Hingeschaut

«Liebe im Paradies»: Trash mit Gefühl

von
Quotenmeter.de sah den RTL II-Überraschungserfolg, der schon 2010 auf Ibiza entstand.

Im Jahre 2012 sind aus Zuschauern längst Voyeure geworden. Nach «Big Brother», «Super Nanny» und Schuldenberater erfreut sich mittlerweile vor allem das breite Gebiet der Partnerfindung wachsender Beliebtheit. Was früher einfach nur Kuppelei hieß, ist heute fernsehtauglich, besteht aus einer Mischung aus Fremdscham sowie Mitleid und verhilft den vielen Kuppelformaten privater Sender regelmäßig zu einer beachtlichen Einschaltquote. Das lässt nur einen Schluss zu: Nachschub muss her! Und was liegt bei der derzeitigen sibirischen Kälte in Deutschland näher, als sämtliche Annährungsversuche verzweifelter Singlemänner und –Frauen an einen sonnigen Urlaubsort zu verlegen und das Ganze schließlich «Liebe im Paradies» zu nennen?

Bereits 2010 wurde die Scripted Reality von der Firma Stampfwerk (feierte und feiert mit «Die Schulermittler» Erfolge) produziert und war von Anfang an dafür geplant, in der Primetime gesendet zu werden. Diese Idee wurde offenbar schnell wieder verworfen denn erst jetzt, zwei Jahre später, traut sich RTL II, die Mischung aus «Schwiegertochter gesucht» und «X-Diaries» im Anschluss an das ähnlich aufgebaute Format «Traumfrau gesucht» auszustrahlen. Das Konzept der Sendung ist simpel. Im Mittelpunkt stehen mehr oder weniger attraktive Singles, die zwischen Traumstrand und Minibar nach ihrem Glück Ausschau halten. Im Gegensatz zu den wenigstens noch halbwegs skriptfrei gedrehten Sendungen wie «Schwiegertochter gesucht» oder «Schwer verliebt», die bislang das Verlangen der Zuschauer nach peinlichen Flirt-Versuchen und unromantischen Kuss-Attacken zu stillen vermochten, setzt «Liebe im Paradies» nun gänzlich auf Drehbücher und Laiendarsteller, vermutlich beflügelt durch den unvorhersehbaren Hype von Sendungen wie «Familien im Brennpunkt» oder eben auch «X-Diaries». Gerade der Erfolg dieser beiden Formate dürfte auch «Liebe im Paradies» zum ein- oder anderen Zuschauer verhelfen.

Bereits die erste Sendung vereint sämtliche Komponenten, welche von gestandenen Scripted Reality-Fans so geliebt werden, mit der entscheidenden Prise Kuppelei. Da ist das eher unscheinbare Muttersöhnchen Matthias, das, selbstverständlich in Begleitung seiner gut beleibten Mutter, auf Ibiza urlaubt. Schöne Frauen in knappen Bikinis stehen einem Mauerblümchen gegenüber. Zu dieser schon eher ungünstigen Ausgangslage für den jungen Mann gesellen sich weitere Verwicklungen, Nebenstränge und bilden die Basis für eine Dokusoap, die sich insofern von «X-Diaries» unterscheidet, als dass der Fokus hier eindeutig auf der Liebe liegt und im Vergleich zu «Berlin – Tag & Nacht» nicht in der Hauptstadt, sondern auf Ibiza spielt. Die Qualität der Drehbücher und erstrecht die der Laiendarsteller ist ähnlich der, die man bereits gewohnt ist und die dem Ganzen Laientheater einem Hauch von Realismus einhauchende Stimme aus dem Off, die kommentiert und analysiert, ist die allseits bekannte Frauenstimme aus sämtlichen RTL II-Sendungen. Fremdschämen ist bei der Charakterisierung der Hauptdarsteller vorprogrammiert, ebenso bei der Dramaturgie der Handlungen. Da zaubern blonde Traumfrauen im richtigen Moment ihre Existenz als „Lady-Boy“ hervor, ein Mann verlässt seine Freundin, als er plötzlich homosexuelle Neigungen bei sich entdeckt und all das im selben Hotel, zur selben Zeit, parallel zueinander. Es ist eben die RTL II-typische Portion Trash, die man sich anschaut, als handele es sich um einen Gruselfilm: man will nicht hinsehen, aber man muss.

Immerhin – der Auftakt der Serie machte nicht den Eindruck, als wäre es den Machern nur darum gegangen, mit nackter Haut für Aufmerksamkeit zu sorgen. Gefühl und vor allem das Urlaubsgefühl stehen in dem Stampfwerk-Format mehr im Mittelpunkt als beim ähnlich angelegten «X-Diaries». Dazu passt auch das Ende der ersten Folge. Auch wenn er sein Glück kaum fassen kann, Muttersöhnchen Matthias war mir nichts, dir nichts verlobt.

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