18 Millionen Menschen seit dem Sendeplatz-Wechsel ein, in der Vorsaison waren es mit 3,11 Millionen sogar einige weniger. Dies aber hängt mit der Startzeit zusammen: Seit August 2011 beginnt «Hart aber fair» schon um 21 statt um 21.45 Uhr und erreicht damit zwangsweise mehr Zuschauer. Aussagekräftiger ist daher der Marktanteil: Dieser verringerte sich von 12,7 Prozent auf dem Mittwochs-Sendeplatz auf nun 10,0 Prozent am Montag. Ein erwartbarer Verlust – und einer, der nicht so schlecht ist, wie er zunächst erscheint: Denn am Montagabend hatte Das Erste um 21 Uhr oft große Quotenprobleme; Formate wie die Porträtreihe «Legenden» waren meist kaum auf zweistellige Quoten gekommen. Dahingehend hat sich der neue Sendeplatz für Plasberg also bezahlt gemacht.

«Menschen bei Maischberger»
Sandra Maischberger durfte als einzige ihren angestammten Sendeplatz am Dienstag um 22.45 Uhr behalten. Dementsprechend unspektakulär fällt das Quotenfazit aus: Gegenüber der Vorjahresstaffel blieb die Reichweite von «Menschen bei Maischberger» stabil; sie lag 2010/11 bei 1,77 Millionen, seit August 2011 nun bei 1,74 Millionen.
Der Marktanteil verringerte sich allerdings von 12,5 auf 11,6 Prozent. Schuld daran ist vor allem das schwache zweite Halbjahr 2011, das mit 1,54 Millionen Zuschauern und einer Quote von 10,7 Prozent den Durchschnitt negativ beeinträchtigte. Im neuen Jahr sendet «Menschen bei Maischberger» wieder auf erfolgreichem Normalniveau: Seit dem 17. Januar haben die Talkshow 1,94 Millionen und 12,6 Prozent des Gesamtpublikums eingeschaltet. Bei den jungen Zuschauern betrug die Quote – wie bei der vorherigen Staffel – 5,9 Prozent.
«Anne Will»

Diese These kann auch bei «Anne Will» mit Fakten untermauert werden, denn im Jahresvergleich legte der Talk bereits leicht zu: 2012 schauten 1,65 Millionen Menschen die Sendung, gegenüber 1,63 Millionen im Jahr 2011 nach der Sendeplatz-Verlegung. Der Marktanteil verbesserte sich beim Gesamtpublikum von 10,4 auf 10,9 Prozent und bei den jungen Zuschauern von 4,6 auf 4,9 Prozent.
«Beckmann»
Ausgerechnet Reinhold Beckmann, der dienstälteste ARD-Talker ist es, dem die Programmreform geschadet hat: Durch die Verlegung vom Montag auf den Donnerstag verringerte sich seine Zuschauerzahl von 1,58 Millionen in der Staffel 2010/11 auf 1,03 Millionen seit der Sendeplatz-Verlegung. Der Marktanteil fiel drastisch von 11,3 auf 7,4 Prozent.
Noch beunruhigender ist die Entwicklung im Jahr 2012: Zwar steigerte «Beckmann» seine Reichweite seit Januar minimal auf 1,04 Millionen Zuschauer gegenüber 1,02 Millionen zwischen September und Dezember 2011. Aber die durchschnittliche Quote verringerte sich gleichzeitig von 7,7 auf 7,1 Prozent. Selbst Harald Schmidt hatte im Vorjahr noch deutlich bessere Zahlen eingefahren: Die letzte Staffel seiner ARD-Show fuhr auf dem «Beckmann»-Sendeplatz 1,27 Millionen Zuschauer und 9,1 Prozent Marktanteil ein.


Wenn all diese Einschaltquoten eines bedeuten, dann ist es die Tatsache, dass man selbstbewusst und zuversichtlich in das zweite Jahr der Talkshow-Reform starten kann. Angesichts der größtenteils guten Zuschauerzahlen sogar so selbstbewusst, dass die – teils berechtigte – Kritik durchaus aufgegriffen werden sollte: Mehr Fachwissen und damit einher gehend neue, andere Gäste; eine breitere Themenauswahl und keine Dopplungen; sinnvoller gewichtete Zusammenstellungen der einzelnen Diskussionsrunden; kurz: mehr Mut zum eigenen Profil, zum unverkennbaren Konzept. Es wäre der zweite Schritt, der nach dem ersten – einer hinsichtlich der Quoten erfolgreichen Etablierung des neuen Talkshow-Sendeschemas – nun folgen müsste.